21. November 2023

„‚Libe­ra­li­sie­rung des Islam’, spot­te­te Naph­ta. ‚Vor­züg­lich. Der auf­ge­klär­te Fana­tis­mus, – sehr gut.’ ”
„Der Zau­ber­berg”, Kapi­tel „Noch jemand”

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Ich erlau­be mir, vor­zu­stel­len: Toxi­sche Männ­lich­keit, das ist der Achim. Er hat irgend­was mit Natur­wis­sen­schaf­ten oder Tech­nik stu­diert und glaubt nun, er sei etwas Bes­se­res als zum Bei­spiel eine Sozi­al­psy­cho­lo­gin. Er war sau­er, dass er einen Job nicht bekam, weil ihm eine Bewer­be­rin, die er für weni­ger qua­li­fi­ziert als sich selbst hielt, wegen ihrer weib­li­chen Kom­pe­ten­zen vor­ge­zo­gen wur­de. In der Kan­ti­ne lächelt er die Kat­rin immer lüs­tern an und macht ihr sexis­ti­sche Kom­pli­men­te über ihr Äuße­res. Er träumt davon, ihr oben­drein zwei Kin­der zu machen, um sich zum Patri­ar­chen zu erhö­hen und sie zur Mut­ter und Haus­frau zu ernied­ri­gen, weiß aller­dings nicht, ob er sich das bei der Steu­er­be­las­tung und den Ener­gie­kos­ten über­haupt leis­ten könnte.

Ver­träg­li­che, unse­re Kul­tur berei­chern­de Männ­lich­keit, das ist der Ach­med. Er hat nichts stu­diert, aber gele­gent­lich im Hei­li­gen Koran gele­sen und weiß nun, er ist etwas Bes­se­res. Er kam mit sei­nen zwei Frau­en und sechs Kin­dern aus Syri­en nach Deutsch­land und bezieht seit­her Sozi­al­hil­fe von Allah, gehört also zu jenen spe­zi­ell von Frau Göring-Eckardt gebrauch­ten Ein­wan­de­rern, „die sich in unse­ren Sozi­al­sys­te­men wohl­füh­len”. Ach­med behan­delt sei­ne Frau­en gut, sofern sie parie­ren; sie dür­fen auch – ein­zeln, in sei­ner Beglei­tung und züch­tig bedeckt – das Haus ver­las­sen. Er träumt davon, ihnen noch wei­te­re sechs Kin­der zu machen, die eben­falls von Allah bzw. Achim bezahlt und von Frau Göring-Eckardt gebraucht werden.

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Deut­scher Spätherbst.

Nach den pro­pa­läs­ti­nen­sisch-isla­mi­schen Auf­mär­schen Frie­dens­de­mons­tra­tio­nen in meh­re­ren deut­schen Großstädten …

… lie­fer­te das Aus­wärts­spiel der deut­schen Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft gegen die Tür­kei im Ber­li­ner Olym­pia­sta­di­on dem Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz und sei­ner Dienst­her­rin Nan­ny F. den nächs­ten Anlass, ent­schie­den gegen die Ver­brei­ter der rechts­extre­mis­ti­schen Ver­schwö­rungs­theo­rie vom „Gro­ßen Aus­tausch” bzw. der „Umvol­kung” vorzugehen.

Die Frau, die dem grü­nen Freund­schafts­spiel­gast die­se Fra­ge stellt, ist des­sen Sitz­nach­ba­rin im Ber­li­ner Olym­pia­sta­di­on: „Die Dame hat zwei türkische Fah­nen. Mit der einen wedelt sie in der Hand, die ande­re hat sie über ihr Kopf­tuch geklemmt.”

Gevat­ter Mack, ein ehe­ma­li­ger hes­si­scher Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter der Guten & Edlen, der inzwi­schen für Mer­ce­des lob­by­iert, die belieb­tes­te deut­sche Auto­mar­ke im ara­bi­schen Raum by the way, ver­steht die Fra­ge nicht. Fin­giert er zumin­dest. Denn: „Es gibt kei­nen Grund, sich für unse­re Staats­sym­bo­le zu schä­men. (…) Die frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung soll sicht­bar sein über Sym­bo­le, und sie soll von der Poli­zei und Jus­tiz durch­ge­setzt wer­den.” Bes­ser als mit der Aus­sa­ge, „dass sich Glück nur dann ent­fal­ten kann, wenn Einig­keit und Recht und Frei­heit garan­tiert sind”, kön­ne man „den Rah­men nicht beschrei­ben, den wir für Inte­gra­ti­on wie Rechts­staat­lich­keit brauchen”.

