„Am Ende wird es sich einzig um der zwei Weltminuten hellenisch-römischen Altertums und der europäischen Kultur des 19. Jahrhunderts willen gelohnt haben, dass es die Menschheit gab und man selber ein Mensch gewesen ist”, schreibt der philosophische Autor Frank Lisson, die Malerei des 17. und die Musik des 18. Jahrhunderts sträflich vernachlässigend, aber in der Tendenz ziemlich korrekt.
„Der zivilisationsverwahrloste, moralisch degenerierte und sich technisch ständig erneuernde Mensch unserer Tage weist auf die nächste evolutionäre Stufe und damit auf das enorme, lange unterschätzte Entkulturalisierungspotential, das in der menschlichen Natur enthalten ist.”
Nochmals Lisson
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Während sie von Vielfalt und Buntheit reden, legt sich eine triste Monokultur über den Westen.
So sieht sie aus, die Rassistin.
Ein „Branchenmagazin” berichtet, sie habe damals in einem Tweet unter anderem geschrieben, sie sei mit „geschwollenen, asiatischen Augen” aufgewacht. Die Verjährungsfrist für Rassismus gegen Asiaten lag bis vor kurzem nahe Null, nun liegt sie überraschend bei 10 bis ca. 25 Jahren. Wer etwas über Schwarze gesagt oder gepostet hat, was heute als rassistisch gilt, bekommt lebenslänglich. Das Strafmaß für angebliche Homo‑, Trans‑, Queer- oder Klingonophobie schwankt in wechselseitiger Abhängigkeit wie der Kurs der Kryptowährungen, steigt aber kontinuierlich. Jeder halbwegs repräsentative Autor um die 50 würde mit seinen im Netz dokumentierten Äußerungen inzwischen wahrscheinlich von sämtlichen Magazinen der westlichen Welt als Chefredakteurin abgelehnt, auf twitter geteert und bei Instagram gefedert, die Klassiker sowieso, aber die können ja nicht mehr Chefreakteurinnen werden.
Die Lektion ist klar: Wenn du eine öffentliche Karriere anstrebst, sage und poste nichts, was in ein paar Jahren fehlinterpretiert und gegen dich verwendet werden könnte. Ergo: Gib am besten überhaupt nichts von dir außer wohlmeinde Floskeln; wer weiß bei diesem Abräumtempo schon, was morgen alles tabu ist. Die Folgegeneration soll verlernen, Anstößiges überhaupt zu denken.
Sie wollen – aber wer weiß, ob dort überhaupt ein konkreter Wille dahintersteckt und es nicht nach der Schwarmlogik einfach passiert? – eine Welt der Lüge und der Heuchelei errichten, in welcher derjenige als der talentierteste Autor gilt, der die bizarrsten und verlogensten Euphemismen erfindet. Diese von Schneeflöckchen bevölkerte Brave New World wäre die langweiligste aller denkbaren Welten. Aber ich kann mag glauben, dass sich so etwas durchsetzt.
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Neues Wort: Problemklassiker.



Ungleichheit bedeutet, dass es Einkommensunterschiede gibt. Wenn Armut krank macht, sind die Reichen schuld. Die Reichen machen die Armen krank. Das gilt sowohl individuell als auch für ganze Länder, Kulturen, Erdteile, dereinst womöglich Planeten. Was Reichtum ist, bestimmen wir je nach Steueraufkommen.
Es ist besser, wenn es allen gleich schlecht geht als wenigen gut. Nur Gleichheit löst Probleme, also auch gesundheitliche. Wir müssen folglich gleicher werden, und das funktioniert nur durch Enteignung der Reichen. Wir brauchen eine medizinische Versorgung ohne Unterschiede, so wie wir in den Eisenbahnen die diskriminierende Erste Klasse beseitigen müssen, damit sich niemand schlechtergestellt fühlt. Das schafft zwar jeglichen Anreiz für Distinktionsgewinne aus der Welt und hat bei allen Großversuchen seit 1917 nie funktioniert – schauen wir auf das Gesundheitssystem in Venezula oder Kuba –, aber die Menschen sind vergesslich, und wir gewinnen mit dieser Forderung Sozialprestige und vielleicht irgendwann eine Pöstchen im Umverteilungsapparat, also am Ende doch Distinktion.
