Wie ich dazu komme, fragen mich bisweilen kritische Mitmenschen, die Bundesrepublik mit der DDR zu vergleichen. Ich pflege dann stets zu antworten, dass vergleichen nicht gleichsetzen bedeutet, sondern ein Vergleich das Ziel verfolgt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu ermitteln, meinetwegen Teilmengen, wobei ein Vergleich natürlich auch ergeben kann, dass überhaupt keine Gemeinsamkeiten, Teilmengen oder Ähnlichkeiten vorliegen. Was ich vergleiche, ist meine Sache, so absurd sie auch sei. Ich kann zum Beispiel die Kanzlerin mit einem Zierfisch vergleichen, was auf den ersten Blick tatsächlich völlig absurd wirkt, aber zuletzt entdeckt man doch einige frappierende Übereinstimmungen (Kiemenatmung, wechselwarm). Folglich werden auch beim Vergleich des besten Deutschlands, das es Gevatter Steinmeier et al. zufolge jemals gab, mit dem besten Deutschland nach der wissenschaftlich-kommunistisch fundierten Meinung Erichs des Einzigen gewisse Gemeinsamkeiten zutage treten, aber auch Unterschiede.
Etwa in den Medien. Das beispielsweise hätte sich die Zonenpresse zuletzt doch nicht getraut:
Wenn wir schon dabei sind:
Expertinnen und Politiker.
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Sie alle kennen die wilde Schwermut, die uns angesichts der Akademikerprekariatsüberproduktionskrise ergreift. Wie unwiederbringlich sind die Zeiten dahin, da ein auch nur in Teilen absolviertes geisteswissenschaftliches Studium einen sicheren Arbeitsplatz an der Uni, bei einer Partei, Stiftung, Kulturstätte oder in irgendwas mit Medien bedeutete und auf Partys nicht betretenes Schweigen eintrat, sobald sich jemand als Germanistin oder Theaterwissenschaftler vorstellte. Aber heute! Und erst die ganzen Soziologen, Politologen, Sozialpsychologen, Kommunikationsbescheidwissenschaftler, Kulturbegleitbeschwafler, Philokraten, Allosophen, Verbrechenskundler (Neuzeitgeschichtler), interdisziplinären GeschlechterforscherInnen und Genderistas! (Sie kennen diesen gemeinen köstlichen Witz, was ein Politikwissenschaftler ohne Job zu einem Politikwissenschaftler mit Job sagt? „Einmal Pommes mit Majo bitte!”)
Nun zieht unsere Bundeskanzlerin zumindest einen Teil dieses Verdammtenbataillons an ihre immer noch fabelhaft nährenden Brüste, indem sie eine Milliarde Euronen für den „Kampf gegen rechts” lockermacht. Das ist zwar einerseits gemein und bei Zwielicht besehen verfassungswidrig, aber andrerseits ein generöses ABM-Programm für einen basket of deplorables, den speziell die geisteswissenschaftlichen Fakultäten unserer Universitäten in den vergangenen Jahren bis an den Rand mit unvermittelbaren Nieten gefüllt haben. Die rechte Opposition – und darin gerade der „Flügel”, dessen Mitglieder doch ständig Jobs auch für eingeborene Minderbegabte fordern – sollte wenigstens das akzeptieren; die Leute, die ihnen jetzt zusätzlich hinterherschnüffeln, über sie schreiben, ermitteln, wer wo was zu wem gesagt hat und sie wortarm denunzieren, müssten sonst von Hartz IV leben.
Ich weiß nicht, ob die Verzapfer dieses epochalen Dreieinhalbseiters ebenfalls Kohle aus dem Gegen-rechts-Reptilienfonds bekommen, verdient hätten sie es. Denn der besagte Kampf muss, wenn er totaler werden soll, als wir es uns heute überhaupt erst vorstellen können, auch in der bzw. gegen die Vergangenheit geführt werden.
Hätten Sie’s gewusst? Klar hätten Sie.
„Aschenputtel, Rapunzel, Dornröschen, Rumpelstilzchen, Frau Holle, der Froschkönig”, hebt das von „KiDs – Kinder vor Diskriminierung schützen! an der Fachstelle Kinderwelten für Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung©, Institut für den Situationsansatz (ISTA), Internationale Akademie INA Berlin gGmbH, Naunynstr. 64, 10997 Berlin, Tel. 030–80206900, kids@kinderwelten.net, www.kids.kinderwelten.ne” herausgegebene virtuelle Papier an: „Welche Botschaften vermitteln sie Kindern über sich und die Welt? Welche Werte werden in ihnen betont? Welche Kinder finden sich auf stärkende Weise in ihnen wieder, welche auf abwertende oder stereotype Weise und welche überhaupt nicht?”