Ob er die­se Wor­te nur für sei­nen Kom­men­tar geschrie­ben oder auch im Sta­di­on den Tür­ken gepre­digt hat, bleibt offen.

Bekannt­lich ist die deut­sche Natio­nal-, nein: Die Mann­schaft im Olym­pia­sta­di­on vom tür­ki­schen Publi­kum aus­ge­pfif­fen wor­den, als fän­de die Par­tie in Istan­bul statt und nicht in Klein-Istan­bul. Auch der deut­sche Spiel­ma­cher Ilkay Gündogan (einer mei­ner Lieb­lings­ki­cker übri­gens, die nahe­zu per­fek­te Kom­bi­na­ti­on aus Spiel­in­tel­li­genz und Pres­sing­re­sis­tenz) wur­de mit einem soge­nann­ten Pfeif­kon­zert emp­fan­gen, weil er für die fal­sche Mann­schaft – also für die fal­sche Nati­on – auf­lief und des­halb vom pfei­fen­den Teil des Publi­kums als Ver­rä­ter bzw., Ein­schub für Robert den Drei­ta­ge­bär­ti­gen, als Vater­lands­ver­rä­ter betrach­tet wird. Die meis­ten in Deutsch­land leben­den Tür­ken hal­ten eben die Tür­kei nach wie vor für ihre Hei­mat (Heymat), und über 60 Pro­zent von ihnen – genau­er: der Wahl­be­rech­tig­ten unter ihnen – stim­men für Erdoğan. Wir erin­nern uns: Für Recep den Präch­ti­gen haben auf sym­bo­li­scher Ebe­ne auch die bei­den deut­schen Natio­nal­spie­ler Mesut Özil und eben Gün­doğan votiert, als sie vor der Welt­meis­ter­schaft 2018 den tür­ki­schen Staats­prä­si­den­ten in Lon­don tra­fen, ihm Tri­kots ihrer Ver­ei­ne FC Arse­nal und Man­ches­ter City über­reich­ten und sich dabei medi­en­wirk­sam ablich­ten lie­ßen. Auf Gün­doğans Tri­kot stand: ‚Mit Respekt für mei­nen Prä­si­den­ten.’ Bün­di­ger hät­te nie­mand den gan­zen deut­schen Inte­gra­ti­ons­klim­bim zer­le­gen kön­nen. Wir sind Tür­ken, taten die bei­den Kicker kund, obwohl wir einen deut­schen Pass haben und für die deut­sche Natio­nal­mann­schaft spielen.

Özil spielt inzwi­schen nicht mehr, er hat sei­ne andym­öl­ler­haf­te Sen­si­bel­chen­kar­rie­re mit aller­lei Dis­kri­mi­nie­rungs­knatsch und Ras­sis­mus­nach­tre­te­rei been­det – die deut­schen Fans hat­ten aber kein Pro­blem mit ihm, weil er ein Tür­ke, son­dern weil er eine Mimo­se war –, wes­halb ihm sei­ne Lands­leu­te nach­träg­lich das kar­rie­re­dien­li­che Tra­gen des fal­schen Tri­kots ver­zie­hen haben. Nicht so bei Gün­doğan. „Er ist ein Opfer. Er war mal so wie Mesut Özil, für Herrn Erdo­gan. Wir has­sen ihn alle. Er ist kei­ner mehr von uns”, erklär­te die bekopf­tuch­te Sitz­nach­ba­rin dem Welt-Gast­au­tor.

Ich zitie­re den gesam­ten Schluss­teil des Arti­kels (er steht hin­ter der Bezahl­schran­ke): „Es ist die Fol­ge jahr­zehn­te­lan­ger deut­scher Nai­vi­tät – vor allem im Umgang mit Reli­gi­ons­ver­tre­tun­gen, die Hun­der­te Ima­me in deut­schen Moscheen stel­len und der türkischen Reli­gi­ons­be­hör­de unter­stellt sind. Die Ditib ist eine Orga­ni­sa­ti­on, die anti­se­mi­ti­sche Nar­ra­ti­ve ver­brei­tet und einem Tali­ban-Funk­tio­när einen Auf­tritt in einer Moschee ermög­lich­te. Wie lan­ge wol­len wir noch dabei zuschau­en? Wann stop­pen wir die öffent­li­che För­de­rung der rechts­extre­mis­ti­schen Ülkücü-Bewegung? Wann set­zen wir ein Ver­bot der Grau­en Wöl­fe um?