Wer aber behauptet, dass gesellschaftliche Entwicklungen und damit auch medizinische Fortschritte davon abhängen, dass Ungleichheiten existieren, weil nur Ungleichheiten innerhalb einer Gesellschaft jene potentielle Energie erzeugen, die Geld und Ideen zum Fließen bringt, argumentiert unsozial und menschen- bzw. fremdenfeindlich.
Wenn signifikant viele Migranten an Covid-19 erkranken, hat das nichts mit ihrer Kultur, Bildung, Lebensart zu tun, sondern mit ihrer Diskriminierung durch die deutsche Nochmehrheitsgesellschaft. Kein Migrant ist für seine Situation verantwortlich. Wer Integrationsprobleme benennt, ja wer überhaupt das Wort Integration in den Mund nimmt, kann nur ein Rassist sein.
Ende der Durchsage.
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„Sie berichtete von 1949, ihrem ersten Besuch bei Jaspers in Basel, und wie sich sich einmal, zu später Stunde, zu dem Hausmädchen Erna in die Küche gesetzt habe, um zu hören, wie es ihr in den schweren Jahren ergangen sei. Zu ihrer grenzenlosen Verblüffung habe die ‚treue Erna’, wie Jaspers gern sagt, statt einer Antwort zu weinen begonnen, und was immer sie herausbrachte, sei im ‚Schütteln und Schluchzen’ untergegangen, bis sie am Ende hervorgestoßen habe: ‚Ach, liebe Frau Arendt! – Was haben wir bloß angerichtet?’ Und nach einigen Wirrheiten noch: ‚Wir sind alle schuldig! Bitte, vergeben Sie uns!’ (…)
‚Fräulein Möhrle!’ herrschte ich die Arme an, ‚Sie hören augenblicklich mit dem Gejammer auf! Denn alles, was Sie sagen, ist Unfug.’ Der Professor habe ihr berichtet, wie sie sich für ihn und Frau Jaspers fast umgebracht habe. Und ausgerechnet sie rede von Schuld! ‚Das könnte den wirklichen Nazis so passen!’ (…) ‚Damals brauchte man nur einen Deutschen treffen, der sich schuldig bekannte, und man wußte, daß dem nichts vorzuwerfen war. Aber sooft einem irgendwer mit dem besten Gewissen der Welt entgegentrat und versicherte, allzeit ahnungslos gewesen zu sein, hatte man es ziemlich sicher mit einem ehemaligen Nazi zu tun.’ ”
(Aus: Joachim Fest, „Begegnungen. Über nahe und ferne Freunde”, S. 182 f.)

Leserin ***, Gerichtsdolmetscherin, sendet mir eine Art Flyer zu, „entstanden in der 15-minütigen Wartepause auf den Angeklagten, der nicht erschien. Aus Subsahara-Afrika. Man erlebt das jedes zweite Mal, dass diese Angeklagten erst gar nicht kommen und später auch nicht mehr aufzufinden sind. Kaum einer fährt ein. Dass es das Gefängnis in Schwäbisch Hall trotzdem schafft, zu 75% mit Ausländern belegt zu sein (dort habe ich auch schon gearbeitet), lässt erschreckende Schlüsse zu.”
Der Text darauf lautet:
„Das Amtsgericht.
Multikulti heute im Gerichtssaal in einer mittleren deutschen Stadt
Doudou Maita, oder welchen Alias sich der afrikanische Schwarzfahrer gegeben haben mag, ordnungsgemäß geladen, erscheint nicht. Keine Entschuldigung.
Diebstahl, Drogengeschäfte, Schwarzfahren, ein bisschen Körperverletzung und sexuelle Belästigung.
Zum xten Mal. Und fast keine Folgen.
Vielleicht 20 Stunden den städtischen Park jäten, Bewährung, ein bisschen Schelte, das war’s!
Ja, ihr Deutschen, die es nicht gibt!
Das Geld: fließt
Die Stube: geheizt
Das Essen: serviert
Die Kleider: bezahlt
Das Fahrrad: geschenkt
Ein paar von euch stehen morgens auf und schuften, Helden der Arbeit!
Das macht ihr doch gerne!
Gegen alles Recht durchgesetzte Nächstenliebe für Kriminelle?
Da geht noch was! Wer fragt denn euch?
Ich gratuliere euch, Deutsche, weit habt ihr es gebracht!
