Pfui aufs Einstecktuch!

Lite­ra­tur­kri­tik als Gesin­nungs­mob­bing: Sig­rid Löff­ler will nicht, dass Mar­tin Mose­bach den Büch­nerpreis bekommt

 

Sig­rid Löff­ler ist Lite­ra­tur­kri­ti­ke­rin und Her­aus­ge­be­rin der Zeit­schrift „Lite­ra­tu­ren“. In der Okto­ber­aus­ga­be ver­an­stal­tet sie ein Scher­ben­ge­richt. Gehal­ten wird es über den dies­jäh­ri­gen Büch­nerpreis­trä­ger – bezie­hungs­wei­se jenen Popanz, den die Kri­ti­ke­rin sich von ihm zurecht­ge­bas­telt hat. Unter­ti­tel des Arti­kels: „Der auf­halt­sa­me Auf­stieg des Mar­tin Mosebach“. 

Der Preis­trä­ger, zürnt Löff­ler, sei ein „schlecht ver­käuf­li­cher Gesell­schafts­ro­man­cier“, der einen „eli­tä­ren Dün­kel“ pfle­ge, sein Werk sei aber allen­falls „Imi­ta­ti­ons­pro­sa“ mit „Second­hand-Charme“ und „mod­ri­ge Küns­te­lei für Vor­gest­ri­ge“, sein viel geprie­se­ner Stil tat­säch­lich nur „mar­mo­rier­ter Gips“.

Im Inter­view mit dem Deutsch­land­ra­dio leg­te Löff­ler nach. Neu­er­lich nahm sie Anstoß am „posie­ren­den Eli­ta­ris­mus“ des Preis­trä­gers, sei­ner „gewoll­ten Schön­schrei­be­rei“ und den „ver­zopf­ten Phra­sen aus der bür­ger­li­chen Mot­ten­kis­te“, mit denen er, „sprach­li­che Hoch­sta­pe­lei“ betrei­bend, „lau­ter Plüsch und Tal­mi“ fabriziere.

Wer sich so echauf­fiert, meint in den sel­tens­ten Fäl­len jeman­des Pro­sa. Um die geht es auch hier nicht. Was Löff­ler in logo­pä­di­sche Lyn­chlau­ne ver­setz­te, ist Mose­bachs poli­ti­sche Gesin­nung, die ganz offen­kun­dig nicht mit ihrer über­ein­stimmt. Zum Bei­spiel der „ästhe­ti­sie­ren­de Feuil­le­ton-Katho­li­zis­mus“, als des­sen „Weg­be­rei­ter und Wort­füh­rer Mose­bach durch­aus gel­ten kann“. Sein „Aris­to­kra­tis­mus“. Sei­ne „ver­que­ren Ansich­ten“, zum Bei­spiel des Autors man­gel­haf­ter Glau­be an jenen „gesell­schaft­li­chen Fort­schritt“, in des­sen Pha­lanx sich offen­bar Löff­ler wähnt. Dass er Schrif­ten des kolum­bia­ni­schen Erz­re­ak­tio­närs Nicolás Gómez Dávila her­aus­gibt. Oder dass er ein Plä­doy­er für die alte latei­ni­sche Mes­se publi­ziert hat, über­dies in einem Wie­ner „Dun­kel­män­ner­ver­lag“. Auch dass der Mann so noto­risch Sofa mit ph schreibt, wie er mit Kra­wat­te und zum Hemd pas­sen­den Ein­steck­tuch auf­tritt, erreg­te den Furor Löff­le­ri­cus.

Dar­auf pochend, dass ihre Ein­schät­zung der lite­ra­ri­schen Qua­li­tät des Mose­bach­schen Wer­kes irgend­wie ver­bind­lich sei, lau­tet Löff­lers Resü­mee: „Die Darm­städ­ter Jury hat dies­mal eher eine Gesin­nung als büch­nerpreis­wür­dig aus­ge­zeich­net und weni­ger ein ori­gi­nel­les lite­ra­ri­sches OEu­vre.“ Sie schlie­ße dar­aus, so Löff­ler, „dass sich der Zeit­geist gewan­delt hat. Womit man sich vor 15 Jah­ren viel­leicht noch unmög­lich gemacht hat, das gilt heu­te als salonfähig“.

„Unsinn“, sagt Klaus Rei­chert, Prä­si­dent der Aka­de­mie für Spra­che und Dich­tung, die den Preis ver­gibt. „Wir ehren einen bedeu­ten­den Gegen­warts­au­tor. Poli­ti­sche Ansich­ten gehen uns nichts an.“ Aus dem Umfeld der Jury ver­lau­tet, dass Mose­bach den Preis eher trotz als wegen sei­ner Gesin­nung bekom­men habe.

Außer der Deutsch­land­funk-Redak­teu­rin Lia­ne von Bil­ler­beck – „Wie­so, Frau Löff­ler, wird das so wider­stands­los hin­ge­nom­men?“ – moch­te sich vor­erst nie­mand am Exkom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­such betei­li­gen. Viel­leicht hat Frau Löff­ler ja wirk­lich Recht mit der Beob­ach­tung, dass der Zeit­geist sich dreht. Viel­leicht bringt der womög­lich unauf- und gewiss unter­halt­sa­me Auf­stieg des lite­ra­ri­schen Ästhe­ten Mose­bach bloß zum Aus­druck, was der von Löff­ler gleich mit­ver­teu­fel­te Gómez Dàvila in die lako­ni­schen Wor­te fass­te: „Weder eine lin­ke Hal­tung noch die Por­no­gra­fie erset­zen das Talent.“ 

  

Erschie­nen in: Focus 42/2007, S. 94 

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