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Deng­lisch, Recht­schreib­streit, Wis­sen­schafts-Angli­sie­rung: Nicht nur Puris­ten sor­gen sich um die Zukunft des Deut­schen

 

Das Lamen­to klingt ver­traut. Es „mehrt sich neu­er­dings in bedenk­li­cher Wei­se die Zahl der aus dem Eng­li­schen stam­men­den ent­behr­li­chen Fremd­wör­ter“, klag­te der Ber­li­ner Schul­meis­ter Her­mann Dun­ger anno 1899 und beschei­nig­te sei­nen Lands­leu­ten „Über­schät­zung des Frem­den, Man­gel an Selbst­ge­fühl, Miß­ach­tung der eige­nen Spra­che.“ „Frem­de Wor­te“, echo­te der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler Geor­ge Stei­ner im Jahr 1963, „wer­den nicht mehr in den Blut­strom der natür­li­chen Spra­che ein­ge­fügt. Sie wer­den ledig­lich her­un­ter­ge­würgt und blei­ben Eindringlinge.“ 

Heu­te agiert der Ver­ein für deut­sche Spra­che laut Sat­zung „gegen die Über­häu­fung durch Wör­ter aus dem Eng­li­schen“ und kürt seit 1998 den „Sprach­pant­scher des Jah­res“. Der Erlan­ger Ver­ein für Sprach­pfle­ge rügt die „Fremd­wort­völ­le­rei“; zu Beginn der dies­jäh­ri­gen Fas­ten­zeit for­der­te er alle öffent­li­chen Spre­cher auf, „künf­tig dau­er­haft auf über­flüs­si­ge Fremd­wör­ter zu ver­zich­ten“. Der eins­ti­ge Ber­li­ner Innen­se­na­tor Eck­art Wert­he­bach schlug gar ein „Sprach­schutz­ge­setz“ vor.

Also nichts Neu­es unter der Son­ne? Doch – näm­lich in jenem Sin­ne, wonach Quan­ti­tät an einem bestimm­ten Punkt in eine neue Qua­li­tät umschlägt. Inzwi­schen hält es sogar die „New York Times“ für gebo­ten, ihren Lesern mit­zu­tei­len, dass „im Land von Goe­the, Schil­ler und Tho­mas Mann Deng­lisch auf dem Vor­marsch ist“. Unter den 100 meist­ver­wen­de­ten Wör­tern in der deut­schen Wer­be­spra­che anno 2004, zitiert das Blatt eine Stu­die der Uni­ver­si­tät Han­no­ver, sei­en 23 eng­li­sche (1980: eines). Die Lon­do­ner „Times“ beschei­nig­te den Deut­schen „sprach­li­che Unterwürfigkeit“.

Dabei han­delt es sich kei­nes­wegs nur um die Ver­wen­dung von eng­li­schen Wör­tern, die eine Sache eben bes­ser oder prä­gnan­ter aus­drü­cken als ein deut­sches Gegen­stück – ob nun Baby, Fair­ness, Under­state­ment oder One-Night-Stand. Viel­mehr sieht man in deut­schen Städ­ten „X‑mas-Shops“ und „Job Cen­ter“, es gibt „Inter­na­tio­nal Food“ und „Out­door-Schu­he“ zu kau­fen, im Fern­se­hen fin­den „Kid­die con­tests“ statt, eine „Fahr­schul-Soap“ heißt „You Dri­ve Me Cra­zy“, die Nach­rich­ten nen­nen sich „News“ oder „News­ti­me“, die „Super Nan­ny“ hilft wenig tele­ge­nen Pro­blem­fa­mi­li­en, denen in Sachen Tele­ge­ni­tät bei „S.O.S. Style & Home“ gehol­fen wer­den könn­te. Die Bahn hat „Ticket Coun­ter“ instal­liert, die Nacht­zü­ge fir­mie­ren als „City­Night­Li­ne“; Fir­men suchen via Stel­len­an­zei­ge „Inter­nal Audit Mana­ger“ oder „Head Qua­li­ty Assu­rance“, und sogar einer gewis­sen Spar­te von Möch­te­gern-Rein­heits­deut­schen fällt nichts Düm­me­res ein, als sich Skin­heads zu nennen.

