Was geschah vor und beim deutschen Angriff auf Polen vor 80 Jahren?

Ich ver­öf­fent­li­che hier unkom­men­tiert einen Text von Gerd Schult­ze-Rhon­hof, Gene­ral­ma­jor a.D. und wei­ßer Schim­mel (i.e.: „revi­sio­nis­ti­scher His­to­ri­ker”), über des­sen Stich­hal­tig­keit ich nicht zu ent­schei­den habe; wer etwas anders oder bes­ser weiß, möge sich also melden


Ein­lei­tung

Pünkt­lich zum 1. Sep­tem­ber wur­de wie­der und lei­der mit schar­fen und fal­schen Tönen an den Beginn des Zwei­ten Welt­kriegs mit dem deut­schen Polen­feld­zug erin­nert. Die Töne aus Polen dazu waren scharf und for­dernd, die aus Deutsch­land falsch und schäd­lich. Es ging dabei um Repa­ra­ti­ons­for­de­run­gen an Deutsch­land und Zurück­wei­sun­gen deut­scher Ein­mi­schun­gen in inner­pol­ni­sche Ange­le­gen­hei­ten auf der einen Sei­te und um Schuld- und Ver­ant­wor­tungs-Bekennt­nis­se und Ein­mi­schun­gen in inner­pol­ni­sche Vor­gän­ge auf der anderen.

Kul­mi­niert hat die­se Gemenge­la­ge am pol­ni­schen Gedenk­tag zur 80. Wie­der­kehr des Kriegs­be­ginns. Die pol­ni­sche Sei­te insze­nier­te Gedenk­fei­ern in der am ers­ten Kriegs­tag von der deut­schen Luft­waf­fe bom­bar­dier­ten „fried­li­chen und unge­warn­ten“ Klein­stadt Wie­lun. Und in ganz Polen fan­den sol­che Fei­ern zur Erin­ne­rung an den deut­schen „Über­fall“ auf das „Opfer“ Polen statt. Das alles wäre eine inner­pol­ni­sche Ange­le­gen gewe­sen, wenn nicht die Frau Bun­des­kanz­ler, der Herr Bun­des­prä­si­dent und der Herr Bun­des­tags­prä­si­dent nach Polen gereist und mit ihren „Schuld- und Ver­ant­wor­tungs-Bekennt­nis­sen“ das wür­de­lo­se Bild von schlecht infor­mier­ten Buß­gän­gern im Namen des deut­schen Volks abge­ge­ben hätten.

Das Pro­blem his­to­ri­scher Erin­ne­run­gen und Betrach­tun­gen ist, dass man Geschich­te nur in Zusam­men­hän­gen begrei­fen kann. So muss ich, um die­se dar­zu­stel­len, auf das heu­ti­ge und das frü­he­re deutsch-pol­ni­sche Ver­hält­nis ein­ge­hen, auf die ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Fest­le­gun­gen für die deut­sche Geschichts­schrei­bung zur Vor­kriegs-und Kriegs­zeit und auf den Gedenk­an­lass „Wie­lun“.

Das heu­ti­ge deutsch-pol­ni­sche Verhältnis

Vor­rang im heu­ti­gen Umgang zwi­schen Polen und Deutsch­land hat die Pfle­ge des guten und den­noch fra­gi­len Ver­hält­nis­ses der zwei inzwi­schen aus­ge­söhn­ten Völ­ker. Stö­rend und gefähr­lich wir­ken dabei die deut­schen Ein­mi­schun­gen in die pol­ni­sche Migra­ti­ons­po­li­tik und Rechts­po­li­tik sowie die offen­sicht­lich völ­li­ge Unkennt­nis deut­scher Spit­zen­po­li­ti­ker von der Mit­ver­ant­wor­tung Polens am Kriegs­aus­bruch. Stö­rend und gefähr­lich wir­ken dabei auch die pol­ni­schen Repa­ra­ti­ons­for­de­run­gen, das Instru­men­ta­li­sie­ren angeb­li­cher deut­scher Allein­schuld am Kriegs­aus­bruch und die feh­len­de Auf­ar­bei­tung der eige­nen Kriegs- und Außen­po­li­tik und der Ver­fol­gung der Juden und Ortho­do­xen Chris­ten in Polen zwi­schen bei­den Kriegen.

Die Deut­schen soll­ten auf­hö­ren, den Demo­kra­tie- und Migra­ti­ons­ober­leh­rer Euro­pas zu spie­len, und die Polen soll­ten auf­hö­ren, Deutsch­land mit sei­nem Teil der Kriegs­schuld zu erpres­sen. Und Deut­sche und Polen soll­ten die Rea­li­tä­ten der Jah­re zwi­schen 1918 und 1939 zur Kennt­nis neh­men und anerkennen.

