Burka-Verbot auch bei uns!

Das Haupt­si­gnal, wel­ches von einer Bur­ka aus­geht, lau­tet Des­in­te­gra­ti­on. Es ist völ­lig ange­mes­sen, die Total­ver­schleie­rung in Euro­pa zu ver­bie­ten

Im Grun­de ist die Sache recht ein­fach: Wer in ein frem­des Land ein­wan­dert, zudem eines mit deut­lich ande­ren kul­tu­rel­len Gepflo­gen­hei­ten, muss kei­nes­wegs sei­ne eige­nen auf­ge­ben, soll­te sich denen sei­ner neu­en Hei­mat aber nicht osten­ta­tiv ent­ge­gen­stel­len. Eine Euro­päe­rin, die nach Islam­abad, Tehe­ran oder Dubai umzieht, kann dort weder bauch­frei durch die Stra­ßen fla­nie­ren noch im Biki­ni baden gehen. Eine Mus­li­ma, die in den Wes­ten über­sie­delt, soll­te außer­halb der Kar­ne­vals­sai­son nicht voll­ver­schlei­ert wie ein Gespenst und Kin­der­schreck in der Öffent­lich­keit auftauchen.

Mit Reli­gi­on hat das weni­ger zu tun als mit Umgangs­for­men und All­tags­äs­the­tik. Eine unter einem schwar­zen Sack mit Seh­schlit­zen ver­bor­ge­ne Frau ist nach west­li­chen Maß­stä­ben irri­tie­rend bis zum Anstö­ßi­gen wie umge­kehrt ein from­mer Mus­lim in Paki­stan oder Sau­di-Ara­bi­en an einer spär­lich beklei­de­ten Frau erheb­li­chen Anstoß nimmt. So lie­gen die Din­ge, und so hat der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te ent­schie­den, als er das fran­zö­si­sche Bur­ka-Ver­bot für rech­tens erklär­te. Alle west­li­chen Län­der soll­ten die­sem Urteil folgen.

Aber war­um eigent­lich? Sind nicht auch cir­ca 49 Pro­zent aller weib­li­chen Arsch­ge­weih- und String-Vor­zei­ge­rin­nen im öffent­li­chen Raum ästhe­tisch anstö­ßig und unap­pe­tit­lich, des­glei­chen zahl­rei­che Teil­neh­mer des Chris­to­pher Street Day oder all die Kurz­be­hos­ten und Unter­hemd­trä­ger auf deut­schen Stra­ßen? Das darf man getrost so sehen. Die west­li­che All­tags­kla­mot­ten­kul­tur ist von Abscheu­lich­kei­ten durch­setzt. Von vie­len Euro­pä­ern sähe man an öffent­li­chen Plät­zen gern deut­lich weni­ger Haut (und jene der meis­ten Femen gern ohne Auf­schrift). Aber eines ist auch unter den geschmack­lich ver­dreh­tes­ten Euro­pä­ern tabu: dass man sein Gesicht dau­er­haft ver­hüllt. Die Straß­bur­ger Rich­ter beton­ten in ihrer Urteils­be­grün­dung, dass Frau­en in Frank­reich in der Öffent­lich­keit ja reli­giö­se Klei­der tra­gen dürf­ten, solan­ge das Ant­litz sicht­bar sei; die Voll­ver­schleie­rung indes scha­de dem gesell­schaft­li­chen Zusam­men­le­ben, weil das Gesicht bei der Inter­ak­ti­on zwi­schen Men­schen die Haupt­rol­le spiele.

Bur­ka, Nikab und Tscha­dor sind vor allem Des­in­te­gra­ti­ons­sym­bo­le. Im Stadt­bild fun­gie­ren sie als eine Art opti­sche Land­nah­me. Über­deut­lich mar­kie­ren sie ihre Trä­ge­rin­nen als Nicht­mit­glie­der der Gesell­schaft. „Sind wir“, frag­te die fran­zö­si­sche Phi­lo­so­phin Éli­sa­beth Bad­in­ter in einem offe­nen Brief die Bur­ka-Trä­ge­rin­nen, „in Ihren Augen so ver­ach­tens­wert und unrein, dass Sie jeden Kon­takt, jede Bezie­hung mit uns ver­wei­gern, bis hin zu einem klei­nen Lächeln?“

Was, wird man hin­zu­set­zen dür­fen, wol­len Sie dann hier? Wäre es nicht bes­ser, Sie gin­gen dort­hin, wo Ihnen hin­rei­chend vie­le ande­re Voll­ver­schlei­er­te das schö­ne Gefühl stum­mer Zuge­hö­rig­keit ver­schaf­fen? Was für eine Men­ta­li­tät steckt hin­ter die­ser abson­der­li­chen Anma­ßung, einem Land und sei­nen Men­schen der­ma­ßen deut­lich sei­ne Ableh­nung, ja Miss­ach­tung zu prä­sen­tie­ren und den­noch dort leben zu wollen?

Aller­dings wer­den die Euro­pä­er in Euro­pa in abseh­ba­rer Zeit eine Min­der­heit bil­den, und man darf sicher sein, dass hin­ter dem einen oder ande­ren Seh­schlitz, ins­be­son­de­re aber in den Köp­fen vie­ler Bur­ka-Trä­ge­rin­nen-Besit­zer, genau die­ser Gedan­ke vor­herrscht: Wir wer­den immer mehr. Ein Ver­bot ist also allein des­we­gen sinn­voll, weil es ungleich schwe­rer sein wird, eine Frau zurück unter die Bur­ka zu beor­dern, als ihr gar nicht erst zu gestat­ten, sich ohne Pla­ne in die Öffent­lich­keit zu wagen.

Und die­je­ni­gen unter unse­ren links­grü­nen Pla­ge­geis­tern, die jetzt von der Ver­let­zung der Reli­gi­ons­frei­heit schal­mei­en, mögen doch bit­te eins beden­ken: Wie soll­te eine Bur­ka-Trä­ge­rin jemals „Gesicht zei­gen gegen rechts“?

Erschie­nen in: Focus 28/2014

Vorheriger Beitrag

Bach: Das wohltemperierte Klavier

Nächster Beitrag

Mozart: Requiem

Ebenfalls lesenswert

Dem Wein wird’s warm

Der Kli­ma­wan­del beschert deut­schen Win­zern zwar mehr Arbeit, aber auch beein­dru­cken­de Resul­ta­te im Glas. Eine tra­di­ti­ons­rei­che fran­zö­si­sche Reb­sor­te…

Grazien auf Beton

Kali­nin­grad ist weder eine Stadt für Femi­nis­ten noch für Preu­ßen-Nost­al­gi­ker. Viel­leicht heißt sie aber bald wie­der Königs­berg