Welches Kind findet sich auf abwertende Weise in Märchen wieder? Wahrscheinlich diejenigen, die sich mit dem dummen Hans identifizieren, der die Prinzessin nehmen muss, obwohl er schwul und im falschen Körper geboren ist und sie eine weiße Suprematistin.
„Die Antworten auf diese Fragen sind nicht eindeutig. Es soll daher nicht darum gehen, Märchen zu ‚verbieten’.”
Sie bemerken, geneigte Leserin, bei der Autorin dieses Textes – es kann nur eine Frau sein – handelt es sich wahrscheinlich um eine Staatsrechtlerin, Einser-Juristin und Verfassungsrichterin in statu nascendi.
„Wir möchten dazu anregen, den eigenen kritischen Blick zu schärfen und sich bewusst dafür entscheiden, ob und welche Märchen weitergegeben werden. Welche Inhalte sollen ins Töpfchen und welche verschwinden im Kröpfchen?”
Uff. Nicht verbieten, nur ins Kröpfchen. Aber warum? Darum:
„Frauen kommen als aktive Akteurinnen in Form von bösen Hexen, bösen Feen oder bösen Stiefmüttern vor. Die Alternative besteht darin, sich als Prinzessin vor allem durch Schönheit auszuzeichnen und passiv errettet zu werden. Männer müssen stark und/oder mutig sein. Manche haben eine Behinderung, werden als ‚dumm’, klein, bucklig oder halb Mensch/halb Tier beschrieben und können im Laufe der Geschichte entweder erlöst oder für immer verflucht werden. Die Ehe gilt als oberstes Ziel, die Monarchie als beste Staatsform und allgegenwärtige Gewalt an Kindern als normal. Alles Dunkle wird automatisch mit ‚dem Bösen’ in Verbindung gebracht und ‚Haut weiß wie Schnee’ und ‚goldenes Haar’ zu haben ist als rassistisches Schönheitsideal erstrebenswert. Homosexualität, People of Colour, muslimischer Glaube, Trans*personen und vieles Weitere kommen gar nicht erst vor.”
Auch Elefant, Nilpferd, Pinguin und Gnu suchen sich in Grimms Märchen vergeblich, während es in afrikanischen Märchen von Weißen, Buddhisten, Schäferhündinnen und emanzipierten Frauen weidlich wimmelt. Immerhin: Die Pechmarie darf bleiben, Rosenrot auch. Schneeweißchen und Rapunzel müssen sich die Haare färben, auch wenn sie nicht in Malmö oder Molenbeek leben. Aber dass der muslimische Glaube in Grimms Märchen nicht vorkommt, obwohl der Islam seit 2000 Jahren zu Europa gehört,
das kann nicht hingenommen werden. „Sultan Drosselbart” wäre ein Anfang. „Imam Allwissend” und „Die beiden Emirskinder” könnten folgen.
„Vieles Weitere kommt gar nicht vor”: Wahrscheinlich ist die Autorin doch keine Juristin, sondern Literaturkritikerin.
„Es stimmt, dass sich die damaligen gesellschaftlichen Machtverhältnisse und die Position der Gebrüder Grimm in jener Gesellschaft in den Märchen widerspiegeln. Zum Glück hat sich in Fragen sozialer Gerechtigkeit seit Anfang des 19. Jahrhunderts doch einiges verändert! Warum sollen junge Kinder veraltete diskriminierende Darstellungen erst kennenlernen, um sie dann wieder verlernen zu müssen? In den ersten Lebensjahren ist es wichtig, dass Kinder ihr Selbstbild mit möglichst wenig abwertenden Botschaften entwickeln können.”
Gerade, wenn sie immer noch weiß und blond sind und das wieder verlernen müssen.
„Deutschland ist eine von Diskriminierung geprägte Gesellschaft. Und jede (!) hier aufwachsende Person hat bestimmte diskriminierende Bilder verinnerlicht. Daran sind natürlich nicht allein die Märchen schuld. Sie sind in ihrer jetzigen Form ’nur’ Teil der Selbstverständlichkeit, mit der Dominanzverhältnisse sich fortsetzen und Generation für Generation weiter gelernt werden und somit allen schaden. Wenn ein Inhalt als schädigend erkannt ist, sollten Kinder davor geschützt werden.”