Ent­lar­vend ist hier­zu ein Kom­men­tar des Lei­ters der deut­schen Dele­ga­ti­on bei der deutsch-pol­ni­schen Schul­buch­kom­mis­si­on bei einer Vor­stel­lung der deutsch-pol­ni­schen Schul­buch­emp­feh­lun­gen. Er sagte: 

„Ich möch­te sehr hof­fen, dass das, was wir hier vor­le­gen, nicht etwa als Wis­sen­schafts­er­geb­nis betrach­tet wird. Das ist es nicht. Es ist ein poli­tisch-päd­ago­gi­sches Ergeb­nis des gerings­ten gemein­sa­men Nen­ners. In der vor­lie­gen­den Form sind die deutsch-pol­ni­schen Schul­buch­emp­feh­lun­gen Aus­druck poli­ti­schen Wol­lens, nicht aber wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis.“ [1]

Polens Bei­trag zum Kriegs­aus­bruch 1939

Nach vie­len häss­li­chen deutsch-pol­ni­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen um Ober­schle­si­en und Dan­zig nach 1918 trat unter Hit­ler und Pil­sud­ski ab 1934 eine kurz­zei­ti­ge Beru­hi­gung des ange­spann­ten Ver­hält­nis­ses und sogar eine Bünd­nis­part­ner­schaft ein. Wie konn­te es trotz­dem schon bald danach zu einem deutsch-pol­ni­schen Krieg und damit zu einem neu­en Welt­krieg kommen?

Nach dem Ers­ten Welt­krieg hat­ten die Sie­ger­mäch­te dem Staat Polen meh­re­re ehe­mals deut­sche Gebie­te zuge­spro­chen: die Pro­vinz West­preu­ßen mit nur 35% pol­ni­scher, aber mehr­heit­lich deut­scher Bevöl­ke­rung, die Pro­vinz Posen und den öst­lichs­ten Teil Ober­schle­si­ens mit pol­ni­scher Mehrheit.

Der ers­te Kon­flikt­herd war die von Deutsch­land abge­trenn­te Han­se­stadt Dan­zig. Die Stadt Dan­zig mit Umland und mit 97% deut­scher Bevöl­ke­rung war ein so genann­ter Frei­staat unter der Ober­ho­heit des Völ­ker­bunds gewor­den, also eine klei­ne halb­sou­ve­rä­ne Repu­blik, aber nicht ein Teil des Staa­tes Polen. 

Dem Staat Polen waren jedoch im Ver­sailler Ver­trag beson­de­re Zoll‑, Post‑, Bahn- und Wege­rech­te im Frei­staat zuge­stan­den und die diplo­ma­ti­sche Außen­ver­tre­tung Dan­zigs über­tra­gen wor­den, und Dan­zig war dem pol­ni­schen Zoll­ge­biet zuge­schla­gen wor­den. Polen aber woll­te die übri­gen Hoheits­rech­te, die nun beim Frei­staat Dan­zig lagen, nicht aner­ken­nen und auf sich sel­ber über­tra­gen haben.

Polen bean­trag­te beim Völ­ker­bund, Pro­tek­to­rats­macht über Dan­zig zu wer­den, die Ober­ho­heit über Dan­zig zu erhal­ten, es ver­such­te Trup­pen in Dan­zig zu sta­tio­nie­ren, dort ein eige­nes Post­netz auf­zu­bau­en, die Päs­se der Dan­zi­ger gegen pol­ni­sche Päs­se aus­zu­tau­schen, es leg­te 24 pol­ni­sche Behör­den in die Stadt und ver­leg­te Kriegs­schif­fe in den Dan­zi­ger Hafen.

Schon vor Hit­lers Macht­über­nah­me in Deutsch­land 1933 muss­te der Völ­ker­bund 106 mal in die Streit­fäl­le zwi­schen dem Frei­staat Dan­zig und der Repu­blik Polen ein­grei­fen,[2] also durch­schnitt­lich alle 6 Wochen ein­mal. Der Völ­ker­bund hat damals fast alle angeb­li­chen Ansprü­che Polens zurückgewiesen.

Ab dem 24. Okto­ber 1938 ver­such­te Deutsch­land in sechs immer neu­en Ver­hand­lungs­an­läu­fen mit dem damals ver­bün­de­ten Polen die deutsch-pol­ni­schen Dif­fe­ren­zen aus der Welt zu schaf­fen. Die deut­sche Reichs­re­gie­rung hat­te dabei drei Zie­le: ers­tens die Wie­der­ver­ei­ni­gung der schon genann­ten Stadt Dan­zig mit dem Mut­ter­land, zwei­tens einen exter­ri­to­ria­len Zugang quer durch den pol­ni­schen Kor­ri­dor nach Ost­preu­ßen und drit­tens die Ein­hal­tung der ver­trag­lich zuge­si­cher­ten Min­der­hei­ten­rech­te für die deut­sche Min­der­heit in Polen. Das deut­sche Gegen­an­ge­bot war die immer wie­der von Polen erbe­te­ne deut­sche Aner­ken­nung der pol­ni­schen Gebiets­er­wer­bun­gen seit 1918 in Ost-Ober­schle­si­en, West­preu­ßen und der Pro­vinz Posen. Zum deut­schen Vor­schlag gehör­te auch das Ange­bot, den deutsch-pol­ni­schen Nicht­an­griffs­pakt von 10 auf 25 Jah­re zu ver­län­gern.[3] Hit­lers ergän­zen­der Kom­pro­miss­vor­schlag dazu vom Janu­ar 1939 lau­te­te:  „Dan­zig kommt poli­tisch zur deut­schen Gemein­schaft und bleibt wirt­schaft­lich bei Polen.“ [4]