Auch die­ses Phä­no­men ist nicht wirk­lich neu. Im 17. und 18. Jahr­hun­dert ver­dräng­te modi­sches Fran­zö­sisch an den deut­schen Höfen das hei­mi­sche Idi­om; Fried­rich der Gro­ße etwa kor­re­spon­dier­te mit dem Phi­lo­so­phen Vol­taire aus­schließ­lich in des­sen Spra­che. Fran­zö­si­sche Begrif­fe blie­ben lan­ge im Deut­schen eta­bliert. Das „wort mai­tre­ße, zu deutsch h‑e, ist halt gar zu schön!“, ver­trau­te Mozart brief­lich sei­nem Vater („mon tres cher Pare“) an. Von Schil­ler wird berich­tet, der Dich­ter habe im Gespräch oft zu einem fran­zö­si­schen Wort Zuflucht neh­men müs­sen, wenn das deut­sche ausblieb.

Neu wie­der­um sind zwei Aspek­te. Ers­tens: Sei­ner­zeit blieb der Fremd­spra­chen­ge­brauch vor­wie­gend auf die Ober­schicht beschränkt, und nur ein­zel­ne Wör­ter flos­sen von den obe­ren sozia­len Niveaus nach unten, das heißt, die Aneig­nung erfolg­te durch die bes­se­ren Spre­cher. Heu­te kom­men die eng­li­schen Wör­ter gewis­ser­ma­ßen von allen Sei­ten, aus der Wer­bung, den Medi­en, der Pop­welt, der Jugend­spra­che, der Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on und so fort. Zwei­tens: Die­ser Zustrom wird einst­wei­len nicht enden, weil fast alle neu­en Tech­ni­ken und Trends im angel­säch­si­schen Sprach­raum entstehen.

Der Magen der Spra­che: Als Goe­the notier­te, die „Gewalt einer Spra­che“ bestün­de nicht dar­in, „daß sie das Frem­de abweist, son­dern daß sie es ver­schlingt“, ver­trau­te er dar­auf, dass eine soli­de Ver­dau­ung schon mit die­ser Auf­ga­be zurecht­kom­me. Bekannt­lich ist das Deut­sche reich an frem­den Wort­stäm­men, und es hat ihm lan­ge nicht gescha­det. Aller­dings hat auch der bes­te Magen sei­ne Kapa­zi­täts­gren­zen. Wird das Ver­daungs­sys­tem noto­risch über­las­tet, beginnt der Sprach­kör­per zu ver­fet­ten und womög­lich krank zu werden.

„Die Gefahr einer Über­frem­dung des deut­schen All­ge­mein­wort­schat­zes besteht nicht“, meint indes die Mann­hei­mer Lin­gu­is­tin Gise­la Zifonun, denn: „Angli­zis­men wer­den im All­ge­mei­nen gram­ma­tisch inte­griert.“ Wort­bil­dun­gen wie Com­pu­te­ri­sie­rung, faxen, hip-hop­pen, fla­shig (neu­er­dings sogar: fun­sounden) schei­nen sie zu bestä­ti­gen – aber sind die­se Wör­ter tat­säch­lich auf­ge­nom­men? Das Deut­sche habe „die Kraft der Anver­wand­lung“ heu­te „weit­ge­hend ver­lo­ren“, wider­spricht der „Zeit“-Autor Die­ter E. Zim­mer, als Über­set­zer des Dich­ters Vla­di­mir Nabo­kov (aus dem Eng­li­schen) mit sti­lis­ti­schen Acht­tau­sen­der­be­stei­gun­gen ver­traut. Es kos­te Über­win­dung, so Zim­mer, „erst­mals hitsch­hei­ken oder Kamm­beck zu schrei­ben“, doch „nach der Schreck­se­kun­de wäre es wohl bald so selbst­ver­ständ­lich wie heu­te die Depe­sche oder der Schock“.

