Wie sozialistisch waren die Nazis?

Mein Pod­cast vom ver­gan­ge­nen Diens­tag, fürs Pro­to­koll verschriftlicht.

Heu­te soll unser Inter­es­se der Fra­ge gel­ten, ob die Natio­nal­so­zia­lis­ten Sozia­lis­ten waren. Auf den ers­ten Blick ist das eine recht absur­de Fra­ge, denn die Ant­wort steckt ja schon im Namen: Natio­nal-Sozia­lis­ten. Ein Kom­po­si­tum besteht aus dem Grund­wort und dem Bestim­mungs­wort, das Grund­wort lau­tet: Sozia­lis­mus. Um es los­zu­wer­den – und kei­nes­wegs nur, weil es beque­mer ist und plas­ti­scher klingt –, hat sich die Bezeich­nung „Nazis“ durch­ge­setzt. Oder wahl­wei­se, wie in der DDR, im gesam­ten Ost­block und bei west­li­chen Lin­ken, der irre­füh­ren­de Ali­as­be­griff „Faschis­ten” bzw. „Faschis­mus”.

Als ich gemein­sam mit Jan von Flo­cken das 1991 bei Ull­stein erschie­ne­ne Buch „Sta­lins Lager in Deutsch­land” schrieb, das sich unter ande­rem mit der Wei­ter­nut­zung der Nazi-Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Buchen­wald und Sach­sen­hau­sen durch die Sowjets beschäf­tig­te, stell­ten wir das ers­te Kapi­tel unter die Über­schrift „Die Aus­trei­bung des Faschis­mus mit dem Sta­li­nis­mus” und sta­tu­ier­ten: „Das ver­häng­nis­vol­le Zusam­men­fal­len von Anti­fa­schis­mus und Sta­li­nis­mus wur­de der ent­schei­den­de Fak­tor bei der Instal­lie­rung eines neu­en Unrechts­re­gimes im Ost­teil Deutschlands.”

Ein Rezen­sent der FAZ schrieb damals noch, man erken­ne an der gewähl­ten Begriff­lich­keit – „Faschis­mus” statt Natio­nal­so­zia­lis­mus – die in der DDR Sozia­li­sier­ten (übri­gens auch an der For­mu­lie­rung „Ost­teil Deutsch­lands”; die Erwäh­nung der wirk­li­chen Ost­ge­bie­te war in der Zone tabu, dort leb­ten ja „Bru­der­völ­ker“). Die DDR-Vög­te haben den Begriff Natio­nal­so­zia­lis­mus nicht nur nicht ver­wen­det, son­dern aus einer Art Inzest­scheu mit einem Tabu belegt; dort­zu­lan­de war stets die Rede vom „Faschis­mus” oder „Hit­ler­fa­schis­mus”. Und heu­te kehrt die DDR-Sprach­re­ge­lung suk­zes­si­ve zurück, zunächst ein­mal, um den Sozia­lis­mus weiß­zu­wa­schen, außer­dem um dem „Anti­fa­schis­mus” sei­nen extre­mis­ti­schen Haut­gout zu neh­men und ihn dem Publi­kum als legi­ti­men Ver­bün­de­ten der sich selbst so titu­lie­ren­den „demo­kra­ti­schen Par­tei­en” gegen die min­des­tens krypto­fa­schis­ti­sche Oppo­si­ti­on zu verkaufen.

Jeden­falls ähnelt die Situa­ti­on inso­fern jener in der DDR, als sich die roten Frei­heits­fein­de wie­der durch ihr Anti­po­den­tum zu den brau­nen zu legi­ti­mie­ren suchen, was heu­te noch gro­tes­ker ist als sei­ner­zeit, denn damals gab es immer­hin noch geschla­ge­ne Nazis, wäh­rend die heu­ti­gen fast samt und son­ders hal­lu­zi­nier­te sind. Wie­der bezeich­nen sich die Herr­schen­den als „Anti­fa­schis­ten” und rücken die Kon­ser­va­ti­ven, Rech­ten, Natio­na­len, Liber­tä­ren, über­haupt jede Oppo­si­ti­on in die Nähe irgend­ei­nes nicht näher defi­nier­ten „Faschis­mus”. Des­we­gen kann Nan­ny Fae­ser Gast­bei­trä­ge in Anti­fa-Peri­odi­ka schrei­ben und als Minis­te­rin den Links­extre­mis­mus zur Peti­tes­se down­gra­den, denn aus ihrer Sicht han­delt es sich ja um die eige­ne Boden­trup­pe im Kampf gegen die AfD, Quer­den­ker, „Reichs­bür­ger”, Prep­per, Kapi­ta­lis­ten, Waf­fen­be­sit­zer, Mei­nungs­frei­heits­frömm­ler und Rechtsstaatsfanatiker.

Es ist des­halb in gewis­sen, durch­aus maß­ge­ben­den Krei­sen nicht erwünscht, dass die Fra­ge, ob die Natio­nal­so­zia­lis­ten Sozia­lis­ten waren, über­haupt gestellt wird. Und wer dann auch noch behaup­tet, dass es sich so ver­hält, kann schnell in Schwie­rig­kei­ten geraten.

Wäh­rend des ZDF-Films „Die Wann­see­kon­fe­renz“, aus­ge­strahlt am 24. Janu­ar die­ses Jah­res zum 80. Jah­res­tag der Kon­fe­renz, twit­ter­te die Jour­na­lis­tin Anna Dobler: „Das waren nicht nur Mör­der, son­dern auch durch und durch Sozialisten.“

Der Twit­ter­mob reagier­te prompt und warf der Jour­na­lis­tin Geschichts­re­vi­sio­nis­mus vor. „Das sind Argu­men­te von Rechts­extre­men“, erklär­te bei­spiels­wei­se ein Poli­tik­wis­sen­schaft­ler namens Flo­ri­an Bie­ber. Doblers Arbeit­ge­ber, das öster­rei­chi­sche Bou­le­vard­por­tal Exx­press, distan­zier­te sich umge­hend und kün­dig­te sei­ner Autorin frist­los – so ver­hal­ten sich Poly­ne­si­er nun mal, wenn man ihrem Totem­tier zu nahe tritt. In einer Stel­lung­nah­me von Chef­re­dak­teur und Her­aus­ge­be­rin hieß es: „Wir wol­len nicht, dass unse­re Redak­ti­on, unser gan­zes Team auch nur mit dem gerings­ten Ver­dacht einer mög­li­chen Rela­ti­vie­rung des Natio­nal­so­zia­lis­mus belas­tet wird. Wir wol­len nicht, dass die Sozi­al­de­mo­kra­tie der­art falsch beschul­digt wird, wir wol­len nicht, dass gute Freun­de aus der Sozi­al­de­mo­kra­tie per Tweets gekränkt wer­den. (…) Wir wol­len auch nicht, dass Redak­teu­re mit die­ser Mei­nung bei uns wei­ter ihren Dienst ver­se­hen.“ Dass die­ser Text mit einem „Heil Viel­falt!“ schloss, ist aller­dings nur ein Gerücht.

Natio­nal­so­zia­lis­ten waren kei­ne Sozia­lis­ten, wer was ande­res sagt, kränkt die Sozi­al­de­mo­kra­tie und „rela­ti­viert” den Natio­nal­so­zia­lis­mus – die Absur­di­tät die­ses State­ments wird ledig­lich über­bo­ten von der reflex­ar­ti­gen Beflis­sen­heit, mit wel­cher es abge­ge­ben wur­de. Es han­delt sich also offen­bar um ein heik­les The­ma. Nähern wir uns ihm mit hei­li­gem Ernst.