Frank­reich tor­pe­dier­te die deut­schen Ver­hand­lungs­ver­su­che von Anfang an und Eng­land unter­lief sie, nach­dem Hit­ler Cham­ber­lains Ver­trau­en mit der völ­ker­rechts­wid­ri­gen Beset­zung der Rest­tsche­chei zutiefst ver­letzt hat­te. Bei­de , Frank­reich und Eng­land, ver­spra­chen Polen, das zu der Zeit noch mit Deutsch­land ver­bün­det war und das von Deutsch­land in der Dan­zig-Sache noch nicht ein­mal unter Druck gesetzt wor­den war, eine „Garan­tie“, näm­lich  mili­tä­ri­sche Unter­stüt­zung für den Fall, dass Deutsch­land sei­ne Wün­sche nach Dan­zig und der Pas­sa­ge durch den Kor­ri­dor eines Tages mit Gewalt durch­set­zen wür­de. Polen wech­sel­te nach dem Garan­tie­ver­spre­chen die Front vom deut­schen Bünd­nis­part­ner zum bri­tisch-fran­zö­si­schen Bünd­nis­part­ner und wies fort­an alle deut­schen Wün­sche kate­go­risch ab.

Die Strei­tig­kei­ten zwi­schen Polen und der klei­nen Repu­blik Dan­zig schmor­ten der­wei­len wei­ter. Sie gip­fel­ten im Som­mer 1939 in einer Aus­ein­an­der­set­zung um die Bewaff­nung pol­ni­scher Zoll­be­am­ter auf Dan­zi­ger Ter­ri­to­ri­um. Der Dan­zi­ger Senat woll­te die Bewaff­nung der pol­ni­schen Beam­ten auf sei­nem Hoheits­ge­biet nicht dul­den und kün­dig­te die Zusam­men­ar­beit zwi­schen Dan­zi­ger und Polens Zoll­be­am­ten auf. Die pol­ni­sche Regie­rung droh­te dem Frei­staat Dan­zig dar­auf­hin mit Zwangs­maß­nah­men, was de fac­to eine Kriegs­er­öff­nung bedeu­tet hät­te.[5] Es war Hit­ler, der 3 Wochen vor sei­ner eige­nen Kriegs­er­öff­nung den Dan­zi­ger Senat gedrängt hat, im Streit mit Polen ein­zu­len­ken.[6] Er sag­te, er kön­ne kei­nen Streit mit Polen brau­chen. Hit­ler woll­te sich offen­sicht­lich noch immer die Tür für eine Ver­hand­lungs­lö­sung mit den Polen offen hal­ten. Und die eng­li­sche und die fran­zö­si­sche Regie­rung haben die pol­ni­sche zurück­ge­pfif­fen, weil sie nicht woll­ten, dass der Krieg von Polen aus­ge­löst würde.

Wenn jemand das Dan­zi­ger Pro­blem zum Sie­den gebracht hat, war es der Staat Polen mit sei­ner Dan­zig-Poli­tik bis 1939.

Der zwei­te Kon­flikt­herd war der so genann­te pol­ni­sche Kor­ri­dor. 1921 muss­te Deutsch­land West­preu­ßen an Polen abtre­ten und damit auch das Gebiet zwi­schen Ost­preu­ßen und dem deut­schen Haupt­ge­biet, den soge­nann­ten pol­ni­schen Kor­ri­dor zur Ost­see. Über West­preu­ßen lie­fen jedoch 8 ehe­mals deut­sche Eisen­bahn­stre­cken nach Ostpreußen.

Zwei Drit­tel der Trans­por­te über die­se Stre­cken trans­por­tier­ten Koh­le aus deut­schen Gru­ben für die Ener­gie­ver­sor­gung Ost­preu­ßens. Die Tran­sit­ge­büh­ren dafür waren in Zlo­ty an Polen zu ent­rich­ten. Das war ver­trag­lich so gere­gelt wor­den. In und nach der Welt­wirt­schafts­kri­se aber nahm Deutsch­land nicht mehr genug Zlo­ty-Devi­sen ein, um die Gebüh­ren in vol­ler Höhe bezah­len zu kön­nen. Deutsch­land bezahl­te die feh­len­den Beträ­ge nun in Reichs­mark und woll­te sie mit pol­ni­schen Schul­den ver­rech­nen. Bei­des lehn­te Polen ab.

Polen schloss statt­des­sen zur Stra­fe für den deut­schen Ver­trags­bruch eine Eisen­bahn­ver­bin­dung nach der ande­ren. 1936 droh­te die pol­ni­sche Regie­rung, bei wei­ter­hin unvoll­stän­di­gen Zlo­ty-Zah­lun­gen, auch die letz­ten Eisen­bahn­ver­bin­dun­gen zwi­schen dem Reichs­ge­biet und Ost­preu­ßen zu schlie­ßen.[7] Damit wäre Ost­preu­ßen dem wirt­schaft­li­chen Ruin preis­ge­ge­ben gewesen. 

Ähn­li­ches hat die Sowjet­uni­on ja 20 Jah­re spä­ter mit der Ber­li­ner Blo­cka­de auch versucht.

So ent­stand Hit­lers zwei­tes Ziel für die Ver­hand­lun­gen und der zwei­te Grund für den spä­te­ren Angriff auf Polen, näm­lich der Wunsch nach einer exter­ri­to­ria­len Eisen­bahn-Tras­se vom Reich nach Ost­preu­ßen unter deut­scher Hoheit und Regie und auf deut­sche Kosten.