Über­dies ergreift das Angel­säch­si­sche lang­sam auch Berei­che der Gram­ma­tik; nicht nur For­mu­lie­run­gen wie „Sinn machen“ oder „Ich rufe dich zurück“ sind dem Eng­li­schen ent­nom­men, auch das all­mäh­li­che Ver­schwin­den des Kopp­lungs-Bin­de­strichs oder die spar­sa­me Kom­ma­do­sie­rung der neu­en Recht­schrei­bung ori­en­tie­ren sich am über­see­ischen Vorbild.

1983, in einem Vor­trag zur Zukunft des Deut­schen, hielt der Münch­ner Sprach­wis­sen­schaft­ler Harald Wein­rich die Gefahr der Angli­sie­rung „nicht für so bedroh­lich“. Heu­te sieht er es anders. In den Chef­eta­gen von Wirt­schaft, Kul­tur und Wis­sen­schaft wer­de „immer sorg­lo­ser mit der deut­schen Spra­che umge­gan­gen“, kri­ti­siert der Roma­nist. „Dass Roll­schuh­fah­rer Ska­ter hei­ßen“, so Wein­rich, stö­re ihn nicht – „aber mich stört zum Bei­spiel die skan­da­lö­se Umbe­nen­nung von Insti­tut in Depart­ment oder dass es jetzt die Abschlüs­se Bache­lor und Mas­ter gibt in der Annah­me, dass wir dadurch im Aus­land bes­ser ange­se­hen wären. Das Gegen­teil ist der Fall.“

Die umstrit­te­ne Recht­schreib­re­form mit all ihren Nach­bes­se­run­gen und Sowohl-als-auch-Rege­lun­gen war der Sprach­kul­tur bis­lang auch nicht eben dien­lich. Spe­zi­ell die Groß- und Getrennt­schrei­bungs­re­geln haben dem geschrie­be­nen Deutsch ästhe­tisch-gram­ma­ti­ka­li­sche Miss­ge­bur­ten beschert wie etwa „sehr Zeit rau­bend“ oder „eine Hand voll Frau­en“ (selbst King-Kong hat­te an einer genug). „Der Nobel­preis für Gün­ter Grass war wohl ver­dient“, stand in der „Süd­deut­schen Zei­tung“ zu lesen (der Kri­ti­ker Joa­chim Kai­ser hat­te gemeint: wohl­ver­dient); in einem Geschichts­buch des Cor­nel­sen Ver­lags erfah­ren die Schü­ler, dass sich Men­schen­af­fen und Men­schen­vor­fah­ren „aus­ein­an­der ent­wi­ckelt“ hät­ten (tat­säch­lich haben sie sich aus­ein­an­der­ent­wi­ckelt). Inzwi­schen sind die meis­ten Zusam­men­schrei­bun­gen aller­dings wie­der zulässig.

Für die poe­sie­fer­ne Wirt­schaft sind das wohl nur Peti­tes­sen. Unter­neh­men wie Sie­mens oder die Deut­sche Bank haben Eng­lisch zur ver­bind­li­chen inter­nen Kon­ver­sa­ti­ons­mund­art erho­ben. Wirk­lich gefähr­lich eng wird es für die Spra­che des eins­ti­gen Dich­ter-und-Den­ker-Vol­kes aber woan­ders, näm­lich in der Wis­sen­schaft. Dort begann die kur­ze Kar­rie­re des Deut­schen erst mit der Auf­klä­rung, und sie dürf­te auch schon wie­der pas­sé sein. Ob Mathe­ma­tik, Medi­zin, Öko­no­mie, Psy­cho­lo­gie oder Kul­tur­ge­schich­te, die inter­na­tio­na­le For­schung nähert sich der kom­plet­ten Angli­fi­zie­rung. Eng­lisch­spra­chi­ge Fach­pu­bli­ka­tio­nen kom­men welt­weit auf einen Anteil von über 90 Pro­zent, gera­de ein Hun­derts­tel erscheint noch auf Deutsch. Wer sich nicht eng­lisch arti­ku­liert, wird von der „sci­en­ti­fic com­mu­ni­ty“ auch nicht mehr wahrgenommen.