Zunächst ein­mal: Was bedeu­tet der Begriff „Sozia­lis­mus” im Kern, was haben alle Sozia­lis­ten gemein­sam? Es sind drei Aspek­te, die eng zusam­men­ge­hö­ren und auch bes­tens zusam­men­pas­sen. Ers­tens: Sozia­lis­ten ver­lan­gen das Pri­mat des Staa­tes gegen­über der Wirt­schaft. Zwei­tens: Sie wol­len die Men­schen in ihrem Macht­be­reich sozia­li­sie­ren, das heißt: dem Staat unter­wer­fen, ent­pri­va­ti­sie­ren, ent­in­di­vi­dua­li­sie­ren, zu glei­chen, gehor­sa­men Glie­dern der Gesell­schaft machen. Das Kol­lek­tiv – ob nun die Klas­se, die Volks­ge­mein­schaft oder die Gemein­schaft der Woken – ist alles, du bist nichts, lau­tet ihre Maxi­me. Drit­tens: Sie glau­ben, dass die Ent­wick­lung der Gesell­schaft mensch­li­cher Pla­nung zugäng­lich ist und des­halb kei­nes­wegs dem Zufall – etwa dem chao­ti­schen Markt – über­las­sen wer­den darf.

Sodann müs­sen wir fra­gen, wie Hit­ler und die Sei­nen die Sache sel­ber sahen. Die Fra­ge: Waren die Nazis Sozia­lis­ten? muss nach den heu­te gel­ten­den Maß­stä­ben eigent­lich lau­ten: Emp­fan­den sich die Nazis als Sozia­lis­ten? Und da ist die Ant­wort recht eindeutig.

Bereits das 25-Punk­te-Pro­gramm der NSDAP von 1920 ver­kün­de­te als Mot­to „Gemein­nutz vor Eigen­nutz“ und for­dert u.a. die Ver­staat­li­chung von Betrie­ben – wört­lich hieß es etwas wirr „Ver­staat­li­chung aller (bis­her) bereits ver­ge­sell­schaf­te­ten (Trust) Betrie­be“ –, Gewinn­be­tei­li­gung an Groß­be­trie­ben sowie eine Bodenreform.

In einer Rede zum 1. Mai 1927 erklär­te Hit­ler: „Wir sind Sozia­lis­ten, wir sind Fein­de der heu­ti­gen kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­ord­nung für die Aus­beu­tung der wirt­schaft­lich Schwachen.”

„Wir sind Sozia­lis­ten“, echo­te Joseph Goeb­bels am 16. Juli 1928 im Angriff und führ­te aus: „Der Sozia­lis­mus ist die Befrei­ungs­leh­re des Arbei­ter­tums”, der „Auf­stieg des vier­ten Stan­des und sei­ne Ein­fü­gung in den poli­ti­schen Orga­nis­mus unse­res Vater­lan­des” sei „unlös­bar mit der Bre­chung des gegen­wär­ti­gen Skla­ven­zu­stan­des und der Wie­der­ge­win­nung der deut­schen Frei­heit auf das Innigs­te verknüpft” (…)

„Es war die Sün­de des libe­ra­len Bür­ger­tums, im Sozia­lis­mus die staats­bil­den­den Kräf­te zu über­se­hen und damit sei­ne form­ge­ben­de Ener­gie in anti­na­tio­na­len Ten­den­zen leer­lau­fen zu las­sen. Es war die Sün­de des Mar­xis­mus, den Sozia­lis­mus zu einer Lohn- und Magen­leh­re zu degra­die­ren und ihn damit in einen Gegen­satz zum Staat und zur Ver­fech­tung sei­ner natio­na­len Exis­tenz hin­ein­zu­ma­nö­vrie­ren. Aus die­sen bei­den Erkennt­nis­sen her­aus fol­gern wir die begriff­li­che und poli­ti­sche Bestim­mung des Wesens eines neu­en sozia­lis­ti­schen Gefühls, das sei­ner Natur nach natio­na­lis­tisch, staats­bil­dend, befrei­end und auf­bau­end ist.”

Am Abend der März­wahl 1933 sag­te der Füh­rer in klei­ner Run­de, ver­är­gert dar­über, dass sei­ne Par­tei die abso­lu­te Mehr­heit ver­fehlt hat­te, solan­ge Hin­den­burg lebe, wer­de er die­se kon­ser­va­ti­ve „Ban­de” nicht los. Was ihn an den alten Eli­ten abstieß, war kei­nes­wegs deren Natio­na­lis­mus, son­dern ihr besitz­bür­ger­li­cher Anti­so­zia­lis­mus. Hit­ler nahm den Begriff Natio­nal­so­zia­lis­mus wört­lich: „Sozia­lis­mus kann nur sein im Rah­men mei­nes Vol­kes”, erklär­te er, denn es gebe „nur annä­hernd Glei­che in einem Volks­kör­per in grö­ße­ren Ras­se­ge­mein­schaf­ten, aber nicht dar­über hinaus.”

In sei­ner Schluss­re­de auf dem Reichs­par­tei­tag von 1933 erklär­te Hit­ler, die von ihm ver­lang­te Her­an­bil­dung einer neu­en Eli­te „aus allen ver­schie­de­nen Stän­den, Beru­fen und sons­ti­gen Schich­tun­gen“ sei „in Wahr­heit eine sozia­lis­ti­sche Hand­lung“, denn wenn „das Wort Sozia­lis­mus über­haupt einen Sinn haben soll, dann kann es nur den haben, in eiser­ner Gerech­tig­keit (…) jedem an der Erhal­tung des Gesam­ten das auf­zu­bür­den, was ihm dank sei­ner ange­bo­re­nen Ver­an­la­gung und damit sei­nem Wer­te entspricht“.

Hit­ler hat­te immer ein gro­ßes Inter­es­se an der soge­nann­ten sozia­len Fra­ge gezeigt; so erklär­te er bereits im August 1920, er glau­be nicht, „dass auf Erden ein Staat bestehen kön­ne mit dau­ern­der inne­rer Gesund­heit, wenn er nicht auf­ge­baut wird auf sozia­ler inne­rer Gerech­tig­keit“. Das Schick­sal des Bür­ger­tums, des­sen Mis­si­on er für been­det und das er dem Mar­xis­mus gegen­über für heil­los unter­le­gen hielt, war Hit­ler voll­kom­men gleich­gül­tig; inso­fern war er jeden­falls kein Faschist im Sin­ne der Defi­ni­ti­on von Wolf­gang Ven­ohr: „Faschis­mus, das ist die bür­ger­li­che Gesell­schaft im Belagerungszustand.”

„Ich bin Sozia­list, weil es mir unver­ständ­lich erscheint, eine Maschi­ne mit Sorg­falt zu pfle­gen und zu behan­deln, aber den edels­ten Ver­tre­ter der Arbeit, den Men­schen selbst, ver­kom­men zu las­sen“, sprach der „Füh­rer“ anno 1935. Die­ses Zitat plat­zier­te die Deut­sche Arbeits­front neben ihre Losung: „Jeder Schaf­fen­de gehört in die D.A.F.“

Auf einer NSDAP-Ver­an­stal­tung am 16. Febru­ar 1923 hat­te Hit­ler bereits ange­kün­digt: „Das Kapi­tal muß Die­ne­rin des Staa­tes wer­den und nicht die Beherr­sche­rin.“ Ähn­lich äußer­te er sich am 24. April des­sel­ben Jah­res: „Das Kapi­tal ist nicht die Her­rin des Staa­tes, son­dern sein Die­ner.“ Im Juli 1930 sag­te er zu sei­nem Ver­trau­ten Otto Wage­ner, in der „Kampf­zeit” Stabs­chef der SA und spä­ter Mit­glied des Reichs­ta­ges: „Wir leben mit­ten in einer Wen­de, die vom Indi­vi­dua­lis­mus und Wirt­schafts­li­be­ra­lis­mus zum Sozia­lis­mus führt.“ In einer Rede am 13. Novem­ber des­sel­ben Jah­res heißt es: „Im gesam­ten Wirt­schafts­le­ben, im Gesamt­le­ben an sich wird man auf­räu­men müs­sen mit der Vor­stel­lung, daß der Nut­zen des ein­zel­nen das Wesent­li­che ist (…). Das Umge­kehr­te ist rich­tig. Der Nut­zen der Gesamt­heit bestimmt den Nut­zen der einzelnen.“

