Georg Friedrich Händel: Klaviersuiten

Obwohl sie zur gro­ßen Musik zäh­len, sind die Kla­vier­sui­ten Hän­dels eher unbe­kannt geblie­ben. Ledig­lich die fata­lis­ti­sche Sara­ban­de aus der drit­ten d‑Moll-Suite – Stan­ley Kubrick wähl­te sie, aller­dings in der Orches­ter­ver­si­on, als Abspann­mu­sik zu sei­nem Film „Bar­ry Lyn­don“ – und die Pas­sa­cail­le aus der g‑Moll-Suite HWV 432 ertö­nen regel­mä­ßig auf dem Pia­no­for­te, frei­lich als Schü­ler­stü­cke, das erst­ge­nann­te für Anfän­ger, das zwei­te für Fort­ge­schrit­te­ne. In den Pro­gram­men der Pia­nis­ten fin­det sich der Meis­ter des Ora­to­ri­ums und Opern­ab­spu­ler sui gene­ris indes so gut wie nie. Fra­gen Sie mich nicht, warum.

Hän­dels Kla­vier­mu­sik ist ein­gän­gig und von per­len­der Schön­heit, neu­deutsch: unter­kom­plex. Alt­deutsch wie­der­um wür­de man sie dies­sei­tig nen­nen. Bei allem ihr inne­woh­nen­den Ernst han­delt es sich um Kom­po­si­tio­nen eines Men­schen, der genie­ße­risch auf die­ser Welt weilt. Zu Hän­dels bevor­zug­ten For­men gehö­ren die Fuge und die Varia­ti­on. Sei­ne Fugen sind kunst­voll gear­bei­tet, aber ver­spielt und weni­ger streng als jene Bachs. Den Varia­tio­nen wie­der­um eig­net oft etwas Rausch­haf­tes, Über­bor­den­des, Durch­gän­ge­ri­sches, etwa der glanz­vol­len G‑Dur-Cha­conne mit ihren 21 Ver­än­de­run­gen. For­mell bedient sich Hän­del der Suite, doch spie­len die Tän­ze bei ihm nicht mehr die alles beherr­schen­de Rol­le, man­che Tei­le tra­gen nur Satz­be­zeich­nun­gen als Titel. Im Sub­jek­tiv­wer­den ein­zel­ner Sät­ze, deren Zahl übri­gens will­kür­lich schwankt, kün­digt sich die Sona­ten­form an. 

Neh­men wir als Bei­spiel die Suite in fis-Moll. Sie hebt an mit einem vier­stim­mi­gen gra­vi­tä­ti­schen Prä­lu­di­um; ein anschlie­ßen­des Lar­go, auf punk­tier­ten Rhyth­men sich schlep­pend, ver­tieft den Ernst; als kom­po­si­to­ri­scher Kern der Suite folgt eine gewich­ti­ge Fuge (Alle­gro), die zwar das Tem­po for­ciert, doch die erns­te Grund­stim­mung fort­führt und in drei fei­er­li­chen Akkor­den aus­klingt. Den Abschluss bil­det ein Tanz, eine Gigue, mit wel­cher die düs­te­re Atmo­sphä­re spie­le­risch auf­ge­löst wird. Die­se Durch­mes­sung eines veri­ta­blen Gefühls­kos­mos dau­ert gan­ze elf Minuten.

Die Pia­nis­tin Rag­na Schirm­er hat dan­kens­wer­ter­wei­se die­ses ver­ges­se­ne Kla­vier­werk als Gesamt­auf­nah­me ein­ge­spielt. Ihr erle­se­nes Spiel wärm­te eine Woche lang mein Herz.

Georg Fried­rich Hän­del: Die Kla­vier­sui­ten. Rag­na Schirm­er (3 CDs, Ber­lin Classics)

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