Aber nur ins Kröpfchen! Nichts verbieten!
Ihr Bevölkerungsschutzkommissar für das Erkennen schädigender Inhalte.
„Es ist möglich, lediglich einzelne Textstellen auszulassen oder abzuändern. Abwertende Beschreibungen von Körperformen können weggelassen werden, die Hell/Dunkel-Symbolik umgekehrt oder behindertenfeindliche Darstellungen als individuelle Charaktermerkmale umformuliert werden.”
Als Beispiel, wie „Schönheitsnormen abgemildert” werden können, schreibt die Kinderschützerin, die übrigens Berit Wolter heißt und am Hexenhäuschen der harten Wissenschaft geknuspert hat:
„Das Mädchen freilich gefiel dem Froschkönig überhaupt nicht, denn sie war nicht besonders schön. Sie hatte zu kurze Beine, war auch etwas zu dick und ihre Haare waren wie Stroh. […] Ich lese lieber vor: ‚Das Mädchen gefiel dem Froschkönig nicht, denn sie war irgendwie nicht sein Typ.’ ”
Weil: strohhaarig, kurzbeinig und dick. In den Worten eines Klassikers Suprematisten:
„Gern lief er fort, der arme Schnick,
doch er ist viel zu dumm und dick.”
Er, nicht sie! Das führt uns stracks in die Vielfalt. Unsere Traditions-Umdesignerin plädiert dafür, beim Vorlesen – früh krümmt sich, was ein Buntes werden soll – die Geschlechter zu vertauschen:
„Bei ‚Rotkäppchen‘ […] lassen sich zunächst die Eigenschaften der Hauptakteur_innen des Märchens z.B. die strenge Mutter, das verträumte Rotkäppchen, der starke Jäger und die schwache Großmutter, verändern. So kann etwa die Mutter zum Vater, das Rotkäppchen zur Rotmütze, der Jäger zur Jägerin und die Großmutter zum Großvater werden. Spannend zu beobachten ist, welche Wirkungen das Märchen nun entfaltet und wie sich die Handlungsspielräume der Figuren durch den Geschlechterrollentausch erweitern.”
Sie hat die Wölfin vergessen, die nun den Großvater herunterwürgen muss. Dann fragt Rotmütze: „Großvater, warum hast du rasierte Beine?” Die Jägerin ist zu blöd zum Schießen, die Wölfin frisst auch sie, und der Vater kann endlich seinen behinderten Freund heiraten.
„Und es ist möglich, sich nach Alternativen umzuschauen. Es gibt sie! In den folgenden Büchern kommen starke Mädchen- und Frauenfiguren vor, schwarze Protagonist*innen und Protagonist*innen of Co-lor und nicht jede Lovestory ist hetero. Weiterhin zu wenig vertreten: Protagonist*innen mit Behinderung.”
Auch dafür hat unsere Die-Bunten-ins-Töpfchen-Sortierer*in originelle Exempel recherchiert:
„Was wäre, wenn Prinzessinnen nicht auf ihren Prinzen warten, sondern ihr Glück selbst in die Hand nehmen? […] Rapunzel wird eine weltberühmte Architektin für magische Gebäude, Rotkäppchen findet ihr Glück als Tierschutzaktivistin und Dornröschen macht sich einen Namen als Spezialistin für Schlafstörungen.”
Oder: „Keine Angst vorm bösen Drachen: Sieben Prinzessinnen bringen frischen Wind ins Märchenland! Was passiert, wenn die Prinzessin den Drachen raubt und nicht umgekehrt? Wenn sie den Prinzen befreit und die Drachenkinder babysittet?”
Zuletzt empfiehlt unsere Bratenriecher*in eine „Projektseite” namens „Die Schwestern Grimm” – frei sind noch „Die Geschwister Grimm” und „Die warmen Brüder Grimm” –, „die das Ziel hat, für die Leserin oder den Leser selbst erforschbar zu machen, welche Wirkung die für viele Generationen prägenden Märchen der Gebrüder Grimm haben, wenn man die Geschlechter der handelnden Charaktere variiert. Texte der Gebrüder Grimm werden überarbeitet hinsichtlich der Geschlechter und Namen der handelnden und genannten Charaktere; oft werden so genannte ‚Genderswaps’ durchgeführt.”