Den drit­ten Ver­hand­lungs- oder Kriegs­grund kann ich in sei­nen Ein­zel­hei­ten hier wohl über­sprin­gen. Ich glau­be, es ist bekannt, wie Polen mit sei­nen 12 Mil­lio­nen natio­na­len Min­der­hei­ten an Weiß­rus­sen, Ukrai­nern, Juden und Deut­schen umge­gan­gen ist. Hit­ler ver­lang­te von Polen die Ein­hal­tung der in Ver­sailles ver­brief­ten Min­der­hei­ten­rech­te für die deut­sche Min­der­heit in Polen.  Die­se Min­der­hei­ten­rech­te waren 1937 noch ein­mal in einem bila­te­ra­len deutsch-pol­ni­schen Ver­trag zuge­si­chert und dann erneut viel­fach ver­letzt wor­den. Als 1939 der pol­ni­sche Druck auf die deut­sche Min­der­heit noch ein­mal anstieg, flo­hen bis zum Kriegs­aus­bruch 94.000 Deut­sche aus Polen nach Dan­zig und ins Reichs­ge­biet in dor­ti­ge Auffanglager.

Im neu­en Staat Polen leb­ten also genau 60% Polen ( 18 Mio.) und 40 % Bür­ger (12 Mio.) ande­rer Natio­na­li­tät. Letz­te­re waren 5 Mio Ukrai­ner, 2,9 Mio Weiß­rus­sen, 2,5 Mio Juden, 1 Mio Deut­sche und 0,7 Mio Andere.

Es soll­te auch nicht ganz ver­ges­sen wer­den, dass die pol­ni­sche Regie­rung der fran­zö­si­schen 1933 drei­mal ange­bo­ten hat, einen gemein­sa­men Zwei­fron­ten­krieg gegen Deutsch­land in der Mit­te zu eröff­nen. Die Fran­zo­sen haben damals abge­lehnt.[8]

Auch hat die Wehr­macht 1939 kein über­rasch­tes Polen über­fal­len. Das pol­ni­sche Heer war am 23. März 39 „teil­mo­bil“ gemacht und mit ers­ten Tei­len seit­dem auf­mar­schiert, die Wehr­macht war erst seit Juni 1939 aufmarschiert.

Wenn man es in Eska­la­ti­ons­schrit­ten aus­drückt, klingt das so:

Ende März 1939 boten Eng­land und Frank­reich dem bis dahin mit Deutsch­land ver­bün­de­ten Polen einen Bei­stands­pakt gegen Deutsch­land an, und Polen lei­te­te sei­ne ers­te Mobil­ma­chungs­maß­nah­me ein. Ende März !

Am 3. April gab Hit­ler erst­mals eine Wei­sung an die Wehr­machts­füh­rung, einen Plan für einen Angriff gegen Polen zu erar­bei­ten.[9]

Polen glaub­te sich mit den Garan­tie­ver­spre­chen der Bri­ten und Fran­zo­sen auf der siche­ren Sei­te, zumal die Fran­zo­sen mit ihren Zusa­gen an die Polen sehr kon­kret gewor­den waren. Am 19. Mai 1939  –  also 4 Mona­te vor Kriegs­aus­bruch – ver­sprach der fran­zö­si­sche Ober­be­fehls­ha­ber Gene­ral Game­lin dem pol­ni­schen Kriegs­mi­nis­ter Kasprzy­cki, dass Frank­reich – wenn nötig – mit 40 Divi­sio­nen gemein­sam mit Polen in einen Krieg gegen Deutsch­land zie­hen wer­de.[10] Der fran­zö­si­sche Pre­mier­mi­nis­ter Dal­adier wuss­te aber aus einem vor­he­ri­gen Gespräch mit Game­lin, dass Game­lin nicht plan­te, die­se Zusa­ge auch not­falls ein­zu­lö­sen. Dal­adier und Game­lin lie­ßen die Polen in dem fal­schen Glau­ben, dass sie mit Frank­reich gemein­sam gegen Deutsch­land sie­gen könn­ten. Anders ist die Sie­ges­ge­wiss­heit der Polen vor Kriegs­aus­bruch auch nicht zu erklären.

Ich glau­be, mit dem Dau­er­streit um Dan­zig, mit den nicht enden wol­len­den Ver­su­chen, Dan­zig dem pol­ni­schen Staa­te ein­zu­ver­lei­ben  und den Dro­hun­gen, die Ener­gie­ver­sor­gung Ost­preu­ßens abzu­schnei­den, hat Polen sei­nen gro­ßen Anteil an der Ver­ant­wor­tung für den Kriegs­aus­bruch zu tragen.

Ansons­ten ist der Staat Polen mit sei­nen selbst begon­ne­nen Krie­gen seit 1919 gegen die Sowjet­uni­on und Litau­en, sei­nen Erpres­sungs-Trup­pen­auf­mär­schen an der litaui­schen und der tsche­cho­slo­wa­ki­schen Gren­ze, den Anne­xio­nen weiß­rus­si­scher, ukrai­ni­scher, litaui­scher und tsche­cho­slo­wa­ki­scher Gebie­te, sei­nem Mili­tär­ein­satz bei den Polen­auf­stän­den im damals deut­schen Ober­schle­si­en und der Ver­fol­gung der Juden und Ortho­do­xen Chris­ten im eige­nen Land der dama­li­ge Brand­stif­ter der Regi­on gewe­sen. Die Polen waren nicht die Opfer die­ser Zeit son­dern Haie im Hai­fisch­be­cken, die zum Schluss selbst gefres­sen wur­den. Trotz­dem ist die „Opfer­rol­le Polens“ bis heu­te der Staats­my­thos der Polen. Ihre Täter­rol­le zwi­schen bei­den Welt­krie­gen ist dahin­ge­gen ein staat­lich durch­ge­setz­tes Tabu.