Ver­wei­len wir kurz bei die­sem Herrn Wage­ner. 1978 erschien bei Ull­stein pos­tum sein Buch „Hit­ler aus nächs­ter Nähe. Auf­zeich­nun­gen eines Ver­trau­ten 1929–1932“. Wage­ner, Jahr­gang 1888 – er starb 1971 –, ist heu­te nur des­halb eher unbe­kannt, weil es 1933 ein Zer­würf­nis mit dem „Chef” gab, das ihn aus dem Inner Cir­cle schied. „Durch sein eigen­wil­li­ges Auf­tre­ten und sein beson­de­res Ver­hält­nis zu Hit­ler mach­te sich Wage­ner unter den N.S.-Größen eine Rei­he von Fein­den. Der wich­tigs­te davon war Her­mann Göring, der anschei­nend maß­geb­lich an sei­nem Sturz betei­ligt war”, notiert der Her­aus­ge­ber. Nach dem Krieg brach­te Wage­ner sei­ne Erin­ne­run­gen zu Papier.

Dar­in fin­den wir auf S. 290 fol­gen­den Gedan­ken des damals noch Füh­rers in sta­tu nas­cen­di: „Der Jude ist kein Sozia­list! Schon ein­mal hat er den gro­ßen Schöp­fer der sozia­lis­ti­schen Erlö­ser-Idee ans Kreuz geschla­gen! Er wird es stets wie­der tun, wenn er es kann! Denn er ist Indi­vi­dua­list, Wirt­schafts­li­be­ra­list, Egoist.“

Danach wird Hit­ler zitiert mit den Wor­ten: „Wenn näm­lich erst die Natio­nen begon­nen haben, inner­halb ihrer eige­nen Gren­zen eine sozia­lis­ti­sche und sozi­al­wirt­schaft­li­che Neu­ord­nung durch­zu­füh­ren, dann kommt der Augen­blick, dass die Gesamt­heit der Natio­nen, also alle Völ­ker und Staa­ten, davon abkom­men, unter sich nach libe­ra­lis­ti­schen Grund­sät­zen um Macht und Vor­herr­schaft, Ver­skla­vung und Aus­nut­zung zu kämp­fen, also nach impe­ria­lis­ti­schen Gesichts­punk­ten zu han­deln, son­dern dass auch unter ihnen Rück­sicht­nah­me, Gemein­schafts­geist, eben ‚Sozia­lis­mus’ herrscht. Was im klei­nen erst inner­halb der ein­zel­nen Völ­ker vor sich ging, das wird dann inner­halb der gan­zen Völ­ker­ge­mein­schaft der Erde vor sich gehen. Auch die Kleins­ten wer­den Gleich­be­rech­ti­gung haben, auch die Habe­nicht­se wer­den Anteil neh­men kön­nen an den Gütern und am Über­schuss des Welt­be­sit­zes der Gro­ßen. Das ist dann der Sozia­lis­mus der Völker!“

Wage­ner resü­miert: „Wir waren die wirk­li­chen Sozia­lis­ten Deutsch­lands. Sozi­al­de­mo­kra­ten und Kom­mu­nis­ten maß­ten sich die­se Bezeich­nung nur zu Unrecht an. Der deut­sche sozia­lis­ti­sche Gedan­ke wur­de durch uns ver­tre­ten, nicht durch die ande­ren Par­tei­en, die soge­nann­ten Linksparteien.“

Nach der Macht­er­grei­fung, in sei­ner Anspra­che zum „Tag von Pots­dam“ am 21. März 1933, ver­kün­de­te der Füh­rer als das Ziel sei­ner Regie­rung: „Wir wol­len wie­der­her­stel­len das Pri­mat der Poli­tik.“ In sei­ner Rede zur Begrün­dung des Ermäch­ti­gungs­ge­set­zes zwei Tage dar­auf heißt es: „Das Volk lebt nicht für die Wirt­schaft, und die Wirt­schaft exis­tiert nicht für das Kapi­tal, son­dern das Kapi­tal dient der Wirt­schaft und die Wirt­schaft dem Volk!“ In einer Reichs­tags­re­de am 21. Mai 1935 kün­dig­te er an, Deutsch­land wer­de „nur durch eine plan­mä­ßig gelei­te­te Wirt­schaft“ den Weg in die öko­no­mi­sche Selb­stän­dig­keit fin­den. In einer Rede zum Ern­te­dank­fest am 6. Okto­ber des­sel­ben Jah­res ver­si­cher­te er sei­nen Zuhö­rern und tags dar­auf den Lesern des Völ­ki­schen Beob­ach­ters: „Wir kom­men ohne Plan nicht aus.“ In der Eröff­nungs­re­de zum Reichs­par­tei­tag 1936 sprach sich der Füh­rer gegen die „Zügel­lo­sig­keit einer frei­en Wirt­schafts­be­tä­ti­gung“ aus.

Wie der Herr, so das G’scherr. Die Gazet­te Der SA-Mann, „Organ der Obers­ten SA-Füh­rung der NSDAP“ zu Mün­chen, erschien am 7. Dezem­ber 1935 mit der Schlag­zei­le „Der Sozia­lis­mus mar­schiert“ auf der Titel­sei­te. Die Inns­bru­cker Nach­rich­ten vom 28. März 1938 mach­ten auf mit: „Her­mann Göring ver­kün­det die Ret­tung: Gigan­ti­scher Auf­bau Deutsch­ös­ter­reichs. Sofor­ti­ge Maß­nah­men zur rest­lo­sen Besei­ti­gung der Arbeits­lo­sig­keit. – Sozia­lis­mus wird zur Tat.“

Mar­xis­ten pfle­gen an die­ser Stel­le tri­um­phie­rend aus­zu­ru­fen, dass Hit­ler aber das Kapi­tal nicht ent­eig­net und das Pri­vat­ei­gen­tum – jenes der Juden aus­ge­nom­men – weit­ge­hend unan­ge­tas­tet gelas­sen habe. Das stimmt, und stimmt zugleich auch nicht. Die Nazis stell­ten das Pri­vat­ei­gen­tum unter Kura­tel. Sie ver­füg­ten über die Wirt­schaft. Nament­lich Hit­ler droh­te den Unter­neh­mern wie­der­holt mit Sank­tio­nen oder Ent­eig­nung. Ein paar Beispiele.

In sei­ner Rede zur Eröff­nung der Inter­na­tio­na­len Auto­mo­bil­aus­stel­lung am 20. Febru­ar 1937 for­der­te er, das Reich müs­se bei der Treib­stoff- und Gum­mi­her­stel­lung bin­nen zwei­er Jah­re vom Aus­land unab­hän­gig wer­den: „Ent­we­der die soge­nann­te freie Wirt­schaft ist fähig, die­se Pro­ble­me zu lösen, oder sie ist es nicht fähig, als freie Wirt­schaft weiterzubestehen!“

Goeb­bels notier­te am 16. März 1937 in sein Tage­buch: „Beim Füh­rer Mit­tag. Gro­ße Tisch­run­de: es geht mäch­tig gegen die sogen. Wirt­schafts­füh­rer los. Sie haben kei­ne Ahnung von wirk­li­cher Natio­nal­öko­no­mie. Sie sind dumm, ego­is­tisch, unna­tio­nal und bor­niert ein­ge­bil­det. Sie möch­ten ger­ne den 4 Jah­res­plan sabo­tie­ren aus lau­ter Feig­heit und Denk­faul­heit. Aber sie müs­sen nun.“

Am 8. Sep­tem­ber 1937 notier­te Goeb­bels, der Füh­rer habe auf dem Par­tei­kon­gress „gegen wirt­schaft­li­che Eigen­mäch­tig­kei­ten” gewet­tert: „Wehe der Pri­vat­in­dus­trie, wenn sie nicht pariert. 4Jahresplan wird durch­ge­führt.” Im Mai des­sel­ben Jah­res hat­te Hit­ler im Duk­tus einer spä­ten gro­ßen Amts­nach­fol­ge­rin erklärt: „Ich sage der deut­schen Indus­trie zum Bei­spiel: ‚Ihr müßt das jetzt schaf­fen’. … Wenn mir die deut­sche Wirt­schaft ant­wor­ten wür­de: ‚Das kön­nen wir nicht’, dann wür­de ich ihr sagen: ‚Gut, dann über­neh­me ich das sel­ber, aber das muß geschafft werden.’ ”

Alles nur Wor­te und Schaum­schlä­ge­rei? Schau­en wir auf die Taten der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Regierung.