Wer hätte gedacht, dass Grimms Märchen einmal zur Konterbande gehören würde? Wobei strenggenommen demnächst jedes Buch, das 50 oder mehr Jahre alt ist, dazu zählen wird.
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Irgendwie zum Vorigen.
Leser *** sendet mir „ein etwa 50 (!) Jahre altes Fundstück aus dem Buch: ‚The return of the primitive’ von Ayn Rand (S.143–144), die leider/logischerweise in Deutschland kaum rezipiert wird. Die Klarsicht dieser Frau ist atemberaubend, das Buch ist 1971 erschienen” (da mich neulich ein Leser bat, die englischen Zitat zu übersetzen, hänge ich meine Übersetzung an):
Nobody can pretend any longer that the goal of such policies is the elimination of racism—particularly when one observes that the real victims are the better members of these privileged minorities. The self-respecting small home owners and shop owners are the unprotected and undefended victims of every race riot. The minority’s members are expected by their egalitarian leaders to remain a passive herd crying for help (which is a precondition of the power to control a pressure group). Those who ignore the threats and struggle to rise through individual effort and achievement are denounced as traitors. Traitors—to what? To a physiological (racial) collective—to the incompetence or unwillingness or lethargy or malingering of others. If the exceptional men are black, they are attacked as ‚Uncle Toms.’
…
„Rassismus ist eine böse und primitive Form des Kollektivismus. Rassismus wird heute als Verbrechen betrachtet, wenn er von einer Mehrheit praktiziert wird – aber als unveräußerliches Recht, wenn er von einer Minderheit praktiziert wird. Die Vorstellung, dass die eigene Kultur allen anderen überlegen ist, nur weil sie die Traditionen der eigenen Vorfahren repräsentiert, wird als Chauvinismus angesehen, wenn eine Mehrheit diesen Anspruch erhebt – aber als ‚ethnischer’ Stolz, wenn eine Minderheit es behauptet. Widerstand gegen Veränderung und Fortschritt gilt als reaktionär, wenn er von einer Mehrheit ausgeht – aber die Rückentwicklung zu einem Balkandorf, zu einem indianischen Tipi oder in den Dschungel wird begrüßt, wenn eine Minderheit es will. ‚Toleranz’ und ‚Verständnis’ werden als einseitige Tugenden angesehen. In Bezug auf jede mögliche Minderheit, so wird uns gesagt, sei es die Pflicht aller anderen, also der Mehrheit, die Werte und Bräuche dieser Minderheit zu tolerieren und zu verstehen – während die Minderheit verkündet, dass Außenstehende ihre Seele nicht verstehen können, dass keine gemeinsamen Bindungen oder Brücken existieren, dass man nicht gedenkt, auch nur eine Silbe der Werte, Bräuche oder der Kultur der Mehrheit aufzunehmen, und weiterhin rassistische Epitheta (oder schlimmeres) in die Gesichter der Mehrheit schleudern werde.
Niemand kann mehr so tun, als ob das Ziel einer solchen Politik die Beseitigung des Rassismus ist – insbesondere wenn man feststellt, dass die eigentlichen Opfer die besseren Mitglieder dieser Minderheiten sind. Diese kleinen Hausbesitzer und Ladenbesitzer mit Selbstachtung sind die ungeschützten und von niemandem verteidigten Opfer jedes Rassenaufstands. Von den Angehörigen der Minderheit erwarten deren egalitäre Führer, dass sie eine passive Herde bleiben, die um Hilfe schreit (was eine Voraussetzung für die Macht ist, eine Interessensgruppe zu kontrollieren). Diejenigen, die die Drohungen ignorieren und durch individuelle Anstrengungen um ihren Aufstieg kämpfen, werden als Verräter denunziert. Wen verraten sie? Ein physiologisches (rassisches) Kollektiv – dessen Inkompetenz oder Unwillen oder Lethargie oder Miserabilismus. Wenn die außergewöhnlichen Männer schwarz sind, werden sie als ‚Onkel Toms’ angegriffen.