Die heu­ti­ge amt­li­che Geschichts­schrei­bung in Deutschland

Wie kommt die ent­ge­gen­ge­setz­te Behand­lung des­sel­ben The­mas in Deutsch­land zustande?

Die heu­ti­ge amt­li­che deut­sche Geschichts­schrei­bung ist durch die Recht­spre­chung des Nürn­ber­ger Tri­bu­nals begrün­det wor­den, die in ihrem Urteils­spruch von 1946 auf exakt 200 Sei­ten die Sie­ger­dar­stel­lung der Vor­kriegs­ge­schich­te und der Geschich­te des Zwei­ten Welt­kriegs for­mu­liert hat.

Die Regie­rung der BRD hat 1955 im Arti­kel 7 des Über­lei­tungs­ver­trags und die Regie­run­gen der BRD und der DDR haben 1990 gemein­sam in einem Zusatz­pro­to­koll zum 2‑plus-4-Ver­trag fest­ge­legt, dass das Nürn­ber­ger Urteil – damit auch die 200 Sei­ten Sie­ger­ge­schichts­schrei­bung – auf ewig für deut­sche Gerich­te und Behör­den ver­bind­lich bleibt. Bei­de Fest­le­gun­gen haben den deut­schen Bun­des­tag pas­siert, und sie sind nach­zu­le­sen in den Bun­des­ge­setz­blät­tern  BGBl Teil II, 1955, Heft 8, Sei­te 413 und BGBl Teil II, Heft 42, Sei­te 1387.  Behör­den sind im Sin­ne des Ver­trags­tex­tes auch die Kul­tus­mi­nis­te­ri­en der Bun­des­län­der, die die Geschichts­leh­re und Unter­richts­ma­te­ria­li­en in und für Schu­len, Uni­ver­si­tä­ten und ande­re Lan­des­bil­dungs­in­sti­tu­te über­wa­chen und geneh­mi­gen oder sper­ren. Damit ist die Sie­ger­ge­schichts­schrei­bung über die Ent­ste­hung und den Ver­lauf des Zwei­ten Welt­kriegs der­zeit in Deutsch­land kodi­fi­ziert. Die oft erho­be­ne Gegen­be­haup­tung, die im Grund­ge­setz ver­an­ker­te Frei­heit von For­schung und Leh­re set­ze die­se bei­den inter­na­tio­na­len Ver­trä­ge außer Kraft, wirkt sich in der Pra­xis nicht aus. Ers­tens sind die Ver­trä­ge nicht gekün­digt und nicht in den Bun­des­ge­setz­blät­tern für ungü­tig erklärt, zwei­tens ent­spricht die Lehr- und Ver­öf­fent­li­chungs­pra­xis immer noch den genann­ten Ver­bind­lich­keits­auf­la­gen der Sie­ger­ge­schichts­dar­stel­lung, und drit­tens wird die Abwei­chung von der Sie­ger­ge­schichts­schrei­bung nach erneu­ter Akten- und Fak­ten­über­prü­fung von den Ver­fas­sungs­schutz­äm­tern als „Revi­sio­nis­mus“ und als ver­fas­sungs­feind­lich ein­ge­stuft. Des­sen unge­ach­tet schrei­ben inzwi­schen etwa 10 deutsch­spra­chi­ge His­to­ri­ker in Deutsch­land und Öster­reich ent­ge­gen der Ver­bind­lich­keits­er­klä­rung für die Sie­ger­ge­schichts­schrei­bung, wie sich die Vor­ge­schich­te und die Geschich­te des Zwei­ten Welt­kriegs tat­säch­lich zuge­tra­gen haben.

Es müss­te bis­her auch schon eini­gen Geschichts­in­ter­es­sier­ten ver­däch­tig vor­ge­kom­men sein, dass sich die deut­sche Schul­ge­schichts­li­te­ra­tur und die markt­üb­li­che Geschichts­li­te­ra­tur kon­se­quent über die nicht-deut­schen Kriegs­ur­sa­chen aus­schwei­gen. Das sind, um Bei­spie­le zu nen­nen, Ver­trags­brü­che gegen­über Deutsch­land, Ableh­nun­gen deut­scher Vor­schlä­ge für Rüs­tungs-Ober­gren­zen, Rüs­tungs­wett­läu­fe vor der deut­schen Wie­der­auf­rüs­tung, Kriegs­vor­be­rei­tun­gen gegen Deutsch­land, die pol­ni­schen Ver­su­che, Dan­zig dem pol­ni­schen Staat anzu­glie­dern, der pol­ni­sche Ver­such, Ost­preu­ßen von sei­ner Ener­gie­ver­sor­gung abzu­schnei­den, Ein­mär­sche fran­zö­si­scher, bel­gi­scher, pol­ni­scher und litaui­scher Trup­pen in deut­sche Grenz­re­gio­nen in den 1920er Jah­ren, die Min­der­hei­ten-Unter­drü­ckun­gen in Polen und der Tsche­cho­slo­wa­kei gegen ihre deut­schen, öster­rei­chi­schen, jüdi­schen, weiß­rus­si­schen, ukrai­ni­schen, slo­wa­ki­schen und unga­ri­schen Bevöl­ke­rungs­an­tei­le und zum Schluss die fran­zö­si­schen und eng­li­schen Behin­de­rungs­ver­su­che und Behin­de­run­gen der deutsch-pol­ni­schen Ver­hand­lun­gen um eine fried­li­che Dan­zig-Lösung 1939. Alle die­se Vor­gän­ge gehö­ren zu einer umfäng­li­chen Geschichts­dar­stel­lung und Bewer­tung die­ser Zeit und zur Beur­tei­lung der dama­li­gen deut­schen Außen- und Sicherheitspolitik.