1934 trat im Reich der „Neue Plan“ in Kraft, der die Kon­trol­le des gesam­ten Außen­han­dels durch 25 nach Bran­chen unter­schie­de­ne „Über­wa­chungs­stel­len“ anord­ne­te. Der Staat über­nahm damit das Außen­han­dels­mo­no­pol und ent­schied über sämt­li­che Inves­ti­tio­nen – und das, ohne die Unter­neh­men zu enteignen.

Eben­falls 1934 wur­de das „Gesetz zur Ord­nung der Natio­na­len Arbeit“ ver­ab­schie­det, des­sen Inkraft­tre­ten das Wirt­schafts­le­ben prak­tisch gleich­schal­te­te. Der Unter­neh­mer besaß zwar inner­be­trieb­lich unein­ge­schränk­te Wei­sungs­be­fug­nis, war jedoch an die Vor­ga­ben eines „Treu­hän­ders der Arbeit“ gebun­den, eines Staats­be­am­ten, der Arbeits­zei­ten, Lohn­hö­he und die kon­kre­te Arbeits­ge­stal­tung dik­tie­ren konn­te. Das Gesetz stärk­te zugleich die Befug­nis­se des Staa­tes und schwäch­te die Rech­te von Unter­neh­mern und Arbeitnehmern.

Im Drit­ten Reich wur­den Löh­ne und Prei­se staat­lich fest­ge­legt; seit 1936 gab es einen „Reichs­kom­mis­sar für die Preis­bil­dung“. Unter­neh­mer, die staat­li­che Plan­vor­ga­ben miss­ach­te­ten, konn­ten sich vor dem Volks­ge­richts­hof wiederfinden.

Als Sozia­list und Sozi­al­dar­wi­nist in Per­so­nal­uni­on schwank­te Hit­ler in sei­ner Wirt­schafts­po­li­tik zwi­schen dem Zulas­sen von Pri­vat­in­itia­ti­ve und der Ver­staat­li­chung, im Lau­fe der Jah­re mit Ten­denz zu Letz­te­rer. Am 26. Juli 1942 sag­te er im Tisch­ge­spräch, der NS-Staat kön­ne „der Pri­vat­in­itia­ti­ve des­halb eine viel grö­ße­re Frei­heit las­sen, weil eben der Staat sich jeder­zeit Ein­griffs­rech­te vor­be­hal­te. Der Staat soll aber nicht selbst die Pri­vat­wirt­schaft in die Hand neh­men; denn das wür­de zu einer ent­setz­li­chen Ver­be­am­tung und damit Erstar­rung der bear­bei­te­ten Gebie­te füh­ren. Der NS-Staat möge im Gegen­teil soweit als mög­lich die Pri­vat­in­itia­ti­ve för­dern.“ Ihm schweb­te ein staat­lich diri­gier­ter Kapi­ta­lis­mus vor, mit ver­ge­sell­schaft­lich­ten Boden­schät­zen und Schlüs­sel­wirt­schaf­ten. Tat­säch­lich sprach sich Hit­ler für die Sozia­li­sie­rung der gro­ßen Akti­en­ge­sell­schaf­ten, der Ener­gie­wirt­schaft sowie von Wirt­schafts­zwei­gen aus, die „lebens­ent­schei­den­de“ Roh­stof­fe pro­du­zie­ren, zum Bei­spiel die Stahl- und Eisenindustrie.

In einer Rede zum hun­dert­jäh­ri­gen Bestehen der deut­schen Eisen­bahn anno 1935 pries der Dik­ta­tor die Reichs­bahn als „das ers­te ganz gro­ße sozia­lis­ti­sche Unter­neh­men“ und stell­te sie „den Gesichts­punk­ten der Ver­tre­tung rein­ka­pi­ta­lis­ti­scher Eigen­in­ter­es­sen“ gegen­über. Die Reichs­bahn sei der leben­di­ge Beweis dafür, dass man sehr wohl ein Gemein­schafts­un­ter­neh­men betrei­ben kön­ne ohne pri­vat­ka­pi­ta­lis­ti­sche Ten­denz und ohne pri­vat­ka­pi­ta­lis­ti­sche Füh­rung. Wel­chen schreck­li­chen und zugleich höchst unpro­fi­ta­blen Zwe­cken die Staats­bahn spä­ter die­nen soll­te, ahn­te er damals wahr­schein­lich selbst noch nicht.

„Das Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um hat nur die natio­nal­wirt­schaft­li­chen Auf­ga­ben zu stel­len und die Pri­vat­wirt­schaft hat sie zu erfül­len. Wenn aber die Pri­vat­wirt­schaft glaubt, dazu nicht fähig zu sein, dann wird der natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Staat aus sich her­aus die­se Auf­ga­be zu lösen wis­sen“, stell­te der Füh­rer in sei­ner Denk­schrift zum Vier­jah­res­plan 1936 klar. „Dann wird nicht Deutsch­land zugrun­de gehen, son­dern es wer­den dies höchs­tens eini­ge Wirtschaftler.“

Mit der Eisen- und Stahl­in­dus­trie, die­sen kriegs­wirt­schaft­lich ent­schei­den­den Bran­chen, lag die NS-Regie­rung stän­dig im Clinch. Das hing im Wesent­li­chen damit zusam­men, dass die För­de­rung deut­scher Erze wegen ihres Ver­un­rei­ni­gungs­gra­des unpro­fi­ta­bel war. Hit­ler droh­te am 17. Dezem­ber 1936 in einer Rede vor Indus­tri­el­len: „Das Wort unmög­lich gibt es hier nicht, ich wer­de nicht län­ger die Pra­xis des Kapi­ta­lis­mus dul­den, sich Besitz­ti­tel für Boden­schät­ze zu ver­schaf­fen, die man dann unge­nutzt lie­gen lässt, weil ihr Abbau nicht pro­fi­ta­bel erscheint. Erfor­der­li­chen­falls wer­de ich sol­che Vor­kom­men vom Staat beschlag­nah­men las­sen.“ Her­mann Göring sekun­dier­te sei­nem Chef am 16. Juni 1937 in einer Rede vor Stahl­un­ter­neh­men mit der Ankün­di­gung, wenn sie sich wei­ter­hin wei­ger­ten, dann „neh­men wir Ihnen das Erz ab und machen es selbst“.

Im Krieg wur­de der Ton noch schär­fer. In Goeb­bels Tage­buch heißt es unter dem 14. Febru­ar 1942, der Füh­rer habe erklärt, „daß die Unter­neh­mer, die sich den von uns gege­be­nen Richt­li­ni­en nicht fügen wol­len, ihre Betrie­be zu ver­lie­ren haben, ohne Rück­sicht dar­auf, ob sie dabei wirt­schaft­lich zugrun­de gehen“.

