„Der Teufel, das sind Sie!“

Nach­dem der desi­gnier­te thü­rin­gi­sche Kul­tus­mi­nis­ter Peter Krau­se wegen frü­he­rer Mit­ar­beit bei der „Jun­gen Frei­heit” abge­senst wor­den war, konn­te ich der ver­fas­sungs­mä­ßig zu- und abge­si­cher­ten Ver­su­chung nicht wider­ste­hen, die­ser angeb­lich kreuz­ge­fähr­li­chen, tat­säch­lich aber bloß rech­ten und oft Recht haben­den Zei­tung fol­gen­des Inter­view zu geben.

 

Inter­view: Von Moritz Schwarz

Herr Klo­novs­ky, wie geht es Ihnen?

Klo­novs­ky: Es ist nett, daß Sie das fra­gen. Warum?

Nun, Sie wer­den gera­de von der Zei­tung inter­viewt, die Peter Krau­se zum Ver­häng­nis gewor­den ist – und das oben­drein von Krau­ses Nach­fol­ger, denn Krau­se hat hier einst selbst Inter­views geführt!

Klo­novs­ky: Sie schei­nen das nicht ohne einen gewis­sen Stolz vor­zu­tra­gen. Aber Sie haben recht, wer sich mit Ihnen ein­läßt, darf offen­sicht­lich in Deutsch­land nicht Minis­ter wer­den. Sie sind also in einem gewis­sen Sin­ne einflußreich.

Fast alle Kom­men­ta­to­ren waren ob Krau­ses JF-Tätig­keit „ent­setzt und betrof­fen“. Da muß doch irgend­was ganz Ent­setz­li­ches zu spü­ren sein? So was, wie einen viel­leicht im Inzest­fall von Amstet­ten anweht?

Klo­novs­ky: Ihre Zei­tung zu bekämp­fen, schafft defi­ni­tiv ein gutes Gefühl, denn Sie sind böse. Man weiß ja heut­zu­ta­ge nicht mehr so genau, wofür und woge­gen man zu sein hat, die Glo­ba­li­sie­rung ist zu anonym, Geor­ge Bush zu weit weg, Hit­ler letzt­lich nun doch irgend­wie tot, der FC Bay­ern Mün­chen spielt meis­tens woan­ders, die Kli­ma­ka­ta­stro­phe ist unzu­ver­läs­sig, und die Müll­tren­nung allein bringt das emo­tio­na­le Gleich­ge­wicht auch nicht ins Lot – da kom­men Sie mit Ihrem Blatt gera­de recht. Nichts gegen die Müll­tren­nung übrigens.

Hand aufs Herz, wie schlimm sind wir wirklich?

Klo­novs­ky: Wenn Sie schon so fra­gen: Sie haben poli­tisch gewis­ser­ma­ßen kein Herz, und das ist ein biß­chen schlimm.

Moment, was mei­nen Sie denn damit?

Klo­novs­ky: Sie sind ana­ly­tisch, kalt und lieb­los. Außer­dem lache ich auch recht sel­ten bei der Lek­tü­re. Ansons­ten ist Ihr Blatt ja, soweit ich das über­schau­en kann, gera­de­zu exzes­siv ver­fas­sungs­treu, und man hat offen­bar auch in Krau­ses bei Ihnen ver­öf­fent­lich­ten Arti­keln kei­nen denun­zier­ba­ren Satz gefun­den. Inso­fern tun Sie mir fast ein biß­chen leid. Der Fall Krau­se ist schließ­lich nur ein Unter­ka­pi­tel des Fal­les JUNGE FREIHEIT.

Der Sati­ri­ker und Schrift­stel­ler Eck­hard Hen­scheid meint, beim The­ma JUNGE FREIHEIT herr­sche in Deutsch­land „ein schreck­li­ches Belau­rer- und Denun­zi­an­ten­we­sen“, fast schon „‘im Gesta­pos­til’, als Frei­heits­kon­trol­le genui­ner Dos­sier­an­le­ger … jen­seits jeder Frisch­luft und Rea­li­tät“.

Klo­novs­ky: Da will ich dem Kame­ra­den Hen­scheid nicht wider­spre­chen. Die Fra­ge wäre nur: War­um ist das so?

Und was mei­nen Sie?

