9. Oktober 2023

Noti­zen zum Wahlabend.

Der gro­ße öffent­li­che Intel­li­genz­test in Bay­ern und Hes­sen zei­tig­te halb­wegs zufrie­den­stel­len­de Resul­ta­te. Die Mehr­heit der Wäh­ler votier­te gegen den rot-grü­nen Gesell­schafts­um­bau. Wäh­rend der wach­sen­de blaue Bal­ken die Fie­ber­kur­ve des Lan­des beschreibt, signa­li­siert der schwin­den­de grü­ne den Wohl­stands­ver­lust. Grün zu wäh­len, muss man sich leis­ten kön­nen. Aber Deutsch­land ist kein rei­ches Land mehr und war es im Grun­de nie, Pro-Kopf-Ver­mö­gen und Immo­bi­li­en­be­sit­zer­an­teil sind im euro­päi­schen Ver­gleich lächer­lich nied­rig; Deutsch­land war leis­tungs­fä­hig. Das heißt, die Poli­ti­ker konn­ten hin­rei­chend vie­le Steu­ern ein­trei­ben, um ihre sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Innen- und pazi­fis­ti­sche Außen­po­li­tik zu bezah­len. Bis die­ses arme Land sich die grü­ne Krank­heit ein­fing. Dage­gen, dass sie chro­nisch und schließ­lich letal wird, rebel­liert anschei­nend das kol­lek­ti­ve Immun­sys­tem nun doch.

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Die State­ments der Poli­ti­ker in den TV-Run­den am Wahl­abend sind so unend­lich lang­wei­lig und abge­schmackt, dass es einen Tan­ta­los graust. Ein­zig der jewei­li­ge AfD-Ver­tre­ter, gegen den sich alle ande­ren samt Mode­ra­tor sofort zusam­men­schlie­ßen, bringt eine gewis­se Unbe­re­chen­bar­keit und damit etwas Unter­hal­tung ins Spiel.

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Die öffent­lich-recht­li­chen Demo­sko­pen ver­mel­den dem Publi­kum die Wäh­ler­wan­de­rung bis auf die Zehn­tau­sen­der­stel­le; ich fra­ge mich, wie sie das über­haupt mes­sen kön­nen*. Aber sei’s drum, auch dies­mal sind wie­der Wäh­ler gewan­dert, unter ande­rem zwi­schen CDU und SPD, und da die SPD gera­de regiert mehr­heit­lich in Rich­tung CDU. Der stur­heil deut­sches­te und mir unver­ständ­lichs­te Wäh­ler­schlag sind die­je­ni­gen, die wie ein Pul­sar zwi­schen Uni­on und Sozis oszil­lie­ren, also erst die einen wäh­len, von ihnen ent­täuscht wer­den, dann zu den ande­ren wech­seln, um sich neu­er­lich ent­täu­schen zu las­sen und zu den ers­te­ren zurück­zu­keh­ren, wo sie ihren nächs­ten Mur­mel­tier­tag erle­ben. Ist das Dumm­heit? Welt­flucht? Illu­si­ons­be­dürf­tig­keit? Her­dent­rott? Sta­bi­li­täts­wunschnar­ren­tum? Wahr­schein­lich von allem etwas. Sowie der Stumpf­sinn einer schlech­ten, aber aner­kann­ten Gewohnheit.

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Es wird immer pene­tran­ter, wie sämt­li­che Alt-oder Block­par­tei­ver­tre­ter, die Figu­ren von der SED ein­ge­schlos­sen, von sich als „den demo­kra­ti­schen Par­tei­en” spre­chen und damit, nach der­zei­ti­gem Umfra­ge­stand, ca. zehn Mil­lio­nen Wäh­lern beschei­ni­gen, ihre Stim­me Nicht­de­mo­kra­ten zu geben – die Ter­mi­ni „Demo­kra­tie” und „Demo­kra­ten” sei­en wie hier gewohnt nicht ohne iro­ni­schen Bei­klang ver­wen­det. Beson­ders „demo­kra­tisch” ver­hal­ten sie selbst sich nicht. Nächs­te Woche wird im Bun­des­tag ein Antrag des MdB Wan­der­witz, CDU, ver­han­delt, der dem neu­bun­des­deutsch-neo­de­mo­kra­ti­schen run­ning gag, die Oppo­si­ti­on ein­fach ver­bie­ten zu wol­len, einen neu­en Anlauf ver­schaf­fen – also die genann­ten zehn Mil­lio­nen Stimm­ab­ge­ber kom­plett ent­mün­di­gen – soll.