Natür­lich setz­te Hit­ler sich durch. Zur Aus­beu­tung gering­wer­ti­ger Eisen­er­ze, die nur unge­nü­gen­de Pro­fit­chan­cen für das Pri­vat­ka­pi­tal boten, aber für die Kriegs­wirt­schaft unver­zicht­bar waren, grün­de­te das Regime am 15. Juli 1937 in Ber­lin die Reichs­wer­ke AG für Erz­berg­bau und Eisen­hüt­ten „Her­mann Göring“, kurz Reichs­wer­ke „Her­mann Göring“ genannt. Der Kapi­tal­ein­satz lag bei fünf Mil­lio­nen Reichs­mark, der Staat über­nahm einen neun­zig­pro­zen­ti­gen Akti­en­an­teil. An der Spit­ze der Akti­en­ge­sell­schaft stand der Namens­pa­tron selbst. Die Reichs­wer­ke waren neben der IG Far­ben der größ­te Kon­zern im Drit­ten Reich. 1940 beschäf­tig­te das Staats­un­ter­neh­men 600.000 Men­schen. Im Juni 1941 wur­de der Sitz von Ber­lin nach Salz­git­ter ver­legt, das Werk in Salz­git­ter wur­de schließ­lich das größ­te in Euro­pa. Bes­ser lässt sich Hit­lers „Pri­mat der Poli­tik“ schwer­lich illustrieren.

Der Füh­rer setz­te sich auch gegen die Auto­mo­bil­in­dus­trie durch mit sei­ner For­de­rung, sie möge einen für die brei­te Mas­se erschwing­li­chen Wagen pro­du­zie­ren. Da ihm die Indus­trie immer nur für sei­ne Begrif­fe zu teu­re Model­le vor­schlug, setz­te er kur­zer­hand einen „Gene­ral­be­voll­mäch­tig­ten für das Kraft­fahr­we­sen“ ein und grün­de­te das Volks­wa­gen­werk, das unter der Füh­rung der Deut­schen Arbeits­front die Ver­wirk­li­chung des Pro­jek­tes in Angriff nahm.

Der Öko­nom und Sozio­lo­ge Fried­rich Pol­lock, Mit­grün­der des Insti­tuts für Sozi­al­for­schung in Frank­furt am Main und als Jude 1933 in die USA emi­griert, kon­sta­tier­te 1941, die Funk­ti­on des Pri­vat­ei­gen­tums in Deutsch­land habe sich grund­le­gend ver­än­dert, „selbst den mäch­tigs­ten Kon­zer­nen“ habe die NS-Regie­rung das Recht aberkannt, dort zu inves­tie­ren, wo man die höchs­ten Pro­fi­te erwar­te, und die Pro­duk­ti­on dort zu unter­bre­chen, wo sie unren­ta­bel wer­de; gegen­über den Ent­schei­dun­gen des Regimes sei „der Eigen­tums­ti­tel macht­los“ geworden.

Der Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler Lud­wig von Mises, einer der bedeu­tends­ten Öko­no­men des 20. Jahr­hun­derts, der eben­falls als Jude in die USA emi­grier­te, hat schon früh gute öko­no­mi­sche Argu­men­te für den sozia­lis­ti­schen Cha­rak­ter der brau­nen Dik­ta­tur vor­ge­tra­gen. Einer sei­ner Schü­ler, der Wirt­schafts­pro­fes­sor Georg Reis­man, führt dazu aus: „Grund der Annah­me, Nazi-Deutsch­land sei kapi­ta­lis­tisch gewe­sen, ist die Tat­sa­che, dass die meis­ten Unter­neh­men in Nazi-Deutsch­land for­mal in pri­va­ten Hän­den ver­blie­ben. Mises betont hin­ge­gen, dass das Pri­vat­ei­gen­tum an den Pro­duk­ti­ons­mit­teln unter den Nazis nur dem Namen nach exis­tier­te, dies Eigen­tum aber tat­säch­lich beim Staat lag. Denn der deut­sche Staat, nicht der nomi­nel­le Pri­vat­ei­gen­tü­mer, ver­füg­te über alle wesent­li­che Macht an den Pro­duk­ti­ons­mit­teln; der Staat bestimm­te, was in wel­cher Men­ge und auf wel­che Art zu pro­du­zie­ren war und wem die Pro­duk­te zuge­teilt wer­den soll­ten; er bestimm­te auch, wel­che Prei­se zu ver­lan­gen, wel­che Gehäl­ter zu bezah­len und wel­che Divi­den­den oder ande­re Ein­kom­men den nomi­nel­len Pri­vat­ei­gen­tü­mern zu bezie­hen erlaubt waren.“

Mises sprach von einem „de fac­to staat­li­chen Eigen­tum an den Pro­duk­ti­ons­mit­teln“. Doch was den real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus in Nazi-Deutsch­land erst rich­tig besie­gelt habe, sei die Ein­füh­rung von Preis- und Lohn­kon­trol­len im Jah­re 1936 gewe­sen. „Die­se wur­den als Ant­wort auf die Infla­ti­on des Geld­an­ge­bots ein­ge­führt, die das Regime seit sei­ner Macht­er­grei­fung Anfang 1933 betrieb. Die Nazi-Regie­rung ließ immer mehr Geld dru­cken, um die immens anstei­gen­den Staats­aus­ga­ben zu finan­zie­ren, die für öffent­li­che Arbei­ten, Sub­ven­tio­nen und Wie­der­be­waff­nung erfor­der­lich waren.”

Es gibt eine berühm­te Foto­mon­ta­ge von John Heart­field mit dem Titel „Der Sinn des Hit­ler­gru­ßes“. Dort steht ein klei­ner, auf sei­ne übli­che Art – also nicht mit nach vorn aus­ge­streck­tem Arm, son­dern den Unter­arm non­cha­lant nach hin­ten abge­win­kelt – grü­ßen­der Hit­ler und bekommt von einem viel­fach grö­ße­ren Anzug­trä­ger ein Bün­del Geld­schei­ne in die offe­ne Hand gesteckt. Der Füh­rer ist nur eine Mario­net­te des Kapi­tals, soll­te das hei­ßen. Tat­säch­lich waren die Kräf­te­ver­hält­nis­se umge­kehrt, er hät­te sämt­li­che Kapi­ta­lis­ten in sei­nem Macht­be­reich jeder­zeit ein­fach ver­haf­ten oder erschie­ßen las­sen kön­nen, nie hat­ten die­se Män­ner Macht über ihn. Man muss nur die Feig­heit heu­ti­ger Kapi­ta­lis­ten oder bes­ser: Mana­ger stu­die­ren, die sich der woke­ness andie­nen und aus Oppor­tu­nis­mus der wirt­schafts­feind­li­chen Poli­tik der Grü­nen unter­wer­fen, obwohl ihnen kei­ne Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger dro­hen, um das zu begreifen.

Nichts ist durch­sich­ti­ger inter­es­sen­ge­lei­tet als die kom­mu­nis­ti­sche Theo­rie, die Nazis sei­en nur die Agen­ten des Groß­ka­pi­tals gewe­sen. In der Kriegs­wirt­schaft war der Staats­so­zia­lis­mus bereits her­ge­stellt. Um die Kapi­ta­lis­ten zu ein­fa­chen Volks­ge­nos­sen gleich­zu­schal­ten und de fac­to zu ent­eig­nen, das heißt kom­plett der staat­li­chen Kon­trol­le zu unter­wer­fen, fehl­te allein der „End­sieg”. Man darf nicht ver­ges­sen, dass die Natio­nal­so­zia­lis­ten, anders als ihre roten Zwil­lings­brü­der im Osten, nur zwölf Jah­re Zeit zur Ver­fü­gung hat­ten, um ihre Vor­stel­lun­gen durch­zu­set­zen. Es lie­gen eine Rei­he von Betrach­tun­gen dar­über vor, wie die Welt aus­sä­he, wenn Hit­ler den Krieg gewon­nen hät­te; dar­in geht es vor allem um sei­ne Eroberungs‑, Ver­nich­tungs- und Ver­skla­vungs­po­li­tik. Dass die­ser Poli­tik auch das freie Unter­neh­mer­tum zum Opfer gefal­len wäre, kam dane­ben offen­bar nicht so sehr in Betracht. In einem ver­rä­te­ri­schen Akten­ver­merk Hein­rich Himm­lers vom 21. Okto­ber 1942 heißt es, „wäh­rend des Krie­ges“ sei „eine grund­sätz­li­che Ände­rung unse­rer total kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schaft nicht mög­lich“. Danach wohl schon.

