Keine Headline könnte sowohl den Status quo als auch den Geisteszustand derjenigen, die „Corona-Diktatur” zum „Unwort des Jahres” erklärt haben, besser auf den Punkt bringen als diese:
Ins Verderben gelockte Kinder, obendrein ausgerechnet zu Hameln: Auch der „Nachrichtenkanal” n‑tv lässt sich nicht lumpen bei der Verbreitung der Spitzennachricht des Tages wenn nicht des Äonchens.
Und nichts wiederum kann die mentale Verfasstheit unseres von postheroischen Mutmenschen bevölkerten Siedlungsgebietes angemessener illustrieren als diese von Argo Nerd dankenswerterweise kompilierten gegenstrebigen Fügungen:
Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen! Vertrauen Sie den Maßnahmen der Regierung! Der Tierarzt und der Bankkaufmann passen auf! Am besten, Sie bleiben ganz zu Hause.
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Das noch, ohne Worte, wg. Aerosolen und so.
PS: „Der Grund für die Anbringung war ein Dreh für die RTL-Sendung ‚Explosiv’ für die Ausgabe am 14. Januar (18 Uhr). Das Plakat wurde danach wieder abgenommen. Rewe reagierte via Twitter auf die Verwirrung der User. ‚Dieses Plakat wurde für den Videodreh eines privaten TV-Senders angebracht und direkt im Anschluss wieder entfernt. Der Inhalt hatte keinen realen Bezug zu unseren Märkten’, bestätigt die Supermarktkette.”
Diese Nachricht sei zu finden bei RND, teilt Leser *** mit, und fährt fort: „Da sage noch einer, das TV setze keine Lügen in die Welt… Und wieder mal ist das eigentlich Schlimme ja, dass solche Verbote durchaus vorstellbar wären. Nach Merkels nächster Lockdownverschärfung in einem Supermarkt auch in Ihrer Nähe.”
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Der zuletzt im hellen Haufen meiner Lieblingstoren etwas in die zweite Reihe getretene Gevatter Kauder, Vorname Volker, wie der Spielmann im Nibelungenlied, der mit Fiedel und Schwert das Tor von Etzels Halle schirmte, freilich nicht für, sondern gegen deren hunnischen Eigentümer, also genau andersherum als Kauders aktueller Volker, der das Kanzlerinnenamt auf seine Weise innerparteilich hütet, „ein Mann voller Kampfeskraft” (Nibelungenlied, Aventiure 1), dessen Vorname sich übrigens zusammensetzt aus Volk und heri, Heer, also „Volkskämpfer” bedeutet – am Rednerpult nennt man ihn den Unvergleichlichen –, dieser edle Recke trat denn vor das Parlament, unbehelmt, weil Hildebrand irgendwo im Lockdown steckt, und sprach die geflügelten Worte:
Weiß noch jemand, was ein Syllogismus ist?
Etwa:
Jeder Flüchtling ist ein Ebenbild Gottes.
Anis Amri war ein Flüchtling.
Also ist Anis Amri ein Ebenbild Gottes.
Das letzte, was Maria Ladenburger auf Erden erblickte, war ein Ebenbild Gottes. Auch Adolf Hitler war ein Ebenbild Gottes. Donald Trump ist ein Ebenbild Gottes. Die gesamte AfD-Fraktion besteht aus Ebenbildern Gottes. Ob es Gott nun passt oder nicht: Auch Saskia Esken, Ralf Stegner und Jan Böhmermann sind seine Ebenbilder. Und last but not least: Kauder selbst ist ein Ebenbild Gottes. Hienieden wuseln und weben derzeit an die acht Milliarden Ebenbilder Gottes, täglich werden es mehr, bald werden es neun, zehn, elf Milliarden sein, ganz egal, wie viele Ebenbilder Gottes unterdessen andere Ebenbilder Gottes und zum Teil sogar in Gottes Namen abmurksen oder wie viele winzige Ebenbilder Gottes speziell in den westlichen Ländern abgetrieben werden, um gewissermaßen Raum zu schaffen für jene Ebenbilder Gottes, von denen der gottesebenbildliche Herr Kauder spricht. Nur: Was folgt daraus? Dass der Geltungsrahmen des Grundgesetzes erweitert werden muss auf sämtliche Gottesebenbildlichen? Und die Trocknung aller Tränen zum letzten deutschen Staatsziel erhoben werden muss? Na was denn sonst!
„Folg’ nur dem alten Spruch und meiner Muhme der Schlange,
Dir wird gewiß einmal bey deiner Gottähnlichkeit bange!”
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Beim Spiegel experimentieren sie gerade damit, eine summarische Autorenzeile fett als Überschrift zu setzen.
Auf der Webseite von eigentümlich frei schreibt Axel B.C. Krauss nicht direkt, aber irgendwie doch dazu:
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Kein Tag ohne Donald!
Zur Erinnerung:
(Ich danke Leser *** für den Hinweis.)
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Zu meinem gestrigen bzw. ewiggestrigen Beitrag über die modernen Kunstwerke als „Arbeiten” bemerkt Leser ***:
„Erzeugnisse der Gegenwartskunst nennt man deswegen ‚Arbeiten’, weil eine Festlegung auf Gemälde, Skulptur oder Plastik gar nicht mehr möglich ist, da bildende Kunst und Kunstgewerbe zu einem unscheidbaren Amalgam verschmolzen sind. Dort wo nach Beuys ‚jeder Mensch ein Künstler’ ist, darf auch jeder erdenkliche Mist als Kunst gelten. Diesem Irrsinn geht aber voraus, dass der Kritiker vor circa 100 Jahren die Fronten gewechselt hat, indem er vom Lager des Rezipienten in das des Produzenten hinüberging. Augenscheinlicher Müll und Unrat ist dann Kunst, wenn der berufene Kritiker den Plunder heiligt und den Zuschauer belehrt oder notfalls für dumm erklärt. Die marktwirtschaftlichen Effekte mal ganz außen vor gelassen. Man stelle sich vor, das würde ein Wein- oder Gastrokritiker versuchen.”
Na das stellen wir uns mal lieber nicht vor. Das würde am Ende auch noch funktionieren.
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Leser sekundiert diesem Verdacht mit der Schilderung einer Begebenheit „aus erster Hand”:
„Mein Stiefvater, einer der Mitbegründer des Freejazz im Deutschland der 60er Jahre, der mit dieser Art von – nennen wir es wohlwollend ‚Lärm’ (das ist die Bezeichnung, die mir am wenigsten pejorativ erscheint) – auch jahrzehntelang gut verdient hat, hat in den 90ern das Angebot der Friedrich-Dürrenmatt-Stiftung in der Schweiz erhalten, er möge doch einige Tage in Dürrenmatts Haus verweilen und anschließend in der Aula das Hauses über Dürrenmatt freejazzig improvisieren. Gesagt, getan, mein Stiefvater hat einige Tage in Dürrenmatts Haus gewohnt, in Dürrenmatts Bett geschlafen, in Dürenmatts Badewanne gebadet und anschließend in Dürrenmatts Haus diese Eindrücke musikalisch dargeboten.