Das Bei­spiel „Wie­lun“

Zum 80. Gedenk­tag des deut­schen Angriffs gegen Polen ist dies­mal der deut­sche Luft­an­griff auf die pol­ni­sche Grenz­stadt Wie­lun zum Sym­bol­fall sti­li­siert wor­den (und nicht, wie sonst üblich, Dan­zig). Den Polen sei ihr Geden­ken dort unbenommen.

Für uns Deut­sche bekommt das Geden­ken durch die Teil­nah­me des Herrn Bun­des­prä­si­den­ten Frank-Wal­ter Stein­mei­er, sei­ne Rede dort und das deut­sche Pres­se­echo sein Gewicht. Bun­des­prä­si­dent Stein­mei­er hat in Wie­lun  im deut­schen Namen „um Ver­ge­bung für die deut­sche his­to­ri­sche Schuld gebe­ten“, sich zur deut­schen „blei­ben­den Ver­ant­wor­tung bekannt“ und sei­ne Rede mit eini­gen fal­schen Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen ange­rei­chert. Er und die Mehr­heit der deut­schen Medi­en haben weit­ge­hend über­lap­pend den deut­schen Luft­an­griff auf Wie­lun am ers­ten Kriegs­tag als Bom­ben­ter­ror auf eine klei­ne, mili­tä­risch unbe­deu­ten­de Stadt geschil­dert, bei dem 1200 Bür­ger die­ser Stadt getö­tet wor­den sind und, so die hie­si­ge Pres­se, dass das dor­ti­ge Kran­ken­haus das Ziel gewe­sen ist. Wie­weit sich hier Wiki­pe­dia-Wis­sen und pol­ni­sche Selbst­dar­stel­lung mischen, denen Herr Stein­mei­er auf­ge­ses­sen ist, kann ich nicht beur­tei­len. Dar­auf will ich auch erst im fol­gen­den Absatz eingehen.

Zum „Fall Wie­lun“ hät­ten sich Herr Stein­mei­er und sein Geschichts­be­ra­ter im Bun­des­prä­si­di­al­amt bes­ser an älte­re pol­ni­sche Fach­li­te­ra­tur gehalten.

So galt der ers­te deut­sche Luft­an­griff nicht dem „Wie­lu­ner Kran­ken­haus“ son­dern der 28. poln. Infan­te­rie­di­vi­si­on, die mit ihrem Divi­si­ons­stab und Trup­pen in und um Wie­lun in Stel­lung lag. So nach­zu­le­sen in „Kam­pa­nia Wrześ­nio­wa 1939“. Auch stimmt die Behaup­tung nicht, dass „dort kei­ne mili­tä­ri­schen Ein­rich­tun­gen oder Ver­tei­di­gungs­an­la­gen exis­tier­ten“. Im Vor­feld Wiel­uns waren mili­tä­ri­sche Stel­lun­gen ange­legt wor­den. Wei­te­re pol­ni­sche Trup­pen waren hin­ter Wie­lun auf­mar­schiert. Die­se Kon­zen­tra­ti­on stamm­te aus einem Auf­marsch­plan für einen ursprüng­lich vor­ge­se­he­nen Angriff der pol­ni­schen „Armee Lódź“ auf Breslau.

Auch war der deut­sche Angriff 1939 kein „Über­fall auf ein mili­tä­risch unvor­be­rei­te­tes Land“. Die pol­ni­sche Teil­mo­bil­ma­chung begann am 23.März 1939, so schreibt Ryscard Miro­wicz im Buch „Edward Rydz-Śmi­gly“. Und Hit­ler gab sei­nen aller­ers­ten Befehl an die Wehr­machts­füh­rung, einen Angriffs­plan gegen Polen zu erar­bei­ten, erst am 3.April 39, also eine Woche danach. Der pol­ni­sche Auf­marsch begann mit ers­ten Tei­len eben­falls am 23. März 39 und der deut­sche erst im Juni. Und am 1. Kriegs­tag waren sowohl die pol­ni­schen als auch die deut­schen Streit­kräf­te in fast vol­ler Stär­ke gegen­ein­an­der auf­mar­schiert. Polen war zu Beginn des deut­schen Angriffs nach 10 Mona­ten ergeb­nis­lo­ser deutsch-pol­ni­scher Ver­hand­lun­gen und 5 Mona­ten eige­nem Auf­marsch weder poli­tisch noch mili­tä­risch über­rascht. Inso­fern ist der Begriff „deut­scher Über­fall“ auch deplat­ziert. „Über­fall“ ist ein auf  die Über­ra­schung eines ahnungs­lo­sen und unvor­be­rei­te­ten Geg­ners berech­ne­ter Angriff.