Der Mann in der Rei­he vor mir dreht sich um. Ich sol­le, sagt er, mir Gedan­ken machen, auf wel­cher Sei­te ich ste­he, wenn man bald in der Mehr­heit sei. ‚Mit all den anderen’.

Wir haben in Deutsch­land ein Pro­blem. Nicht nur auf dem Platz.”

Ich hal­te es für naiv zu glau­ben, man müs­se nur ein paar radi­ka­le Orga­ni­sa­tio­nen ver­bie­ten, und schon herr­sche Will­kom­mens­frie­de, Inte­gra­ti­ons­freu­de und Deutsch­wer­dungs­ei­er­ku­chen. Es bedarf über­haupt kei­ner Radi­ka­len, um dem in ’schland sie­deln­den Durch­schnitt­s­tür­ken ein tür­ki­sches Bewusst­sein zu ver­schaf­fen. Der Auf­bruch in die Illu­si­on der „mul­ti­kul­tu­rel­len” Gesell­schaft endet für gewöhn­lich in der Ein­sicht in deren Unmög­lich­keit. „Alles ist nach sei­ner Art, an ihr wirst du nichts ändern” (zum wie­der­hol­ten Male: Wotan, „Sieg­fried”, Zwei­ter Auf­zug, Ers­te Szene).

Es gibt aber auch eine gute Nach­richt: Wenn die Umvol­kung voll­zo­gen ist, lässt die Sta­si die­je­ni­gen in Ruhe, die es behaup­ten. Zumin­dest die­je­ni­gen, die dann die Mehr­heit bilden.

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Wenn alles glatt geht, befin­det sich die Hamas-Zen­tra­le bald in ’schland.

„Bei Sicher­heits­be­hör­den, die beim soge­nann­ten Visa-Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren ein­ge­bun­den sind, besteht die gro­ße Sor­ge, dass unter dem Deck­man­tel des Fami­li­en­nach­zu­ges auch Hamas-Ter­ro­ris­ten nach Deutsch­land gelan­gen könn­ten”, notiert Bild.

Dann sind se halt da.

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Het­zer.

(Quel­le)

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Eine Hoch­be­gab­ten­stif­tung zur Stäh­lung künf­ti­ger Frie­dens­no­bel­preis­trä­ger, genannt Jun­ge Uni­on, hat her­aus­ge­fun­den, wohin die migra­ti­ons­po­li­ti­sche Rei­se zu füh­ren hat.

Es ist eine jener Ideen, die in den soge­nann­ten bes­se­ren Wohn­ge­gen­den gebo­ren wer­den. Mit dem ira­ni­schen Arzt, dem ägp­ti­schen Geschäfts­mann und dem syri­schen Maler lässt es sich im durch­misch­ten Grün­der­zeit­al­t­bau pri­ma leben (sofern man ihre Frau­en in Ruhe lässt). In den Unter­schich­ten läuft Durch­mi­schung fast immer auf Ver­tei­lungs­kon­flik­te und Revier­kämp­fe ent­lang eth­nisch-kul­tu­rel­ler Bruch­li­ni­en hin­aus. Irgend­wer muss die Rol­le des Ome­ga-Tie­res über­neh­men und die Last des Unter­ge­tre­ten­wer­dens tra­gen. Dass in ihr die Kri­mi­na­li­tät gedeiht und das Soli­da­ri­sche ver­dampft, ist gera­de­zu das Mar­ken­zei­chen einer mul­ti­kul­tu­rel­len Gesell­schaft – die Bin­nen­so­li­da­ri­tät in den jewei­li­gen Tri­bes natür­lich ausgenommen.