Gerichtsschreiber, Richter, Anwalt…
spielen ein nutzloses, ein bedeutungsloses Spiel.
Der Angeklagte fehlt.
Er spielt nicht.
Mit.
Ihr sollt liefern, verstanden?
Habt ihr noch immer nicht genug??”
Die Bedenken des belgischen Virologen muss man zumindest ernst nehmen, genauso ernst wie die Auffassungen anderer Experten. In vorläufig notwendiger Ermangelung epidemiologischer Studien ist die eine Expertenmeinung von ihrer Wertigkeit her – bei stringenter Argumentation auf wissenschaftlicher Grundlage – genauso gut wie die andere, also zugespitzt: Vanden Bossche nicht grundsätzlich dümmer oder schlauer als Drosten. Ausführlich nachzulesen sind die Argumente des Belgiers hier. Was zunächst seine persönliche Mutation angeht: Ich denke nicht, dass der Mann vom Saulus zum Paulus mutiert ist; ich denke eher, dass er vom Verfechter zum Skeptiker mutiert ist, also quasi vom Paulus zum Pilatus, vom Gläubigen zum Experten: Was ist Wahrheit? Es ist ja das Kennzeichen aller wirklichen Experten, am Ende ihre Hände in Unschuld waschen zu können, weil sie die Entscheidungen anderen zuschreiben dürfen. – Ende der meta-skeptischen Vorbemerkung.
Richtig ist, dass wir es auch laut Deutschem Ärzteblatt Stand Anfang März mit ‚Evolution im Zeitraffer’ (https://www.aerzteblatt.de/archiv/218112/SARS-CoV-2-Varianten-Evolution-im-Zeitraffer) zu tun haben, und deshalb spricht Lothar Wieler vom RKI auch von einem ‚Wettlauf mit den Mutationen’. Einige tausend Mutationen ‚des’ Coronavirus haben wir weltweit bereits zu verzeichnen, darunter mindestens drei Variants Of Concern (Besorgnis-erregende Mutationen). Besorgnis, weil Einiges dafür spricht, dass Impfungen gegen die Primärvariante bereits aktuell eingeschränkte Wirkung gegen diese Varianten besitzen, also voraussichtlich auch Geimpfte erkranken können und irgendwann erkranken werden. Nichts Neues, auch Grippeimpfstoffe müssen jährlich erneuert werden. Neu ist, dass wir der Lage also jetzt schon hinterher rennen.
Vanden Bossches erstes Argument ist ähnlich, nur noch deutlicher evolutionär: Was erhöhtem Selektionsdruck ausgesetzt ist, mutiert sich frei. So filtern Schutzmaßnahmen die ansteckendsten Varianten heraus, jene also, die sich gerade trotz Masken und Distanz noch am besten vermehren; Impfungen gegen die Primärvariante lassen die Mutationen überleben. Sofern – und da beginnen die Unsicherheiten – keine ausreichende Kreuzimmunität durch Impfung oder ausgeheilte Erkrankung entsteht, wäre beider Schutz also zeitlich eng begrenzt. Das immerhin deckt sich mit den Erfahrungen jedes Hausarztes im Hinblick auf alle Erkältungskrankheiten, denn sonst bekäme jeder von uns bei ca. acht endemischen Standard-Erregern in seinem Leben genau achtmal einen Schnupfen, dazu einmal eine echte Grippe, wäre im Kleinkindalter also durch damit und würde nie wieder erkranken. So verhalten sich respiratorische Erreger aber leider nicht. – Es ist etwas völlig anderes, gegen das Gift eines im Boden lauernden Tetanusbakteriums zu impfen, das gar keinen evolutionären Grund hat, wesentlich zu mutieren und selbst keinerlei Selektionsdruck seitens des Menschen ausgesetzt ist, da es sich im Menschen nicht in ansteckender Weise vermehrt. Hier wird vielmehr gegen ein Gift geimpft, das sich überhaupt nicht außerhalb des Erkrankten vermehrt, und gar nicht gegen den Erreger selbst. Und auch mit den ausgerotteten Pocken ist die Situation nicht vergleichbar, weil diese sich durch Berührung übertragen, dabei wenig mutieren – und netter Weise durch eine harmlosere Variante Kreuzimmunität entstanden ist. Eine luftübertragene Infektion sehr vieler Individuen ist also etwas völlig anderes, erzeugt massive Mutationen in kurzer Zeit, und es gibt, so der Belgier, keinen wissenschaftlichen Grund dafür, anzunehmen, das Coronavirus mache da in unserem Sinne eine gnädige, erstmalige Ausnahme.