Das letz­te Mär­chen sind die „1200 Bür­ger Wiel­uns“ die Bom­ben­op­fer die­ses deut­schen Angriffs wur­den. Nach dem pol­ni­schen Buch Tade­usz Ole­j­niks  „Wie­lun, das pol­ni­sche Guer­ni­ca“ sind nach den dor­ti­gen Kir­chen­bü­chern ca. 100 katho­li­sche Zivil­per­so­nen umge­kom­men, denen man ent­spre­chend dem hohen Anteil von Juden in der Stadt sicher­lich noch eini­ge zig bedau­er­li­che jüdi­sche Bom­ben­op­fer hin­zu­zäh­len muss.

Sol­cher Selbst­be­zich­ti­gun­gen und Luschig­kei­ten soll­te sich der ers­te Mann in unse­rem Staat nicht schul­dig machen, vor allem, wenn sie das deut­sche Anse­hen im Aus­land zusätz­lich belas­ten und wenn sie das Tor für Polens Repa­ra­ti­ons­for­de­run­gen ein Stück weit öff­nen. Das Aus­wär­ti­ge Amt hät­te vor der Rei­se des Herrn Bun­des­prä­si­den­ten in War­schau aus­lo­ten müs­sen, ob die pol­ni­sche Sei­te eben­falls vor­ge­se­hen hat, dass auch ein pol­ni­scher Red­ner das pol­ni­sche Ver­hal­ten in der Vor­kriegs­zeit bedau­ert, das den Kriegs­aus­bruch mit ver­ur­sacht hat. Wenn sol­ches nicht vor­ge­se­hen war, hät­te Bun­des­prä­si­dent Stein­mei­er bes­ser geschwie­gen. Außer­dem gab es vor dem und wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs genug deut­sche Schuld und Opfer. Da muss­te Bun­des­prä­si­dent Stein­mei­er nicht Wei­te­res hin­zu erfinden.

Stein­mei­ers „Schuld- und Verantwortungsrede“

Bun­des­prä­si­dent Stein­mei­er hat mit sei­ner Wie­lu­ner Rede um „Ver­ge­bung für die deut­sche his­to­ri­sche Schuld“ gebe­ten und sich „zu unse­rer blei­ben­den Ver­ant­wor­tung bekannt“.

Er hat mit die­ser Rede auch Fal­sches über den deut­schen Luft­an­griff auf Wie­lun gesagt und nicht ein­mal die Mit­ver­ant­wor­tung Polens am Aus­bruch des deutsch-pol­ni­schen Krie­ges 1939 ange­deu­tet. Er hat in sei­ner Funk­ti­on als deut­scher Bun­des­prä­si­dent im Namen des deut­schen Volks gespro­chen und mit sei­ner Wort­wahl zu „Schuld und blei­ben­der Ver­ant­wor­tung“ die unse­li­ge Hypo­the­se von der deut­schen Kol­lek­tiv­schuld wie­der aufgewärmt.

Die bei Kriegs­en­de und dem Ende des Drit­ten Reichs 18jährigen und älte­ren männ­li­chen Deut­schen sind jetzt 92 Jah­re alt und älter und damit unter 1% der deut­schen Bevöl­ke­rung. Schuld ist etwas Per­sön­li­ches und weder ver­erb­lich noch über­trag­bar. Die mög­li­che per­sön­li­che Schuld von unter 1% der deut­schen Bevöl­ke­rung als „deut­sche his­to­ri­sche Schuld“ zu bezeich­nen, heißt, sie dem Kol­lek­tiv aller heu­te leben­den Deut­schen anzu­las­ten. Wenn er mit dem Wort „his­to­ri­sche Schuld“ „frü­he­re Schuld“ gemeint hät­te, hät­te er das auch so sagen müs­sen. Mit sei­ner Hin­zu­fü­gung der „blei­ben­den Ver­ant­wor­tung“ hat er aber aus­ge­drückt, dass auch die­se frü­he­re Schuld bleibt. Er hat damit die deut­sche Kol­lek­tiv­schuld gegen­über Polen „reani­miert“. Bun­des­prä­si­dent Stein­mei­er war weder poli­tisch noch mora­lisch befugt, dem deut­schen Volk das Kains­mal einer blei­ben­den Kol­lek­tiv­schuld auf die Stirn zu malen. Mir fällt dazu ein Arti­kel eines Erzie­hungs­psy­cho­lo­gen in der Zeit­schrift „Psy­cho­lo­gie heu­te“ von 2012 ein. Dort beklag­te er unter dem Titel „Die Nati­on, die sich nicht mag“ den Iden­ti­täts­knick bei deut­schen Schü­lern, den sie durch stän­di­ge Wie­der­ho­lung deut­scher Schuld ab dem 9. Schul­jahr ver­passt bekommen.

Was kann Bun­des­prä­si­dent Stein­mei­er zu sei­ner Fehl­leis­tung bewo­gen haben?

Ich ver­mu­te:
– man­geln­de Kennt­nis und fal­sche fach­li­che Bera­tung,
– die oben erwähn­ten ver­trag­li­chen Bin­dun­gen an die Sie­ger­ge­schichts­schrei­bung,
– der in sich geschlos­se­ne Regel­kreis von Poli­tik und amt­li­cher His­to­rio­gra­phie,
– jahr­zehn­te­lan­ger irre­füh­ren­der Medi­en­ein­fluss und
– ein gewis­ses Quan­tum per­sön­li­chen Pharisäertums.