Des­halb bin ich der Ansicht, dass nicht der Ver­mi­schung, son­dern der Ent­mi­schung die Zukunft gehört. (Außer in der bes­se­ren Gesell­schaft, dort darf sich wei­ter­hin fröh­lich hin­ein­mi­schen, wer zu den exklu­si­ve­ren Zir­keln über­haupt Zutritt erhält.) Wie bei Paa­ren, die es par­tout nicht mit­ein­an­der aus­hal­ten, eine Schei­dung die bes­te Lösung – für bei­de – ist, allein schon, damit nicht der eine den ande­ren irgend­wann im Affekt umbringt, ist auch bei Kol­lek­ti­ven, die es nicht zusam­men aus­hal­ten, weil sie zu ver­schie­de­ne Vor­stel­lun­gen des rich­ti­gen Lebens haben, eine räum­li­che Tren­nung der bes­te und recht eigent­lich der ein­zi­ge Weg. Von mir aus – ich bit­te um Par­don dafür, dass ich mich wie­der­ho­le – kön­nen die Mos­lems NRW, Bre­men und Ber­lin haben. Mau­ern drum, Ber­lin kennt das ja, den Aache­ner Dom abbau­en und nach Mün­chen brin­gen, das auch zwi­schen­zeit­lich die neue Haupt­stadt wird, fer­tig. Ich sage zwi­schen­zeit­lich, weil die Kapi­ta­le der neu­en Süd­uni­on aus Bay­ern, Sach­sen, Öster­reich, Ungarn und mal sehen, wer sich noch anschlie­ßen will, natür­lich Wien hei­ßen muss. Selbst­ver­ständ­lich kann sich jeder Mus­lim auch ent­schei­den, woan­ders zu leben, aber dann eben nach den Sit­ten derer, die es dort schon län­ger tun – sonst halt ab ins Kali­fat NRW. Deal?

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„Ja, sogar die mit­tel­ho­hen Stellen
Sind durch­aus besetzt mit Kriminellen.”
Peter Hacks

Der so redet, ist ein fern­ab der Pro­blem­ge­bie­te leben­der grü­ner Pfaf­fe, kin­der­los, zukunfts­los, zukunfts­in­ter­es­se­los, in sei­ner Selbst­wahr­neh­mung Wirtschaftsexperte.

Schaun wir auf ca. 50.000 Para­de­bei­spie­le unfal­scher Benö­tig­ter aus dem ver­gan­ge­nen Jahr.

Auch die Nutz­men­schen von Rother­ham las­sen schön grüßen:

„Alle nach Deutsch­land Zuge­wan­der­ten wer­den hier benö­tigt” – zumal jedes Jahr an die 200.000 unbe­nö­tig­te Deut­sche aus­wan­dern, denen es „zu bunt” wird in ihrer ehe­ma­li­gen Hei­mat. So spricht ein grü­ner Pfaf­fe, gewiss, und offen­bar mit dem Gemüt eines Metzgerhundes.

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Pro­fes­sor Micha­el Mey­en, 56, lehrt seit 2002 an der Lud­wig-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Mün­chen (LMU). Der gebür­ti­ge Rüge­ner ist ver­be­am­te­ter Lehr­stuhl­in­ha­ber am Insti­tut für Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­ten. In den Coro­na-Jah­ren hat­te er sich mehr­fach kri­tisch über die Maß­nah­men der Regie­rung und die Kon­for­mi­tät der jour­na­lis­ti­schen Bericht­erstat­tung geäu­ßert. An dem vor­lau­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft­ler soll des­halb ein Exem­pel sta­tu­iert werden.

Momen­tan liegt der „Fall“ Mey­en bei der Dis­zi­pli­nar­be­hör­de der Lan­des­an­walt­schaft Bay­ern. Wie er dort­hin kam, dar­über exis­tie­ren Mut­ma­ßun­gen sowie eine Aus­kunft der Lan­des­re­gie­rung. Die Lan­des­an­walt­schaft sei von der Uni­ver­si­tät „über den Ver­dacht auf das Vor­lie­gen eines Dienst­ver­ge­hens infor­miert und um Prü­fung der Ein­lei­tung eines Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens gebe­ten“ wor­den, heißt es in der Ant­wort von Kul­tur­staats­mi­nis­ter Mar­kus Blu­me auf eine Klei­ne Anfra­ge der AfD im Okto­ber. Die Schwe­fel­par­tei woll­te wis­sen, ob es poli­ti­schen Ein­fluss auf die Ein­lei­tung des Ver­fah­rens gege­ben habe. „Das Prä­si­di­um der Uni­ver­si­tät“, heißt es in dem Ant­wort­schrei­ben, habe das Minis­te­ri­um tele­fo­nisch über „die Über­ga­be des Vor­gangs an die Lan­des­an­walt­schaft infor­miert.“ Das soll hei­ßen, die Uni­ver­si­tät sei von selbst tätig gewor­den und nicht auf Anwei­sung „von oben”. Für einen aus der „Ehe­ma­li­gen” Her­ein­ge­schnei­ten ist die­se Behaup­tung wirk­lich komisch.