Waren bis zum Zwei­ten Welt­krieg Deutsch­kennt­nis­se in vie­len Dis­zi­pli­nen unver­zicht­bar, so ist die Spra­che von 63 Chemie‑, Phy­sik- und Medi­zin-Nobel­preis­trä­gern (plus neun Öster­rei­cher und elf Schwei­zer) inzwi­schen zum Wis­sen­schafts­dia­lekt geschrumpft. Wich­ti­ge Sym­po­si­en hier­zu­lan­de sind längst zwei­spra­chig, wenn nicht aus­schließ­lich anglo­phon. Die natur­wis­sen­schaft­li­che Spar­te der deut­schen Ver­la­ge Sprin­ger und de Gruy­ter ist über­wie­gend mit eng­li­schen Titeln besetzt; in immer mehr hie­si­gen Fach­zeit­schrif­ten sind deutsch geschrie­be­ne Bei­trä­ge in der Min­der­heit; „gen­der stu­dies“ oder „cul­tu­ral stu­dies“ prä­gen die Debat­ten in den Geis­tes­wis­sen­schaf­ten, Par­don: den „huma­ni­ties“; immer mehr Hoch­schul­in­sti­tu­te zwi­schen Ros­tock und Frei­burg tau­fen ihren Lehr­kör­per in „staff“ um. Fol­ge­rich­tig ist Eng­lisch an deut­schen Unis nicht die ers­te Fremd‑, son­dern die zwei­te Unter­richts­spra­che. Allein die TU Mün­chen bie­tet neun rein anglo­pho­ne Stu­di­en­gän­ge an.

Kein Wun­der, dass auch das For­schungs­mi­nis­te­ri­um sei­ne Ver­laut­ba­run­gen in bes­tem Glo­ba­le­sisch abfasst, etwa: „Der natio­na­le Back­bone des DFN ist das Giga­bit-Wis­sen­schafts­netz G‑WiN.“ Haus­her­rin Edel­gard Bul­mahn warb ver­gan­ge­nes Jahr mit einer Akti­on namens „Brain-up“ für hie­si­ge Spitzenunis.

Nur sel­ten hat das von aus­län­di­schen Gelehr­ten bemüh­te Eng­lisch die Geschmei­dig­keit und Vir­tuo­si­tät einer Mut­ter­spra­che. Viel­mehr gras­siert eine Pidgin-Spra­che, das so genann­te „bad simp­le Eng­lish“, von Scherz­kek­sen BSE abge­kürzt. Ein­fa­che Wör­ter mögen zwar rund um den Glo­bus ver­ständ­lich sein, ein dif­fe­ren­zier­tes und begriff­lich prä­gnan­tes Den­ken, von dem wis­sen­schaft­li­cher Fort­schritt bekannt­lich zehrt, beför­dern sie nicht unbedingt.

Ein­spra­chig­keit bedeu­tet immer auch Ein­di­men­sio­na­li­tät, tre­mo­liert des­halb der Prä­si­dent der Darm­städ­ter Aka­de­mie für Spra­che und Dich­tung, Klaus Rei­chert, und erin­nert dar­an, dass sich Denk­sti­le „nicht ohne Ver­lus­te und Ver­fäl­schun­gen in eine ande­re Spra­che über­tra­gen las­sen“. Wol­le man auch künf­tig noch mit Hegel oder Heid­eg­ger phi­lo­so­phie­ren und sich ihres Wort­reich­tums bedie­nen, so gin­ge das halt „nur auf Deutsch“.