Klo­novs­ky: Mei­ner Ansicht nach haben wir es mit einem ganz ele­men­ta­ren Pro­zeß kol­lek­ti­ver Iden­ti­täts­fin­dung zu tun. „Gott ist wider­legt, der Teu­fel nicht“, steht auf einem Zet­tel im Nietz­sche-Nach­laß. Wenn wir schon kei­nen Gott mehr haben, dann muß es wenigs­tens den Teu­fel geben. Und einer muß der Teu­fel sein. Die­se Gesell­schaft wird von nahe­zu nichts mehr zusam­men­ge­hal­ten, sie braucht einen kleins­ten gemein­sa­men Nen­ner des zu Ver­ab­scheu­en­den, zu Bekämp­fen­den. Dafür steht der „Kampf gegen Rechts“ und letzt­lich die JUNGE FREIHEIT. Die tat­säch­li­chen Rechts­extre­men sind ja intel­lek­tu­ell viel zu unter­be­lich­tet und auch nicht wirk­lich greif­bar, aus einer Distan­zie­rung von denen läßt sich sowe­nig Kapi­tal schla­gen wie aus der Ver­spot­tung Paris Hil­tons. Ihr Pech besteht nun dar­in, daß Sie die Rol­le des Teu­fels spie­len müssen.

Des Teu­fels? Tra­gen Sie da nicht ein wenig zu dick auf?

Klo­novs­ky: Na ja, cum gra­no salis – und im Lil­li­pu­ta­ner­maß­stab die­ser Repu­blik. Sie sind poli­tisch gefähr­lich, argu­men­tie­ren logisch, füh­ren zynisch die Wirk­lich­keit gegen die Ver­hei­ßun­gen ins Feld, ken­nen den Opt­a­tiv nicht, schlie­ßen wahr­schein­lich andau­ernd heim­lich Pak­te mit Wan­kel­mü­ti­gen, und Sie ver­stel­len sich natür­lich über Ihre wah­ren Absich­ten – wie der Teu­fel. Des­we­gen wer­den Sie auch nicht wirk­lich gele­sen, son­dern bloß über­führt, und wer sich mit Ihnen ein­läßt, lan­det auf dem media­len Schei­ter­hau­fen. Das ist der Sinn der Bann-Ritua­le, etwa wenn mal ein SPD­ler mit Ihnen gere­det hat.Gleichzeitig ist es abso­lut unge­fähr­lich, gegen Ihr intel­lek­tu­ell zwar anspruchs­vol­les, aber – Sie ver­zei­hen – ins­ge­samt doch recht unbe­deu­ten­des Blatt zu Fel­de zu zie­hen, was der Men­ta­li­tät einer soge­nann­ten Zivil­ge­sell­schaft erfreu­lich ent­ge­gen­kommt. Indem man sich gegen Ihre Zei­tung enga­giert, kann man auf der Tugend­ska­la nach oben klet­tern, ohne das Gerings­te zu ris­kie­ren. Es wäre nicht mensch­lich, ein sol­ches Ange­bot aus­zu­schla­gen. Solan­ge kei­ne grö­ße­ren Fein­de Sie ablö­sen, wer­den Sie aus die­ser Rol­le wohl nicht herauskommen.

Eine trau­ri­ge Prognose.

Klo­novs­ky: Nun, sehen Sie es posi­tiv: Ihre Rol­le ist wich­tig. Der Feind sta­bi­li­siert die Gemein­schaft. Bei Ihnen in der Redak­ti­on ist man doch so für Carl Schmitt! Indem sie den Feind ver­kör­pert, leis­tet Ihre klei­ne Klit­sche womög­lich mehr für den Zusam­men­halt der Repu­blik als der Ver­fas­sungs­schutz oder das thü­rin­gi­sche Kul­tus­mi­nis­te­ri­um. Ohne Sie kein Gan­zes. Natür­lich kann man es auch ganz anders betrach­ten und das Ver­hält­nis zu Ihrer Zei­tung zum Lack­mus­test auf Demo­kra­tie­fä­hig­keit dekla­rie­ren, und zwar in einem ganz ande­ren Sin­ne, als unse­re Mus­ter­de­mo­kra­ten es sich vor­stel­len. Nur: In sei­nem tiefs­ten Innern ist eben nie­mand Demokrat.

Sie sind – wie Peter Krau­se und fast im sel­ben Jahr – in der DDR gebo­ren und auf­ge­wach­sen. Kön­nen Sie dadurch viel­leicht etwas in der Sache ver­ste­hen oder erklä­ren, das dem west­deut­schen bzw. nach­ge­bo­re­nen Beob­ach­ter ent­gan­gen ist?