Alle wei­te­ren Fra­gen der Oppo­si­ti­on wehr­te die Lan­des­re­gie­rung mit der Begrün­dung ab, über lau­fen­de Ver­fah­ren kön­ne kei­ne Aus­kunft erteilt wer­den. Auch die leicht zu beant­wor­ten­de Erkun­di­gung, ob es Vor­wür­fe gegen Mey­en gebe, die auf Äuße­run­gen im Rah­men sei­ner Lehr­tä­tig­keit beruh­ten, blieb unbeantwortet.

Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren gegen Beam­te sind „zügig” ein­zu­lei­ten und „zügig” zu füh­ren (so das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt 2018). Das Ver­fah­ren gegen Mey­en läuft nun schon seit Mai. Dabei wären die drei Vor­wür­fe, die man ihm macht, tat­säch­lich zügig zu klä­ren. In zwei Fäl­len han­delt es sich um Wer­bung für die Kleinst­zeit­schrift „Demo­kra­ti­scher Wider­stand“, die sich vor allem der Kri­tik an der Coro­na-Poli­tik wid­met und vom Ver­fas­sungs­schutz dem „Phä­no­men­be­reich ver­fas­sungs­schutz­re­le­van­te Dele­gi­ti­mie­rung des Staa­tes“ zuge­ord­net wird. Für eine kur­ze Zeit führ­te sie den Pro­fes­sor – nach des­sen Aus­kunft ohne sein Wis­sen – als Her­aus­ge­ber. Als sol­che fir­mier­ten dort aller­dings auch der Phi­lo­soph Gior­gio Agam­ben und der Pink-Floyd-Sän­ger Roger Waters, eben­falls ohne ihr Wis­sen; das Blätt­chen scheint recht ori­gi­nell zu sein. Da Mey­en in zwei Aus­ga­ben als Her­aus­ge­ber stand, mach­te die Lan­des­an­walt­schaft zwei Fäl­le dar­aus. Der drit­te Vor­wurf bezieht sich auf eine Spen­de, die der Pro­fes­sor 2019 an den links­ra­di­ka­len, aber lega­len Ver­ein „Rote Hil­fe“ über­wie­sen haben soll, für den unter ande­ren Kevin Küh­nert trommelte.

CSU-Staats­mi­nis­ter Blu­me hat den Casus Mey­en mit einer durch­aus sug­ges­ti­ven For­mu­lie­rung kom­men­tiert: „Die Frei­heit der Leh­re ent­bin­det nicht von der Treue zur Ver­fas­sung.“ Ob denn die Staats­re­gie­rung der Ansicht sei, dass der Pro­fes­sor mit sei­ner Kri­tik an den staat­li­chen Coro­na­maß­nah­men die „Treue zur Ver­fas­sung“ gebro­chen habe, woll­te die AfD wis­sen. Ant­wort: Die „sug­ges­ti­ve For­mu­lie­rung“ die­ser Fra­ge unter­stel­le „eine spe­zi­fi­sche Wer­tung“ der Aus­sa­ge Blu­mes, wel­che die Staats­re­gie­rung zurück­wei­se. Auch das zeugt von einem gewis­sen rumä­ni­schen Humor.

Wie immer in sol­chen Fäl­len hat­ten Ver­tre­ter der Gesin­nungs­pres­se die Ankla­ge­schrift ver­fasst. Zeit Cam­pus titel­te: „Ein Pro­fes­sor drif­tet ab“ und schob in der Unter­zei­le – man kennt dort offen­bar das Grund­ge­setz nicht – die Fra­ge nach: „War­um darf er noch leh­ren?“ Der Süd­deut­sche Beob­ach­ter über­schrieb einen Arti­kel mit: „Pro­fes­sor Mey­en wird ein Fall für den Ver­fas­sungs­schutz”. In kei­nem der Arti­kel fand sich ein Beleg dafür, dass der Ange­schul­dig­te etwas gesagt oder getan hat, was im Wider­spruch zur Baye­ri­schen Lan­des­ver­fas­sung steht.