Oder eben gar nicht. Die Sprach­ent­wick­lung, so das melan­cho­li­sche Sze­na­rio eini­ger Kul­tur­pes­si­mis­ten, habe eine Rich­tung ein­ge­schla­gen, die den Fort­be­stand etli­cher Idio­me in ganz Euro­pa gefähr­de. Falls sich der Trend zur „tri­vi­al­kul­tu­rel­len Ver­ein­heit­li­chung“ fort­set­ze, unkt etwa Ger­hard Sti­ckel, Ex-Prä­si­dent des Insti­tuts für deut­sche Spra­che in Mann­heim, kön­ne es sein, dass in zwei oder drei Gene­ra­tio­nen „Deutsch nur noch beim Skat“ gespro­chen werde.

Nur ein von unbeug­sa­men Sprach­pu­ris­ten bevöl­ker­tes Land hört nicht auf, dem Ansturm von Fremd­wör­tern zu trot­zen. Das repu­bli­ka­ni­sche Frank­reich von heu­te nimmt den Schutz sei­ner Mut­ter­spra­che genau­so ernst wie wei­land das mon­ar­chis­ti­sche. Seit ihrer Grün­dung 1635 wacht die Aca­dé­mie fran­çai­se akri­bisch über Wort­schatz und Gram­ma­tik. 1992 wur­de der Sprach­schutz, gleich­sam als Ant­wort auf die Glo­ba­li­sie­rung, zum Ver­fas­sungs­ziel erho­ben. Der jähr­li­che Rap­port des Kabi­netts zur Lage der Fran­ko­pho­nie gleicht einem Hoch­amt für die Spra­che Raci­n­es und Flau­berts. Die vor elf Jah­ren in Kraft getre­te­ne „Loi Tou­bon“ ver­bie­tet im öffent­li­chen Raum alle Angli­zis­men, für die es einen adäqua­ten fran­zö­si­schen Begriff gibt. Eine Geld­stra­fe ris­kiert folg­lich, wer zu einem „bala­deur“ Walk­man sagt oder einen „ordi­na­teur“ Com­pu­ter schimpft. Solch von oben ver­ord­ne­ten Sprach­schutz hält der Ber­li­ner Roma­nis­tik­pro­fes­sor Jür­gen Tra­bant für „durch­aus bedenkenswert“.

Der Extrem­fall sähe hier­zu­lan­de näm­lich – theo­re­tisch – so aus: Schritt für Schritt und immer schnel­ler drin­gen immer mehr eng­li­sche Voka­beln ein und erset­zen schließ­lich ihre deut­schen Ent­spre­chun­gen, bis die gesam­te Nati­on eines Tages erwacht und nur noch Eng­lisch spricht. Die Fra­ge wäre bloß: Was für ein Eng­lisch? Ein Angel­sach­se wür­de es ver­mut­lich nicht ver­ste­hen, und ob sich ein Deut­scher damit dif­fe­ren­ziert aus­zu­drü­cken wüss­te, steht dahin.

Bleibt am Ende wirk­lich nur die Wahl zwi­schen dem Pro­vin­zia­lis­mus der Anbie­de­rung und jenem der Abschot­tung? Natür­lich nicht. Eng­lisch hat sich als Welt­spra­che durch­ge­setzt, dar­an ist nicht zu rüt­teln; es ist das ein­zi­ge Idi­om, in wel­chem sich zum Bei­spiel ein Chi­ne­se mit einem Nor­we­ger ver­stän­di­gen kann, und das ist ja nichts Schlech­tes. Man kann als Deut­scher zufrie­den sein, dass eine ver­gleichs­wei­se ähn­li­che Spra­che zur Lin­gua fran­ca auf­ge­stie­gen ist, und ihr die Ehre geben, die sie ver­dient – mit einem Wort von Nabo­kov-Über­set­zer Zim­mer: „Vor die­ser Tat­sa­che nicht davon­lau­fen, son­dern ihr mit Gra­zie entgegengehen.“

Seit Jah­ren plä­die­ren Lin­gu­is­ten wie der Münch­ner Pro­fes­sor Kon­rad Ehlich für eine „sub­stan­zi­el­le Zwei­spra­chig­keit“. Das bedeu­tet, bei­de Spra­chen zu beherr­schen, aber jede für sich zu spre­chen – je nach Anlass und mit etwas mehr Selbst­be­wusst­sein. Und das bedeu­tet wie­der­um, sich nicht nur vom Pidgin-Eng­lisch zu ver­ab­schie­den, son­dern auch vom Pidgin-Deutsch.

