„Wer heute das Radio oder den Fernseher einschaltet, erlebt das Systematische dieses Regimes in seiner Vollendung: Sämtliche Themen sind bis ins Detail ihrer Behandlung hinein vorhersehbar.„
Frank Lisson
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(Netzfund)
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Heute ist Sedantag, also ein Tag, an welchem ein gewisser nostalgischer Anlass bestünde, schwarz-weiß-rot zu flaggen – aber dieses „nach Harmlosigkeit gierende” (Günter Maschke) Land oder Volk feiert ja lieber seine Niederlagen (inzwischen sogar die von 2015, als vorerst letztmals Teile des Staatsgebietes abgetreten wurden). Ich lese gerade, dass sich Herr Oppermann, SPD, dagegen ausgesprochen habe, die Fahne des Kaiserreichs zu verbieten, obwohl sie ein „Symbol für Rechtsextremismus” sei und am Samstag tempelschänderisch auf den Parlamentsstufen geschwenkt wurde – alles, was vor Schichtantritt der Fremdenführerin existierte, kann heute als Symbol für Rechstextremismus gebraucht werden, auch sämtliche CDU-Wahlplakate und ‑Parteiprogrammme –, aber, so Oppermann, „alle Varianten und Spielarten dieser Flagge strafbewehrt zu verbieten wäre unverhältnismäßig und kein geeignetes Instrument zur Bekämpfung rechten Gedankengutes”. Ein gönnerhafter Herr!
Einträchtig und als Symbol künftigen schwarz-grünen Reihenschließens fordern parallel dazu der rechts- und innenpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich, sowie der Grünen-Fraktionsvize dortselbst, Konstantin von Notz, „eine generelle Bannmeile” um das Parlament, innerhalb derer nimmermehr, auch an Wochentagen, während des Ramadan bzw. Führers Geburtstag und nicht einmal am 8. Mai demonstriert werden dürfe.
„Die Szenen am Reichstag” – gemeint ist bekanntlich das Wedeln mit der Reichs- statt der Greenpeace- oder Regenbogenfahne (warum heißt der Laden eigentlich nicht längst „Deutscher Regenbogentag”?) – „sind vor allem vor dem Hintergrund der historischen Bezüge dieses Gebäudes unerträglich. Sowas darf sich nicht wiederholen. Unser Rechtsstaat muß sich wehrhafter aufstellen”, twitterte Notz, was ihm am Sonntag kurz vor dem mittäglichen Verdauungsnickerchen semantisch etwas verrumpelt – „vor dem Hintergrund der historischen Bezüge” –, aber zäpfchenhaft tendenzkonform durch die vom Nachdenken erschöpfte Rübe rauschte.
Zu den historischen Bezügen dieses schändlicherweise immer noch dem deutschen Volk geweihten Gebäudes, die den Grünen so gaunerfromm grausen, ein Anekdötchen. Am 29. Januar 1910 – über dem Reichstag klirrte die Fahne des Kaiserreichs – sprach der Abgeordnete Elard Kurt Maria Fürchtegott von Oldenburg-Januschau, kurz Elard von Oldenburg-Januschau, einer der Führer der Deutschkonservativen, Sohn eines ostelbischen Rittergutsbesitzers und Urenkel eines Flügeladjutanten Friedrichs des Großen, während der Reichstagsdebatte über den Militäretat die geflügelten Worte: „Der König von Preußen und der Deutsche Kaiser muss jeden Moment imstande sein, zu einem Leutnant zu sagen: Nehmen Sie zehn Mann und schließen Sie den Reichstag!”
Was geschah daraufhin im autoritären, militaristischen, latent antidemokratischen Kaiserreich? Zunächst einmal brachen im bedrohten Parlament Tumulte aus, als habe Oldenburg-Januschau die Öffnung der Grenzen oder eine generelle Maskenpflicht beantragt. Reichsweit fanden Proteste gegen den Frevler statt. Der Junker musste untertauchen, er konnte sich fortan weder im Parlament noch in der Öffentlichkeit blicken lassen. Vor dem Portal des Reichstages griff eine Menge einen Mann an, den sie irrtümlicherweise für Oldenburg-Januschau gehalten hatte. Noch im selben Jahr legte er sein Mandat nieder.
Diese Demokratie scheint aus sich heraus viel wehrhafter gewesen zu sein als ihre Nachfolgerin. Sie benötigte weder Bannmeilen noch Burggräben, um den Reichstag zu schützen. Sie benötigte auch keine staatlich teilfinanzierten und gleichgeschalteten Medien, um aus allen Rohren mit Moralplatzpatronen auf das Volk schießen zu lassen. Es musste schon ein Weltkrieg her, um sie zu erschüttern. Instinktiv – historisch wissen diese Gestalten ja praktisch nichts mehr – tun die Steinmeiers und Notzes schon gut daran, die Farben des Kaiserreichs ingrimmig abzulehnen.
PS:
(Bernd Zeller)
Apropos Zeller. Der ist auch gut:
Das ist zynisch? Nein, Satire. Über die Verursacher der anderen illegalen Straßenrennen schreibt ja niemand (ich meine nicht die auf der Straße, sondern die in den Parlamenten).
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Schlimme Nachrichten kommen von der Westfront über den Großen Teich:
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Kann man, fragt Leser ***, den Namen „Antifaschistische Aktion” nicht auch zeitlich/konsekutiv verstehen, ähnlich „Antipasti”?
Ja. Antifa = Faschismus ante portas.