Der gewünsch­te Effekt ist gleich­wohl ein­ge­tre­ten. Mey­en sieht sich heu­te „im Kol­le­gen­kreis iso­liert“, und der For­schungs­ver­bund „Das media­le Erbe der DDR“, des­sen Spre­cher er war, hat sich öffent­lich von ihm distan­ziert. Die Begrün­dung der Erkun­der des media­len DDR-Erbes bezeugt tie­fe Ver­traut­heit mit der Mate­rie: Mey­en sei „mit Äuße­run­gen auf­ge­tre­ten, die wir für pro­ble­ma­tisch hal­ten“, so habe er zum Bei­spiel „dem Staat unter­stellt, Medi­en­in­hal­te sys­te­ma­tisch zu steu­ern und abwei­chen­de Mei­nun­gen zu unter­drü­cken“. Mey­en, der in der DDR auf­ge­wach­sen ist und in Leip­zig Jour­na­lis­mus stu­diert hat, fühlt sich skan­da­lö­ser­wei­se an die dama­li­ge Zeit erin­nert – ein wei­te­rer Ankla­ge­punkt gegen ihn. So geht Dia­lek­tik, Genos­sen, sogar heu­te noch!

Zeit gewon­nen, alles gewon­nen: Das ist die Maxi­me der Herr­schen­den kei­nes­wegs nur im Fall Mey­en. Auch im Fall Ball­weg. Womög­lich auch im Fal­le der meis­ten Betei­lig­ten des Senio­ren- und Arm­brust­schüt­zen-Staats­streichs, den die Staats­macht vor einem Jahr und live über­tra­gen nie­der­warf. Es geht dar­um, ein Ver­fah­ren, das, was den Münch­ner Pro­fes­sor betrifft, auf offen­kun­dig halt­lo­sen Vor­wür­fen grün­det, mög­lichst lan­ge schwe­ben zu las­sen, um die schie­re Dau­er des Ver­dachts in eine mit jedem Tag nach­hal­ti­ge­re Ruf­schä­di­gung umzu­mün­zen. Ist der Ruf rui­niert, kann das Ver­fah­ren ein­ge­stellt werden.

Die­ses etwas aus­führ­li­che Prä­lu­di­um soll nur über­lei­ten auf ein Inter­view, das der Frev­ler, den offen­bar nichts mehr schreckt, der Sezes­si­on gege­ben hat. Hier beschreibt er vor­treff­lich die Mecha­nis­men, mit denen eine staat­lich gelenk­te und finan­zier­te soge­nann­te Zivil­ge­sell­schaft Abweich­ler dis­kri­mi­niert, stig­ma­ti­siert, can­celt und in ihre Rat­ten­lö­cher bzw. media­len Nischen treibt, ohne ihnen, in den meis­ten Fäl­len, ein Haar zu krümmen:

„Can­cel Cul­tu­re geht von den Leit­me­di­en aus und von den Insti­tu­tio­nen, die der Par­tei­en­staat genau für die­sen Zweck geschaf­fen hat. Sie stützt sich auf ein intel­lek­tu­el­les Pre­ka­ri­at, das um bezahl­te Pos­ten in Redak­tio­nen, Uni­ver­si­tä­ten und NGOs buhlt, und auf eine Regie­rungs­pro­pa­gan­da, die so tut, als ob Gleich­be­rech­ti­gung, Umwelt­schutz oder Anti­ras­sis­mus Avant­gar­de-The­men wären, ent­deckt von weni­gen Auf­ge­klär­ten, durch­zu­set­zen gegen eine Mehr­heit der Ewiggestrigen.

Heu­te geht nichts ohne öffent­li­che Zustim­mung. Ich brau­che posi­ti­ve Berich­te in den Leit­me­di­en oder wenigs­tens kei­ne nega­ti­ven. Das ist der Hebel, den jede Can­cel Cul­tu­re nutzt. Nie­mand inter­es­siert sich für irgend­ei­nen Stu­den­ten, für eine klei­ne Demo oder einen namen­lo­sen Twit­ter-Nut­zer, der irgend­wen oder irgend­was nicht mag. Aber jeder hat Angst davor, daß ein Jour­na­list dar­aus eine Geschich­te macht und einen an den Pran­ger stellt. Oft rufen die Jour­na­lis­ten auch von sich aus an oder wer­den dazu von irgend­wo­her gedrängt, ganz ohne jeden Protest.