Zusam­men­fas­send lässt sich fest­stel­len, dass Hit­ler die Pri­vat­wirt­schaft behan­del­te, wie er die meis­ten staat­li­chen Insti­tu­tio­nen oder Ein­rich­tun­gen behan­del­te: Er besei­tig­te sie nicht, son­dern bau­te sie um, unter­warf sie sei­nem Wil­len, von man­chen Seg­men­ten ließ nur die Fas­sa­de ste­hen – es sei dar­an erin­nert, dass die Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung von den Nazis nie außer Kraft gesetzt wur­de. Hit­ler ver­band die Atti­tü­de des Revo­lu­tio­närs und Volks­tri­buns mit der des Tra­di­tio­na­lis­ten, dem eine gewis­se Kon­stanz der bür­ger­li­chen Insti­tu­tio­nen am Her­zen liegt. Er ver­hielt sich in die­ser Fra­ge so ambi­va­lent wie in der Abwä­gung zwi­schen staat­li­chen Vor­ga­ben und pri­vat­wirt­schaft­li­cher Kon­kur­renz­frei­heit. Ent­schei­dend war nur, dass alles unter sei­ner Kon­trol­le blieb.

Ich nann­te ein­gangs als einen der drei Haupt­aspek­te des Sozia­lis­mus die Kol­lek­ti­vie­rung. „Wir sozia­li­sie­ren die Men­schen”, erklär­te Hit­ler gegen­über Her­mann Rausch­ning (der als unse­riö­ser Zeu­ge gilt, doch die­ses Zitat fügt sich gut in Hit­lers sons­ti­ge Äuße­run­gen). Die Sozia­li­sie­rung der Ban­ken und Unter­neh­men sei dane­ben sekun­där: „Was ist das schon, wenn ich die Men­schen fest in eine Dis­zi­plin ein­ge­ord­net habe, aus der sie nicht herauskönnen?”

Betrach­tet man das öffent­li­che Erschei­nungs­bild des Drit­ten Reichs, dann fin­det sich kaum ein Unter­schied zu den kom­mu­nis­ti­schen Dik­ta­tu­ren des Ost­blocks: Es gibt nur eine Par­tei; deren Herr­schaft ist abso­lut, wenn­gleich die wirk­li­che Macht – bis über Leben und Tod aller – von einem klei­nen Klün­gel inner­halb der Par­tei­füh­rung aus­ge­übt wird; das gesam­te gesell­schaft­li­che Leben ist nach mili­tä­ri­schem Mus­ter durch­or­ga­ni­siert, das Leben des Ein­zel­nen des­glei­chen; bereits die Kin­der ste­cken in Ein­heits­klei­dung; das Kol­lek­tiv ist abso­lut, der Ein­zel­ne dem­ge­gen­über nichts; eine Fül­le von zen­tra­lis­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen saugt die Men­schen auf und bestimmt über ihren Tages­ab­lauf; die öffent­li­che Mei­nung ist gleich­ge­schal­tet; rund um die Uhr läuft Pro­pa­gan­da, regel­mä­ßig gibt es Mas­sen­kund­ge­bun­gen und Auf­mär­sche, über­all sieht man Fah­nen, Paro­len und Uni­for­men. Dazu passt, dass Hit­ler stän­dig Uni­form trug, wie Sta­lin, wie Mao, wie Pol Pot, Fidel Cas­tro oder Kim Jong-il auch.

Wer im Drit­ten Reich mit­spiel­te und nicht zu den ras­sisch oder poli­tisch Ver­folg­ten gehör­te – also die über­gro­ße Mehr­heit –, der führ­te bis zum Kriegs­be­ginn ein ähn­li­ches Leben wie spä­ter ein Ange­hö­ri­ger der über­gro­ßen Mehr­heit in der DDR. Das Leben war von der Wie­ge bis zur Bah­re vom Staat orga­ni­siert, ein Groß­teil davon fand in Kol­lek­ti­ven statt, denen man sich nur schwer ent­zie­hen oder ver­wei­gern konn­te, es gab eine staat­lich erwünsch­te Mei­nung und eine staat­lich erwünsch­te sozia­lis­ti­sche Lebens­wei­se, die Medi­en schrie­ben alle das glei­che, die Gren­zen waren dicht. Es dürf­te kaum über­trie­ben sein, auch die DDR einen natio­nal-sozia­lis­ti­schen Staat zu nen­nen; das Natio­na­le war zwar in der offi­zi­el­len Rhe­to­rik ver­pönt, aber das rigi­de Grenz­re­gime und die weit­ge­hen­de Unmög­lich­keit, ins Aus­land über­zu­sie­deln, mach­ten die DDR auto­ma­tisch dazu. („Was gibt es Natio­na­le­res als ‚Kei­ner rein, kei­ner raus?“, frag­te Leser ***.)

Man kann durch­aus zugleich natio­nal-sozia­lis­tisch – Sta­lin sprach nach der Besei­ti­gung der Trotz­kis­ten vom „Sozia­lis­mus in einem Lan­de” – und anti­fa­schis­tisch sein. Bezeich­nen­der­wei­se hat­ten ja bereits die brau­nen natio­na­len Sozia­lis­ten Vor­be­hal­te gegen­über den ori­gi­nä­ren Faschis­ten, obwohl sie gegen den­sel­ben Geg­ner standen.

Armin Moh­ler, der das Drit­te Reich als Zeit­zeu­ge erlebt hat, berich­tet in sei­nem Essay „Der faschis­ti­sche Stil”, wie er 1942 wäh­rend sei­nes Stu­di­ums in Ber­lin „gegen­über einem höhe­ren Hoch­schul­be­am­ten” den Namen Ernst Jün­ger erwähnt habe, wor­auf­hin der Mann, „ein lini­en­treu­er Natio­nal­so­zia­list”, ihn miss­trau­isch ange­blickt und „mit tadeln­dem Unter­ton” gesagt habe: „Jün­ger ist ein Faschist!” Und sogleich als Erklä­rung nach­schob: „Jün­ger kämpft nicht für sein Volk – im Krie­ge kämpf­te er um des Kämp­fens wil­len.” Hell­hö­rig gewor­den, so Moh­ler, habe er in der Fol­ge­zeit fest­ge­stellt, dass die Voka­bel „faschis­tisch” im inter­nen Gebrauch der Natio­nal­so­zia­lis­ten der „geistige(n) Dis­kri­mi­nie­rung” dien­te. Faschis­tisch zu sein, war „undeutsch”. Es waren Natio­nal­so­zia­lis­ten, die im Juli 1934 in Wien den faschis­ti­schen Kanz­ler Engel­bert Doll­fuß ermordeten.