Aus Angst vor den Medi­en und dem Twit­ter­mob begibt sich die Uni­on (außer­halb Bay­erns) der poli­ti­schen Opti­on, kon­ser­va­ti­ve Koali­tio­nen zu bil­den, und geht den Lin­ken auf den Leim, die sie über die­sen beque­men Hebel fest in der Hand haben. Mit dem Resul­tat, dass die Uni­on ent­we­der mit den Roten oder den Grü­nen regiert oder gar nicht. In Hes­sen gibt es eine kon­ser­va­ti­ve Mehr­heit, doch die Uni­on koaliert mit den Grü­nen, die weder vom deut­schen Volk, noch von der deut­schen Wirt­schaft, noch von der deut­schen Kul­tur viel übrig las­sen wol­len – von der deut­schen Natur streng­ge­nom­men auch nicht –, und lässt sich von den Medi­en und dem NGO-Unter­stüt­zer­sumpf deren extre­mis­ti­sche Agen­da auf­drän­gen. Ein erbärm­li­ches Schauspiel.

In den ost­deut­schen Lan­des­ver­bän­den, heißt es, rumort Wider­wil­le gegen die­se Selbst­kas­tra­ti­on. Ex ori­en­te lux – war­um soll­te das nicht auch bald für die CDU gelten?

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„Ver­ließ man vor dem Bau der Mau­er den unfrei­en Teil Ber­lins, muss­te man ein Schild pas­sie­ren: ‚Sie ver­las­sen den Demo­kra­ti­schen Sek­tor von Ber­lin’. Lässt man der­zeit bei Wah­len die sich selbst so bezeich­nen­den ‚Demo­kra­ti­schen’ Par­tei­en hin­ter sich, erzielt man ein ver­gleich­ba­res Gefühl von Frei­heit.” (Leser ***)

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Bei den TV-Gesprächs­run­den am Wahl­abend gab es prak­tisch nur ein The­ma: die Mas­sen­mi­gra­ti­on. Kein Mensch (außer dem abge­wähl­ten Lin­ken) rede­te mehr vom Welt­kli­ma­not­stand und des­sen Gene­sung am deut­schen Wesen. Spe­zi­ell die Brand­stif­ter aus der Mer­kel­trup­pe rufen heu­te „Feu­er!“ Inso­fern kann von einem AfD-Wahl­sieg gespro­chen werden.

Was die AfD außer dem Migra­ti­ons­the­ma anzu­bie­ten habe, fru­gen mehr­fach die TV-Inter­view­er. Haben Sie außer der Schick­sals­fra­ge Euro­pas wirk­lich nichts auf der Pfan­ne? Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit? Toi­let­ten für Diver­se? Femi­nis­ti­sche Außen­po­li­tik in Nige­ria? Rad­we­ge? Elek­tro­mo­bi­li­tät? Mehr Sozialwohnungen?

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Der SED-Ver­tre­ter in der Ber­li­ner Run­de emp­fand übri­gens kei­nen Wider­spruch zwi­schen sei­ner Kla­ge, es gebe zu weni­ge bezahl­ba­re Woh­nun­gen in ’schland, und dem Ver­lan­gen sei­nes Ver­eins nach unbe­schränk­ter Einwanderung.

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Mün­chen bleibt die Haupt­stadt der Bewe­gung: Fast jeder Drit­te – über 30 Pro­zent – wählt die Grü­nen. Zur Beloh­nung soll­ten min­des­tens 30 Asy­lan­ten­hei­me in die Stad­be­zir­ke mit beson­der hoher Wohl­mei­nen­den­dich­te gepflanzt wer­den. (Der Begriff „Urnen­wahl” könn­te dann da und dort nach­träg­lich eine völ­lig neue Bedeu­tung gewinnen.)

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Es war, glau­be ich, ein CSU-Mann (es kann aber auch jeder belie­bi­ge Ander­spar­tei­far­bi­ge gewe­sen sein), der erklär­te, eine Par­tei, die wäh­rend der Rede von Char­lot­te Knob­loch am Holo­caust-Gedenk­tag geschlos­sen den Ple­nar­saal ver­las­se, sei rechtsextrem/antisemitisch/unwählbar/etc., aber er erwähn­te nicht, war­um die Teu­fels­brü­der und ‑schwes­tern am 23. Janu­ar 2019 genau das taten: Sie woll­ten sich nicht län­ger beschimp­fen las­sen. Knob­loch hat­te näm­lich gesagt: „Heu­te und hier ist eine Par­tei ver­tre­ten, die die­se Wer­te (es han­delt sich wahr­schein­lich um die „demo­kra­ti­schen” – M. K.) ver­ächt­lich macht, die die Ver­bre­chen der Natio­nal­so­zia­lis­ten ver­harm­lost und enge Ver­bin­dun­gen ins rechts­extre­me Milieu unter­hält. Die­se soge­nann­te Alter­na­ti­ve für Deutsch­land grün­det ihre Poli­tik auf Hass und Aus­gren­zung und steht – nicht nur für mich – nicht auf dem Boden unse­rer demo­kra­ti­schen Verfassung.”