Die Angst vor öffent­li­cher Bloß­stel­lung und Iso­la­ti­on führt dazu, daß man sich distan­ziert und Säle kün­digt, Kon­ten, Buch­ver­trä­ge. Letzt­lich reicht ein ein­zi­ger Arti­kel, weil Wiki­pe­dia die Leit­me­di­en als seriö­se Quel­le ein­stuft und bei Goog­le ganz oben steht. Wenn ich jeman­den ein­la­den will und dort nach­schaue, dann weiß ich, was mich erwartet. (…)

Wir haben inzwi­schen eine Hoch­schul­quo­te von fast 55 Pro­zent. Das heißt: Jeder zwei­te jun­ge Mensch stu­diert. In den 1980ern war das nur jeder fünf­te. Ich habe kei­ne Zah­len zu Spit­zen­po­si­tio­nen gefun­den, ver­mu­te aber, daß sich die Ver­meh­rung da in Gren­zen hält. Man muß sich ja nur umschau­en in den ange­sag­ten Groß­stadt­vier­teln. Man sieht dort Men­schen, die oft kei­nen fes­ten Job haben und gar nicht sehr viel Geld, immer auf dem Sprung zwi­schen zwei Auf­trä­gen oder zwei Pro­jek­ten. Men­schen, die unter sich blei­ben und ins Boden­lo­se fal­len wür­den, wenn sie plötz­lich von ihrer Hän­de Arbeit leben müß­ten oder gar ihr Digi­tal­pro­fil ver­lie­ren würden.

Der Staat ist hier inzwi­schen die ers­te Anlauf­stel­le, wenn es ums Geld­ver­die­nen geht. (…)

Man kann wei­ter glau­ben, kri­tisch zu sein und für Gerech­tig­keit zu kämp­fen, obwohl man objek­tiv die Inter­es­sen von Kon­zer­nen bedient und hilft, die sozia­le Kluft zu ver­grö­ßern. Selbst der Begriff Can­cel Cul­tu­re wird ja ver­dreht und zu einem Macht­mit­tel der alten Eli­ten erklärt, die ein­fach nicht begrei­fen wol­len, daß ihre Zeit vor­bei ist und jetzt end­lich auch die mit­re­den kön­nen, die frü­her kei­ner hören wollte.

Das ist beson­ders per­fi­de, weil es jede Debat­te blo­ckiert und ver­schlei­ert, daß Can­cel Cul­tu­re auf alles zielt, was die hege­mo­nia­len Nar­ra­ti­ve her­aus­for­dert und trotz­dem durch die Fang­net­ze der Digi­tal­zen­sur flutscht – weil es nicht im Inter­net spielt oder zu klein ist für die gro­ßen Dog­men. Can­cel Cul­tu­re rei­nigt das Gedächt­nis der Gesell­schaft im Sin­ne der Macht. Sie geht von denen aus, die gera­de die Deu­tungs­ho­heit haben. Des­halb ist sie nur von denen zu sehen, die nicht dazugehören.”

(Das gan­ze Inter­view hier.)

***

Nach mei­nen Erwei­te­rungs­vor­schlä­gen zum „Palliativökonomie”-Bonmot Peter Slo­ter­di­jks (Acta vom 17.) weist mich Freund *** dar­auf hin, dass der Phi­lo­soph Byung-Chul Han 2020 ein Buch des Titels „Pal­lia­tiv­ge­sell­schaft” ver­öf­fent­lich hat, womit alle mei­ne Vor­schlä­ge also längst ein­ge­mein­det wären.

Leser *** indes fragt: „Ist die Bezeich­nung ‚Pal­lia­ti­v­öko­no­mie’ denn noch zutref­fend oder müß­te man nicht schon von ‚öko­no­mi­scher Eutha­na­sie’, ‚akti­ver öko­no­mi­scher Ster­be­hil­fe’ oder gar von einer ‚Öko­no­mie der ver­brann­ten Erde’ sprechen?”

 

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