Das hing im Wesent­li­chen damit zusam­men, dass der Faschis­mus im Gegen­satz zum Natio­nal­so­zia­lis­mus kle­ri­kal, inter­na­tio­nal, eli­tär, ästhe­ti­zis­tisch und tat­säch­lich rechts war. Die Faschis­ten woll­ten die bür­ger­li­che bzw. stän­di­sche Gesell­schaft und deren Tra­di­tio­nen gegen den Angriff von links ver­tei­di­gen, den der Mar­xis­mus und spe­zi­ell die rus­si­sche Revo­lu­ti­on los­ge­tre­ten hat­te, aber sie hat­ten nicht vor, eine sozia­lis­tisch nivel­lier­te Volks­ge­mein­schaft zu schaf­fen, ande­re Län­der zu erobern und die dor­ti­gen Völ­ker durch Umvol­kung suk­zes­si­ve aus­zu­rot­ten. Wel­cher Faschis­ten­füh­rer wäre auf die Idee gekom­men, sei­ne Lands­leu­te irgend­wo in den Step­pen des Ostens ansie­deln zu wol­len? Wer weiß heu­te noch, dass Ange­hö­ri­ge der von Horia Sima geführ­ten „Eiser­nen Gar­de”, radi­ka­le rumä­ni­sche Kle­ri­kal­fa­schis­ten, in Buchen­wald und Sach­sen­hau­sen ein­ge­sperrt waren? Sie hat­ten gegen Anto­nes­cu geputscht und muss­ten emi­grie­ren. Aber die Nazis konn­ten mit ihnen auch nichts anfangen.

Ein faschis­ti­scher Staat hät­te nicht, wie die Nazis, die Stan­des­schran­ken geschlif­fen und die Stan­des­pri­vi­le­gi­en abge­schafft – das Offi­ziers­korps etwa war im Ers­ten Welt­krieg und noch zur Zeit der Wei­ma­rer Repu­blik eine rei­ne Adelsdomäne.

„Hit­ler ist kei­nes­wegs so leicht als extrem rechts im poli­ti­schen Spek­trum ein­zu­ord­nen, wie vie­le Leu­te es heu­te zu tun gewohnt sind”, notier­te Sebas­ti­an Haff­ner in sei­nen berühm­ten „Anmer­kun­gen zu Hit­ler” (Mün­chen 1977). „Er war natür­lich kein Demo­krat, aber er war ein Popu­list: ein Mann, der sei­ne Macht auf Mas­sen stütz­te, nicht auf Eli­ten; in gewis­sem Sin­ne ein zu abso­lu­ter Macht gelang­ter Volks­tri­bun. Sein wich­tigs­tes Herr­schafts­mit­tel war Dem­ago­gie, und sein Herr­schafts­in­stru­ment war kei­ne geglie­der­te Hier­ar­chie, son­dern ein chao­ti­sches Bün­del unko­or­di­nier­ter, nur durch sei­ne Per­son an der Spit­ze zusam­men­ge­hal­te­ner Mas­sen­or­ga­ni­sa­tio­nen. Alles eher ‚lin­ke‘ als ‚rech­te‘ Züge.”

Haff­ner hat eben­falls dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die ein­zi­ge ernst­haf­te Oppo­si­ti­on gegen Hit­ler „rechts” von ihm stand und aus den kon­ser­va­ti­ven Funk­ti­ons­eli­ten stamm­te („ernst­haft” meint hier: aus Regim­eper­spek­ti­ve ober­halb der Ebe­ne eines Poli­zei­pro­blems ange­sie­delt). Sie gip­fel­te, wie jeder weiß, im Atten­tat des 20. Juli 1944, nach wel­chem der Füh­rer sein Bedau­ern dar­über kund­tat, dass er zwar mit den Kom­mu­nis­ten auf­ge­räumt, aber die reak­tio­nä­re Adels- und Offi­ziers­cli­que ver­ges­sen habe, „die­ses Gesin­del, das sich aus der eins­ti­gen Zeit her­über­ge­ret­tet hat”.

Ich habe noch zwei Zeit­zeu­gen, die sel­ten bis nie zitiert wer­den, obwohl – oder weil – ihre Aus­füh­run­gen in punc­to Sozia­lis­mus im NS-Staat sehr erhel­lend sind.

Zunächst Denis de Rouge­monts „Jour­nal aus Deutsch­land 1935–1936”. Der seit 1930 in Paris leben­de Schwei­zer lehr­te 1935/36 auf Ver­mitt­lung von Otto Abetz, des spä­te­ren deut­schen Bot­schaf­ters im besetz­ten Frank­reich, als außer­plan­mä­ßi­ger Dozent für Fran­zö­sisch an der Uni­ver­si­tät Frank­furt am Main. Die heu­te von den Sozia­lis­ten tabui­sier­te Fra­ge, die das Mot­to mei­nes Vor­trags bil­det, beschäf­tig­te sei­ner­zeit jeden ver­stän­di­gen Zeit­ge­nos­sen, also auch de Rouge­mont. Die Natio­nal­so­zia­lis­ten bezeich­net er als „Jako­bi­ner im Braun­hemd”, den Natio­nal­so­zia­lis­mus als „ein deut­sches Jako­bi­ner­tum”. Bei­de Extre­mis­men gemein­sam sei­en „die Kon­trol­le der Men­schen, die Ein­eb­nung des Ver­stan­des, die Ver­gött­li­chung der Mas­sen und die Abschaf­fung der Individuen”.

Er schrieb: „Ich kam mit der Über­zeu­gung aus Paris, der Natio­nal­so­zia­lis­mus sei eine ‚rech­te’ Bewe­gung, ein letz­ter Ver­such, den Kapi­ta­lis­mus und die bür­ger­li­chen Pri­vi­le­gi­en zu ret­ten. (…) Ich begeg­ne vie­len Ange­hö­ri­gen des Bür­ger­tums. Ich muss zuge­ben, dass sie alle gegen das Regime sind. Es ist ein ver­klei­de­ter Bol­sche­wis­mus, wie­der­ho­len sie (…) Sie bekla­gen sich dar­über, dass alle Refor­men zuguns­ten der Arbei­ter und der Bau­ern erfol­gen, dass die Höhe der Steu­ern sich zu einer Beschlag­nah­me des Kapi­tals ent­wi­ckelt hat und dass das Fami­li­en­le­ben zer­stört wird, die Auto­ri­tät der Eltern unter­gra­ben wird und die Reli­gi­on ver­fälscht, aus dem Erzie­hungs­we­sen eli­mi­niert und durch tau­send heim­tü­cki­sche Mit­tel metho­disch ver­folgt wird. (…) Bald wer­den sie kein Ver­mö­gen mehr haben, aber unter den neu­en Her­ren wer­den sie ihre Titel und Ämter behalten.”

„Der ‚Füh­rer des Unter­neh­mens’ darf sei­ne Arbei­ter nicht ent­las­sen, aber die­se dür­fen auch nicht strei­ken. Der sozia­le Frie­den wur­de durch die Fixie­rung der gegen­sei­ti­gen Pflich­ten auf einem höchst dürf­ti­gen, aber sta­bi­len Gerech­tig­keits­ni­veau erreicht.”

„Die Nazis haben ver­stan­den, dass der Wirt­schafts­so­zia­lis­mus nur die Hälf­te einer Dok­trin ist: Der Staat wird erst Herr über das Geld sein, wenn er Herr über die Men­schen ist.”

„Ihr ‚Natio­na­lis­mus’ (im bür­ger­li­chen Sin­ne) ist für sie ein Pro­pa­gan­da­mit­tel, ein Mit­tel, die Rech­ten zu ver­füh­ren und dem Aus­land Angst zu machen; aber die dahin­ter ste­hen­den Vor­stel­lun­gen des Regimes sind der strengs­te Staats­so­zia­lis­mus, der je erträumt wur­de; nicht ein Bour­geois wird das überleben.”

Das unter­streicht den vor­hin geäu­ßer­ten Befund. Die Natio­nal­so­zia­lis­ten besa­ßen nicht genug Zeit, um die Gesell­schaft bis in die letz­te Pore nach ihren Vor­stel­lun­gen umzu­ge­stal­ten; hät­ten sie den Krieg gewon­nen, wäre das Ende der Bour­geoi­sie besie­gelt gewe­sen. War­um hät­ten die NS-Bon­zen dann noch eine Klas­se von Unter­neh­mern an ihrer Sei­te dul­den sol­len? Wer hät­te sie dar­an hin­dern kön­nen, die­se Kon­kur­renz durch deren „Ein­glie­de­rung in die Volks­ge­nos­sen­schaft” zu beseitigen?