Es sind primitive Kulturen, die wir studieren, schätzen und respektieren sollen – jede Art von Kultur außer unserer eigenen. Ein Stück Keramik, das von Generation zu Generation kopiert wird, wird uns als Leistung vorgehalten – ein Plastikbecher nicht. Ein Bärenfell ist eine Leistung – die synthetische Faser nicht. Ein Ochsenkarren ist eine Leistung – ein Flugzeug nicht. Ein Trank mit Kräutern und Schlangenöl ist eine Errungenschaft – eine Operation am offenen Herzen nicht. Stonehenge ist eine Errungenschaft – das Empire State Building nicht. Schwarze Magie ist eine Errungenschaft – Aristoteles Organon nicht. Warum wird die westliche Zivilisation ermahnt, primitive Kulturen zu bewundern? Weil sie nicht bewundernswert sind. Warum wird ein primitiver Mann ermahnt, westliche Errungenschaften zu ignorieren? Weil sie es sind. Warum soll der Selbstausdruck eines zurückgebliebenen Jugendlichen gefördert und anerkannt werden? Weil er nichts auszudrücken hat. Warum soll der Selbstausdruck eines Genies behindert und ignoriert werden? Weil er es hat. Die kapitalistischen Vereinigten Staaten von Amerika werden gebeten, sich bei den Mohammedanern, Buddhisten und Kannibalen – bei den unterentwickelten, unentwickelten und nicht zu entwickelnden Kulturen – für ihre Wolkenkratzer, ihre Autos, ihre Klempnerarbeiten und ihre lächelnden, selbstbewussten, nicht gequälten, nicht enthäuteten, lebendigen, nicht gegessenen jungen Männer zu entschuldigen! … Nicht wegen ihrer Fehler werden die Vereinigten Staaten von Amerika gehasst, sondern wegen ihrer Tugenden, nicht wegen ihrer Schwächen, sondern wegen ihrer Leistungen, nicht wegen ihrer Misserfolge, sondern wegen ihres Erfolgs – ihres großartigen, glänzenden, lebensspendenden Erfolgs.”
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Ich erwähnte die Kanzlerin heute schon. Immer, wenn ich diese Frau sehe, wie sie da im Bundestag sitzt, tiefenverbittert und mundwinkelabwärts mit wahren Marianengräben vertikal durchfurcht, denke ich mir: In diesem Leben gibt es nichts Schönes, nichts, woran die arme Maid sich ästhetisch aufrichten könnte, keine Gobelins, keine Louis-seize-Möbel, keine Bälle, keine extravaganten Kleider, keine geschmackvoll eingerichtete Bibliothek – wozu auch? –, keine erlesenen Weine, keine üppig gedecken Tafeln, an denen gescherzt, gelacht und geflirtet wird, keine Hausmusik, keine amüsanten und geistreichen Gespräche (ich meine als Zuhörerin), sondern immer nur diese faden Politikertypen und widerlich devoten Parteifreunde, verlogenes Gerede aus glatten Mündern, dann endlose Verhandlungen, Pressekonferenzen, Treffen mit dem französischen Gockel, dem sturen Ungarn, jetzt der senile oder auch debile Ami, Telefonate, Intrigen anrühren, sms schreiben, Fingernägel abkauen, Merz zum zweitenmal platt- und Laschet lächerlich machen, Hinterzimmergespräche mit einflussreichen Schwachköpfen und tiefenvergaunerten Narzissten. Was für ein gemütsvergammeltes Leben! (Die Formulierung ist geliehen von Kamerad Henscheid.) Aber eben: Dort sitzen, im Präsidum, im Kanzleramt, in den Regierungszentren der Erde, als einstiges Mauerblümchen, als Belächelte, als x‑mal (auch von mir) politisch Totgesagte immer noch dort den Platz halten, alle Konkurrenten überleben, jetzt auch diesen Trump überstanden haben, zwischendurch den komischen und durchaus nervenden Vögeln von der Opposition einen Entomologenblick schenkend (um deren Hälse sich längst die Schlinge zuzieht), weiterherrschen, thronen, wuchten, kleben. Sie hat sonst nichts. Auch keine Familie – aber immerhin Barack, George und neuerdings Bill, Friede und Liz sowieso. Und Beate! Als sie anfing, wollte sie nichts als dort oben ankommen. Als sie oben angekommen war, wollte sie oben bleiben. Inzwischen hat sie – ungefähr wie, um einen despektierlichen Vergleich zu ziehen, der „Romantiker” Friedrich Wilhelm IV. der preußischen Staatsmaschine nachträglich eine Seele einhauchen wollte – den globalistischen Glauben angenommen und sucht ihr Seelenheil in der Fernstenliebe. Kein Mensch außer vielleicht Stalin kann ganz ohne Glauben herrschen
Sie tritt noch einmal an. Jede Wette.