Klo­novs­ky: Da er aus einer Dik­ta­tur kommt, weiß Krau­se ein biß­chen mehr über die unan­ge­neh­men Sei­ten der Con­di­tio huma­na, und so wird er sich über das Ver­hal­ten der meis­ten demo­kra­ti­schen Öffent­lich­keits­ar­bei­ter unter dem Druck ver­schärf­ter poli­ti­scher Kor­rekt­heit wohl nur in Maßen gewun­dert haben. Ich kom­me aus der DDR, das könn­te mög­li­cher­wei­se hei­ßen: Ich kom­me aus der Zukunft. In der DDR gab es auch die­se Atti­tü­de: Wer ‘bereut’ und wider­ruft, wird geknud­delt und darf sich ein­rei­hen in die Pha­lanx der Guten. Sie soll­ten sich damit trös­ten, daß Sie in der aktu­el­len Ver­suchs­an­ord­nung den unge­wöhn­li­che­ren, exklu­si­ve­ren Part beset­zen. Aber ohne Sie wür­de die Ein­heits­front der Gut­men­schen nicht so funk­tio­nie­ren. Wobei „Gut­men­schen“ nur den augen­blick­li­chen Zustand beschreibt. Der Oppor­tu­nist kann jeder­zeit auch anders.

Die jüdi­sche Theo­lo­gin Edna Bro­cke sag­te in einem Inter­view die­ser Tage: „Es gibt nur einen iden­ti­täts­stif­ten­den Mythos in der Bun­des­re­pu­blik, egal ob in der Vari­an­te Ex-DDR oder in der Vari­an­te Ex-alte-Bun­des­re­pu­blik. Die­ser iden­ti­täts­stif­ten­de Mythos ist die Abset­zung vom Natio­nal­so­zia­lis­mus. Und in dem Moment, wo man sich irgend­wo iden­ti­fi­zie­ren will, muß man jeman­den in die Ecke der Nazis oder der Erben der Nazis stel­len und sich von ihm distanzieren.“

Klo­novs­ky: Exakt. So läuft das seit Jahr­tau­sen­den in wech­seln­den Kos­tü­men, wenn­gleich in ver­schie­de­nen Schär­fe­gra­den. Um dazu­zu­ge­hö­ren, wird aus­ge­grenzt. Und es muß, wie gesagt, heut­zu­ta­ge mög­lichst unge­fähr­lich sein. Je inni­ger deut­sche Jour­na­lis­ten vor einer Gefahr war­nen, des­to siche­rer kann man sein, daß ihnen dadurch kei­ne droht. Es geht dar­um, sich auf die siche­re Sei­te der Mehr­heit zu schla­gen. Men­schen wol­len sich auf­ge­ho­ben füh­len. Ein paar Ver­rück­te oder Idea­lis­ten füh­len sich auch als ver­folg­te oder wenigs­tens ver­pön­te Min­der­heit wohl, aber die meis­ten sind im Schutz kon­for­mer Ansich­ten glück­li­cher. Das ist so demü­ti­gend sim­pel für den sich auf­ge­klärt wäh­nen­den moder­nen Intel­lek­tu­el­len, daß er den Vor­gang zivil­re­li­gi­ös auf­pep­pen muß. Nun wür­den die­se Auf­ge­klär­ten natür­lich behaup­ten, sie hät­ten die Leh­ren aus der Geschich­te gezo­gen. Ich fin­de dage­gen, eine der wich­tigs­ten Leh­ren aus den NS-Jah­ren ist, daß man an kon­for­mis­ti­schen Ver­an­stal­tun­gen wie etwa dem soge­nann­ten Auf­stand der Anstän­di­gen eben nicht teil­nimmt. „Der ver­al­te­te Kon­for­mis­mus ist das Ärger­nis des herr­schen­den Kon­for­mis­mus“, hat Gómez Dávila die Sache auf den Punkt gebracht. Die­se Hal­tung lädt sich nun auf mit dem nach­träg­li­chen und durch­aus ehren­vol­len Abscheu vor den schlimms­ten Ver­bre­chen der deut­schen Geschich­te. Die Täter aber sind tot. Wohin mit dem Abscheu? Es muß doch jeman­den geben, dem man ihn auf­bür­den kann! Und der­je­ni­ge muß eben teuf­lisch sein.

Wie hat der Fall Krau­se auf Sie per­sön­lich gewirkt?

Klo­novs­ky: Halb kuri­os, halb ekel­haft. Kuri­os, weil es in die­sem Land ehe­ma­li­ge Ter­ro­ris­ten-Sym­pa­thi­san­ten und Fans lin­ker Mas­sen­mör­der bis in die Regie­rung schaf­fen und Sta­si-Zuträ­ger in den Par­la­men­ten sit­zen. Ekel­haft kann man den Fall wie­der­um fin­den, wenn man ein pathe­ti­sches Ver­hält­nis zu Frei­heit, Demo­kra­tie, Plu­ra­lis­mus und der­glei­chen Din­gen hat. Ich habe aber letzt­lich nur ein pathe­ti­sches Ver­hält­nis zu Bach, Puc­ci­ni oder Veláz­quez, und mir ist es ziem­lich wurst, wer in Thü­rin­gen Kul­tus­mi­nis­ter wird.