Zum geschlos­se­nen Regel­kreis von Poli­tik und regie­rungs­ab­hän­gi­ger His­to­rio­gra­phie ist anzu­mer­ken, dass „Poli­tik“ und Par­tei­en in Deutsch­land dafür sor­gen, dass nur His­to­ri­ker mit dem Bekennt­nis zur deut­schen Allein­schuld am Zwei­ten Welt­krieg in lei­ten­den Stel­lun­gen in Archi­ven, Uni­ver­si­tä­ten und staat­li­chen und Lan­des-Bil­dungs­ein­rich­tun­gen Anstel­lung fin­den. Und die dort ange­stell­ten bera­ten die „Poli­tik“ und die Par­tei­en wie­der­um in die­sem Sinn. His­to­ri­ker, die nach ihren For­schungs­er­geb­nis­sen auch über die Mit­ver­ant­wor­tung der Bri­ten, Polen, Rus­sen usw. am Welt­krieg und deren Kriegs­ver­bre­chen schrei­ben, kom­men nicht in die­sen geschlos­se­nen Kreis­lauf. Sie wer­den statt­des­sen von den Ver­fas­sungs­schutz­äm­tern als „Revi­sio­nis­ten“ beob­ach­tet und als ver­fas­sungs­feind­lich bezeich­net und behan­delt. So darf es nicht wun­dern, dass auch ein Bun­des­prä­si­dent in die­sem fal­schen Sinn bera­ten wird.

Zum irre­füh­ren­den Medi­en­ein­fluss ist anzu­mer­ken, dass die gro­ßen deut­schen Medi­en­kon­zer­ne inter­na­tio­nal ver­netzt sind. So besit­zen die größ­ten deut­schen Kon­zer­ne unter Ande­rem zig pol­nisch-spra­chi­ge Zei­tun­gen in Polen. Sie kön­nen sich his­to­ri­sche Bei­trä­ge zu Polens Ver­hal­ten gegen­über Deutsch­land vor Kriegs­aus­bruch wirt­schaft­lich nicht leis­ten. Sie blei­ben des­halb mit ihrer gro­ßen Medi­en­wir­kung in Deutsch­land bei ihrer polen­ver­träg­li­chen, aber ver­fäl­schen­den Bericht­erstat­tung über Krieg, Kriegs­aus­bruch und Vor­ge­schich­te. So ver­öf­fent­lich­te gera­de eine gro­ße deut­sche Medi­en­grup­pe, die auch 47 Zei­tun­gen in Polen besitzt, in einer ihrer bekann­ten Fern­seh­zeit­schrif­ten einen schau­er­li­chen, ganz­sei­ti­gen Arti­kel zum Aus­bruch das Zwei­ten Welt­kriegs. Da dies ein Dau­er­ver­hal­ten fast aller deut­schen Medi­en­kon­zer­ne ist, darf es nicht wun­dern, dass die Dau­er­be­reg­nung der Deut­schen eine Dau­er­wir­kung zeigt. So darf es auch nicht über­ra­schen, dass auch der deut­sche Bun­des­prä­si­dent davon beein­flusst ist.

Die Polen mögen sich über Herrn Stein­mei­ers Schuld-Exhi­bi­tio­nis­mus freu­en. Aus ande­ren Län­dern habe ich gehört und gele­sen, dass dies Ver­hal­ten so vie­ler Deut­scher für wür­de­los gehal­ten wird. 

Ich wün­sche mir, dass ein deut­scher Bun­des­prä­si­den unser Land wahr­heits­ge­treu und die Deut­schen als ihr Anwalt ver­tre­tend reprä­sen­tiert und weder Eigen­to­re schießt, noch sich von Polen als „nütz­li­cher Irren­der“ miss­brau­chen lässt. Und von unse­rem Nach­bar­volk, den Polen, wün­sche ich mir, dass auch sie selbst­kri­tisch in den Spie­gel schau­en. So wie der deut­sche Staats­my­thos von der Allein­schuld Deutsch­lands ein Aber­glau­be ist, so ist es auch der pol­ni­sche, wir­kungs­mäch­ti­ge Staats­my­thos von der ewi­gen eige­nen Opferrolle.

 

[1] Prof. Dr. Josef Joa­chim Men­zel, Mainz, im Pro­to­koll einer Anhö­rung im Main­zer Landtag. [2] Bur­ck­hardt Carl ( Hoher Kom­mis­sar des Völ­ker­bunds in Dan­zig ) „Mei­ne Dan­zi­ger Mis­si­on 1937–1939“ Sei­te 36 [3] Akten zur Deut­schen Aus­wär­ti­gen Poli­tik, Serie D, Band V, Doku­ment 81 [4] Eben­da, Doku­ment 119 [5] Pol­ni­sches Ulti­ma­tum vom 5. August 1919, 1 Uhr, sie­he Akten zur Deut­schen Aus­wär­ti­gen Poli­tik, Serie D, Band VI, Doku­ment 774 [6] Eben­da Doku­ment 771 [7] Rich­ter Fried­rich „Die Kor­ri­dor­sper­re 1936“ His­to­ri­sche Doku­men­ta­ti­on, Sei­te 215 [8]Mackiewicz, Sta­nis­law,  „Poli­ty­ka Becka, Ins­ty­tut Liter­acki, Paryź,“ 1946 , Seite22  ( Titel auf  Deutsch:  Becks Politik ) [9] Akten zur Deut­schen Aus­wär­ti­gen Poli­tik, Serie D, Band VI, Doku­ment 149 [10] Pie­kal­kie­wicz, Janusz „Polen­feld­zug“, 1998, Sei­te 45
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