 

Erschie­nen in: Focus 11/2005, S. 62 – 66

 

Zum Arti­kel gehör­ten Rand­spal­ten, die ich kei­nes­wegs unter­schla­gen will, nämlich: 

 

Es geht doch!

Nach­hal­tig wirk­sa­me Fremd­wort-Ein­deut­scher waren u.a.:

Georg Phil­ipp Hars­dörf­fer (1607–58), Schrift­stel­ler: Aufzug (für: Akt), beob­ach­ten (obser­vie­ren), Brief­wech­sel (Kor­re­spon­denz), Fern­glas (Tele­skop)

Phil­ipp von Zesen (1619–89), Schrift­stel­ler: Büche­rei (Biblio­thek), Gesichts­kreis (Pan­ora­ma), Schau­büh­ne (Thea­ter), Anschrift (Adres­se), Augen­blick (Moment), Voll­macht (Ple­ni­po­tenz), Got­tes­haus (Tem­pel), Nach­ruf (Nekro­log), Grund­stein (Fun­da­ment)

Joa­chim Hein­rich Cam­pe (1746–1818), Ver­le­ger: tat­säch­lich (fak­tisch), alter­tüm­lich (antik), Erd­ge­schoss (Par­terre), Vor­aus­sa­ge (Pro­phe­zei­ung), her­kömm­lich (kon­ven­tio­nell), Hoch­schu­le (Uni­ver­si­tät), Wust (Cha­os), Fein­ge­fühl (Takt), Streit­ge­spräch (Debat­te), Ess­lust (Appe­tit), Zerr­bild (Kari­ka­tur), Farb­ge­bung (Kolo­rit), Bitt­stel­ler (Sup­pli­kant), Stell­dich­ein (Ren­dez­vous), Zart­ge­fühl (Deli­ka­tes­se), Rand­be­mer­kung (Glos­se), Min­der­heit (Mino­ri­tät)

Hein­rich v. Ste­phan (1831–97), Post­meis­ter: Umschlag (Kuvert), Fahr­schein (Bil­let), Ein­schrei­ben (Recom­man­dée)

Anonym (Aus­wahl): Zufall (Akzi­denz), Gewis­sens­biss (con­sci­en­tiae mor­sus), Jahr­hun­dert (sae­cu­lum), Geschmack (Gus­to), Emp­find­sam­keit (Sen­ti­ment), Heiß­sporn (hot­spur), Tor­wart (goal­kee­per), Rück­hand (back­hand), Wech­sel­wäh­ler (floa­ting voter), Hin­ter­bänk­ler (back-ben­cher), Urknall (big bang), Luft­kis­sen­fahr­zeug (hover­craft), Marsch­flug­kör­per (crui­se mis­sile), nach­hal­tig (sus­tainable); übri­gens auch: Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger (con­cen­tra­ti­on camp)

Assi­mi­lier­te Fremd­wör­ter (klei­ne Aus­wahl): Mau­er (murus), Fens­ter (fenes­tra), Dok­tor (doce­re), Kel­ler (cel­la­ri­um), Tole­ranz (tole­r­a­re), Pfei­ler (pila), Aspekt (aspec­tus); Büro (bureau), Menü (menu), Möbel (meub­le), Kas­ka­de (cas­ca­de); Keks (cake), Schock (choc), Streik (strike), mit­un­ter auch schon: kuhl (cool)

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