Auf den ande­ren Zeit­zeu­gen wies mich ein Leser hin. Der mir bis dahin unbe­kann­te Mann hieß Karl Iwa­no­witsch Albrecht, eigent­lich Karl Mat­thä­us Löw, leb­te von 1897 bis 1969, war Welt­kriegs­teil­neh­mer, KPD-Mit­glied, emi­grier­te 1924 in die Sowjet­uni­on, enga­gier­te sich in der KPdSU, wur­de als „Trotz­kist” 1932 aus­ge­schlos­sen, zum Tode ver­ur­teilt, spä­ter ins Reich abge­scho­ben – er war deut­scher Staats­bür­ger geblie­ben –, wo er sogleich im Gesta­po-Gefäng­nis lan­de­te, auf frei­en Fuß kam, neu­er­lich ins Aus­land floh und nach eini­gen Irrun­gen durch die Tür­kei und die Schweiz – es gab Zei­ten, da hat­ten Men­schen noch Bio­gra­phien, kei­ne Lebens­läu­fe – das anti­kom­mu­nis­ti­sche Buch „Der ver­ra­te­ne Sozia­lis­mus” schrieb, mit dem er sich gewis­ser­ma­ßen bei den Nazis habilitierte.

Es war der ers­te Fall, dass ein pro­mi­nen­ter sowje­ti­scher Funk­tio­när zu ihnen über­ge­lau­fen war. Das Buch wur­de von der NS-Pro­pa­gan­da geprie­sen und im Reich zum Best­sel­ler. 1944 über­stieg die Gesamt­auf­la­ge die Zwei-Mil­lio­nen-Gren­ze. Zuletzt dien­te Albrecht als Adju­tant bei Gene­ral Andrej Andre­je­witsch Wlas­sow, dem Kom­man­deur der rus­si­schen Frei­wil­li­gen­ar­mee, die an der Sei­te des Teu­fels für die Befrei­ung ihrer Hei­mat von der Herr­schaft Satans kämpf­te (leb­te Sopho­kles noch, er fän­de allein dar­in Stoff für min­des­tens eine Tri­lo­gie). Nach dem Krieg setz­ten die Kom­mu­nis­ten in der Ost­zo­ne das Buch sofort auf den Index.

Karl Iwa­no­witsch Albrecht wid­me­te sein Buch: „Den Opfern des Bol­sche­wis­mus. Den Toten des unglück­li­chen rus­si­schen Vol­kes zum Gedächt­nis. Den wah­ren Sozia­lis­ten in aller Welt zur War­nung“. Im Vor­wort – Ber­lin, im Juni 1942 – nennt er Adolf Hit­ler einen „der größ­ten Sozia­lis­ten aller Zei­ten“ und schließt mit den Sät­zen, „daß die Frucht des Sie­ges, des­sen wir gewiß sind, die­se neue bes­se­re Welt sein wird, die wir Sozia­lis­ten stets ersehn­ten: Eine Welt der sozia­lis­ti­schen Gleich­heit, eine Welt wahr­haf­ter sozia­lis­ti­scher Gleich­heit, Frei­heit und Brü­der­lich­keit, eine Welt wahr­haf­ter sozia­lis­ti­scher Völkergemeinschaft.“

Die aktu­el­len Sozia­lis­ten wer­den natür­lich behaup­ten, das sei alles Mas­ke­ra­de, Pro­pa­gan­da, Eti­ket­ten­schwin­del, Lüge gewe­sen. Sozia­lis­ten strei­ten sich ja immer dar­über, wer von ihnen den „wah­ren Sozia­lis­mus“ reprä­sen­tie­re. Mir als Anti­so­zia­lis­ten ist das gleich­gül­tig, mir sind sämt­li­che Sozia­lis­ten zuwi­der, in wel­cher Fär­bung oder Uni­form auch immer.

Es war jeden­falls kein oder allen­falls ein maß­vol­ler Eti­ket­ten­schwin­del, dass Hit­ler sei­nen poli­ti­schen Kampf­bund „Arbei­ter­par­tei” nann­te. Als der Füh­rer sich am 30. Novem­ber 1941 in einem sei­ner legen­där-berüch­tig­ten Mono­lo­ge der „Kampf­zeit” erin­ner­te, offen­bar­te er: „Mei­ne dama­li­ge Par­tei war doch zu neun­zig Pro­zent aus Links-Leu­ten zusam­men­ge­setzt. Ich habe nur Leu­te brau­chen kön­nen, die geprü­gelt haben.”

Im Übri­gen kam es direkt nach der Macht­über­nah­me der Natio­nal­so­zia­lis­ten im Früh­jahr 1933 zu spon­ta­nen „anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen” Ter­ror­ak­ten von SA-Leu­ten gegen Ban­ken und Bör­sen­vor­stän­de. Und 1926 woll­te der Stra­ßer-Flü­gel der Par­tei den von den Kom­mu­nis­ten bean­trag­ten Volks­ent­scheid zur Ent­eig­nung der Fürs­ten­häu­ser unter­stüt­zen, was Hit­ler aus tak­ti­schen Grün­den unterband.

Der His­to­ri­ker Joa­chim Fest schrieb: „Als im Früh­jahr 1933 gan­ze kom­mu­nis­ti­sche Kampf­for­ma­tio­nen geschlos­sen in die SA über­tra­ten, wur­de das von den roten Par­tei­sol­da­ten kei­nes­wegs als Bruch emp­fun­den, und der Ber­li­ner Volks­witz, der die­se Ein­hei­ten als ‚Bulet­ten­stür­me’ ver­höhn­te (‚außen braun, innen rot’) deckt auf, wie nahe bei­ein­an­der auch die Öffent­lich­keit die einen und die ande­ren wahr­nahm. Man wech­sel­te sozu­sa­gen nur den Anfüh­rer und die Fah­ne, nicht ein­mal die Treff­knei­pe. Im Her­zen blieb man Sozia­list, nur dass man von nun an auch noch natio­nal sein durf­te, kein ‚Vater­lands­ver­rä­ter’ der Komintern.”

Des­we­gen konn­ten die Kom­mu­nis­ten nach Sta­lins Sieg über Hit­ler den sozia­lis­ti­schen Sei­ten­wechs­lern in der spä­te­ren DDR auch ein Rück­ti­cket offe­rie­ren. „Nomi­nel­ler PG“, hieß es auf einem Flug­blatt, „die SED ruft dich zur Mit­hil­fe am Neu­auf­bau Deutsch­lands! Sie ruft dich dann, wenn du nicht aus mate­ri­ell ego­is­ti­schen Grün­den, son­dern aus Über­zeu­gung und Idea­lis­mus einst­mals zur NSDAP gegan­gen bist, wenn du dort­hin gingst im Glau­ben, das Gute im Sozia­lis­mus zu fin­den, dann komm zu uns, denn was Hit­ler dir ver­spro­chen hat und nie­mals hielt, das wird dir die SED geben.“

Den „wah­ren“ Sozia­lis­mus näm­lich. Jenen „wah­ren“ Sozia­lis­mus, der dort, wo immer er in Angriff genom­men wur­de, sofort zum fal­schen Sozia­lis­mus, zum Staats­ter­ro­ris­mus ent­ar­te­te. Der „wah­re“ Sozia­lis­mus ist unauf­find­bar. Eine Illu­si­on. Was die Lin­ken nicht hin­dert, es wie­der und wie­der zu versuchen.

Wir hat­ten gefragt, ob „die“ Nazis sich für Sozia­lis­ten hiel­ten. Die Ant­wort lau­tet: Sie hiel­ten sich nicht nur dafür. Sie waren Sozia­lis­ten, wie ihre roten Milch­brü­der und inter­na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Fress­fein­de, deren Metho­den sie kopiert haben. Rot ist das Ori­gi­nal, Braun die Kopie. Und die­ser Schoß ist in der Tat frucht­bar noch.

 

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