Krau­se ver­öf­fent­lich­te unter ande­rem zwei Auf­sät­ze in der anspruchs­vol­len Zeit­schrift „Etap­pe“. Nicht der Inhalt, son­dern der Publi­ka­ti­ons­ort wird ihm vor­ge­wor­fen, denn die „Etap­pe“ druck­te außer­dem das Horst-Wes­sel-Lied in Latein ab.

Klo­novs­ky: Und was woll­te uns die­se Zeit­schrift damit sagen?

Wer die „Etap­pe“ kennt, weiß, es geht nicht dar­um, sel­bi­ges zu pro­pa­gie­ren, son­dern dar­um, in der Manier Hein­rich Hei­nes die Zen­so­ren her­aus­zu­for­dern, zu tes­ten und zu veräppeln.

Klo­novs­ky: Wis­sen Sie, ein Land ohne eine Hand­voll legi­ti­mer intel­li­gen­ter Ver­fas­sungs­fein­de ist ent­we­der tota­li­tär oder geis­tig ver­rot­tet. Wie ein Got­tes­staat. Auch wenn Dum­mer­jan jetzt gleich wie­der an die Wei­ma­rer Repu­blik erin­nert. Ich will als Staat doch min­des­tens eben­so­sehr von intel­lek­tu­el­len Non­kon­for­mis­ten wie Gün­ter Maschke (Etap­pe-Mit­her­aus­ge­ber – d. Red.) in Fra­ge gestellt wie von Josch­ka Fischer ver­tre­ten wer­den. Und war­um soll einer das Horst-Wes­sel-Lied nicht ins Latei­ni­sche über­tra­gen? Dem Text kann es nur gut­tun. Die­se tan­ten­haf­te Wort­kon­trol­lie­re­rei bei deut­schen Debat­ten geht mir fürch­ter­lich auf den Keks. Da ver­ste­cken sich Bega­bungs­män­gel hin­ter poli­ti­schem guten Wil­len. Ansons­ten bin ich in jeder­lei Hin­sicht Poly­the­ist und imstan­de, mit Joa­chim Fests schö­nen Wor­ten, den „Glücks­fall frem­den Den­kens“ zu emp­fin­den. Die­ser Glücks­fall wird aber nie­mals ein­tre­ten, wenn das Den­ken kor­rekt sein soll.

Krau­se hat Wochen des Ter­rors hin­ter sich: Anony­me Beläs­ti­gun­gen, Dro­hun­gen – nicht nur gegen ihn, auch gegen Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge –, Zer­stö­run­gen an sei­nem Auto etc. Dafür inter­es­siert sich kaum ein Medienorgan.

Klo­novs­ky: Das Schwei­gen der Medi­en ist das eine Phä­no­men. Viel inter­es­san­ter fin­de ich das gute Gewis­sen derer, die ihn ver­fol­gen. Im übri­gen spricht bei­des dafür, daß ich mit mei­nen Mut­ma­ßun­gen nicht ganz falsch lie­ge. Wer sich mit dem Teu­fel ein­läßt, ist vogelfrei.

Haben wir eigent­lich einen qua­li­ta­ti­ven Begriff von Frei­heit in Deutschland?

Klo­novs­ky: Kei­ne Ahnung. Ich kann nur sagen: Braun, Rot und Grün sind es wohl nicht. Die größ­te geis­ti­ge Frei­heit hat ver­mut­lich im Kai­ser­reich bestan­den. Da ich sel­ber maß­los into­le­rant bin, glau­be ich jeden­falls rück­halt­los an free­dom of speech.

Der Publi­zist Nico­laus Fest schreibt in einem Kom­men­tar für Bild.de: „Krau­se hat tat­säch­lich geglaubt, in die­sem Land herr­sche so etwas wie Mei­nungs­frei­heit. So was rächt sich.“

Klo­novs­ky: In der Tat.

Repres­si­ve Mei­nungs­macht und öffent­li­che Tabus sind offen­bar Rea­li­tä­ten in einer jeden Gesell­schaft. Ist die Vor­stel­lung einer Mei­nungs­frei­heit viel­leicht naiv?

Klo­novs­ky: Ja.

Was hat sich durch den Fall Krau­se ver­än­dert?

Klo­novs­ky: Nichts.

Nun wird es aber langweilig.

Klo­novs­ky: Eben. Lang­wei­lig. Das ist das wirk­lich Schlim­me an die­ser Poli­ti­cal Cor­rect­ness: Alles wird so furcht­bar langweilig. 


Aus: Jun­ge Frei­heit, 16. Mai 2008, S. 3

 

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