Vanden Bossches zweites Argument ist individuell-immunologisch und deutlich spekulativer als das erste. Er geht davon aus, dass die geringe Krankheitslast von Kindern und Jugendlichen der natürlichen Immunität geschuldet ist, die gar nicht erlernt Antikörper-abhängig ist, sondern angeboren Zell-abhängig, und dass man durch Impfungen diese natürliche Immunität eher behindern könnte als fördern, da auch minderwertige Antikörper immer noch ‚besser’ an das Coronavirus binden könnten und damit dem Immunsystem sozusagen eine Scheinlösung des Problems vorgaukeln würden, die die natürliche Immunreaktion eher blockiert. Genau dies sei der Grund für die höhere Krankheitslast Älterer, deren erlerntes (Antikörper-)Immunsystem schon andere Corona-Viren kenne und sich folglich täusche.
Dies sei unbewiesen, auch auf Zell-Ebene gebe es durch Impfung erzeugtes Lernen und Kreuzimmunitäten, werden andere Experten entgegnen. – Dass das für ‚das’ neue Coronavirus zutrifft, ist allerdings ebenfalls unbewiesen.
Vanden Bossche merkt außerdem noch an, dass auch der Schutz der Risikogruppen fragwürdig sein kann, solange man dabei Mutationen provoziert, die die Krankheitslast weg von den Risikogruppen auf die Gesamtheit verschieben.
Ignorabimus kann man dabei nicht sagen; das letzte Wort, ob der Impfriese Israel in drei Jahren besser dastehen wird als der Impfzwerg Deutschland, wird in drei Jahren gesprochen, wenn auch die Nachzulassungsstudien für die brandneuen Impfstoffe abgeschlossen sein werden. Handeln im Unsicheren ist also das Wort des Tages. Nun ist das für einen Hausarzt keine neue Erfahrung; er oder sie muss das bei jedem neuen ‚Fall’, nur ist die Lage bei der Behandlung eines Individuums nach Nutzen und Schaden von viel geringerer Tragweite als das Handeln von Politikern und Experten an ganzen Populationen, die diese Populationen dafür auch noch motivieren müssen – und dabei auf Skepsis sogar bei anderen Experten treffen.
Niemand ist in dieser Situation zu beneiden, kein Erkrankter, kein Experte, kein Politiker, tatsächlich niemand unter uns. Allerdings sollten die Argumente eines Skeptikers ein heftiger Ansporn für die Wissenschaft sein, die aus der Skepsis resultierenden Fragen möglichst schnell zu beantworten, denn auch solche Dinge wie zelluläre Immunität kann man durchaus testen; es ist nur deutlich aufwändiger als Antikörperstudien und daher noch lästiger als das Anbieten einer ‚Lösung’, das von Entscheidungsträgern unter Zeitdruck tagtäglich verlangt wird. – Allein die Anzahl Corona-bezogener wissenschaftlicher Publikationen streift gerade die Grenze von 90.000 – in einem Jahr. Welcher ‚Experte’ kann da helfen? Auch Christian Drosten ist nicht zu beneiden; sein Verdienstkreuz hilft ihm jedenfalls nicht mehr als der Friedensnobelpreis dies für Barack Obama tat oder für die EU, und ich denke, er weiß das.
Denn die Szenarien auch des ‚Mainstreams’ sind ja durchaus realistisch; alle aerogenen Pandemien liefen in mindestens drei Wellen ab, die an Heftigkeit zunahmen und schließlich auch Gesunde, Reiche trafen; ein prominentes Beispiel ist das Ehepaar Edith und Egon Schiele (https://das-blaettchen.de/2015/06/der-schrei-der-zeit-egon-schiele-33078.html). Und das ist leider der Punkt, an der es um die Evolution nicht des Virus allein, sondern um dessen Ko-Evolution mit dem Menschen geht; das Überleben der Immunkompetenten spiegelt sich im Aussterben der anderen. Gegen diesen grundsätzlichen Mechanismus der Evolution kann die Impfung ein Segen sein; nur: bewiesen ist das nicht – und allein darauf weist der belgische Skeptiker hin.”
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