Nie­mand ist ver­pflich­tet, sich so etwas anzuhören. **

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Es war eigent­lich jedem Ver­stän­di­gen klar, dass die FDP sich in die­ser „Ampel” rui­nie­ren wür­de. Aber Ver­stän­di­ge sucht man in einer Par­tei, die sich frei­heit­lich nennt und zugleich ein „Hin­weis­ge­ber­schutz­ge­setz” ver­ab­schie­det, Min­der­jäh­ri­gen die Geschlechts­um­wand­lung ermög­li­chen und Migran­ten noch schnel­ler und bedin­gungs­lo­ser ein­bür­gern will als die Grü­nen, wohl ver­ge­bens. Und Cha­rak­ter­na­tu­ren, denen Mit­re­gie­ren nicht über wirk­lich jeden poli­ti­schen Stand­punkt geht, erst recht.

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Unse­re Bun­des­mi­nis­te­rin für Hal­tungs­zwang, Hass­pro­phy­la­xe und Haus­durch­su­chun­gen, Nan­cy „Nan­ny” Fae­ser, hat für ihre Par­tei ein pein­lich schlech­tes Ergeb­nis „ein­ge­fah­ren”, doch ein Mensch mit einem Emp­fin­den für Pein­li­ches wird ja nicht Poli­ti­ker. Sonst müss­te sie nach einer sol­chen Bla­ma­ge sofort zurück­tre­ten. Als Ideo­lo­gin und Gesin­nungs­tä­te­rin wird sie aber nicht dar­auf ver­zich­ten, noch zwei Jah­re lang die Oppo­si­ti­on und über­haupt Anders­den­ken­de („Rech­te”) mit allen Mit­teln der gelenk­ten Demo­kra­tie und des okku­pier­ten Rechts­staa­tes nach Bonz*:_innenherzenslust drang­sa­lie­ren zu dürfen.

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Franz Josef Strauß sprach am 7. Okto­ber 1986 auf dem CDU-Par­tei­tag in Mainz die Ora­kel­wor­te: „Wenn die­se Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land einen fun­da­men­ta­len Wan­del in Rich­tung Rot-Grün voll­zie­hen wür­de, dann wäre unse­re Arbeit der letz­ten vier­zig Jah­re umsonst gewe­sen, dann wäre das Schick­sal der Leben­den unge­wiß, und die Zukunft der kom­men­den Gene­ra­tio­nen wür­de auf dem Spie­le stehen.“

Genau das ist ein­ge­tre­ten: Das Schick­sal der Leben­den ist unge­wiss gewor­den, die Zukunft kom­men­der Gene­ra­tio­nen steht auf dem Spiel. Und Söder wür­de Strauß heu­te einen Rechts­po­pu­lis­ten nen­nen, sofern die Umfra­gen nicht etwas ande­res hergäben.

 

* „Die Wäh­ler­wan­de­rung wird mit sog. Exit-Polls ermit­telt”, erläu­tert Leser ***. „Der, der das Wahl­lo­kal ver­lässt, wird gefragt, was er gewählt habe. Zur Wahr­heits­über­prü­fung wird wei­ters gefragt, was er bei der letz­ten Wahl gewählt hat, deren Pro­zent­ver­hält­nis­se bekannt sind. Stim­men die Ver­hält­nis­se über­ein, wird ver­mu­tet, dass er bzgl. der aktu­el­len Wahl­aus­kunft nicht gelo­gen hat.”

** Lese­rin *** mel­det Wider­spruch an: „Wenn ich mei­nem vor­der­grün­dig auf Infor­ma­ti­ons­be­darf, doch auch – Gott sei‘s geklagt –, Sen­sa­ti­ons­lust fußen­den Impuls nach­ge­be, Bun­des­tags­de­bat­ten anzu­schau­en, ärge­re ich mich regel­mä­ßig über die fast schon exhi­bi­tio­nis­tisch zur Schau gestell­te Ver­ach­tung der Oppo­si­ti­on durch die Alt­ein­ge­ses­se­nen. Gelingt es einem Mar­gi­na­li­sier­ten am Rede­pult, sei­nen Wort­pfeil im Bull­seye zu plat­zie­ren (ein Fall, der rela­tiv häu­fig ein­tritt), fällt den geschol­te­nen Main­strea­mern nichts Bes­se­res ein, als im Reflex der Über­sprungs­hand­lung plötz­lich unheim­lich wich­ti­ge, unauf­schieb­ba­re Vier­au­gen­ge­sprä­che zu initi­ie­ren oder das Mobil­te­le­fon zu zücken und hoch­gra­dig betrieb­sam dar­auf her­um­zu­wi­schen. Oder, ganz ‚kon­se­quent’, den Saal zu ver­las­sen. Das ist ein­fach, denn dafür ist ihnen der Applaus der zahl­rei­chen Hal­tungs­ge­nos­sen im Lan­de gewiss, die einen hin­ge­wor­fe­nen Blu­men­strauß als Pseu­do­feh­de­hand­schuh zu iden­ti­fi­zie­ren nicht in der Lage sind.

Mei­ner Ansicht nach gehört es aber zum Berufs­bild des Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten, die Äuße­run­gen incl. Anwür­fe der Kol­le­gen auf­merk­sam anzu­hö­ren. (Ich gön­ne ihnen die über 10.000 Euro, die sie u. a. dafür erhal­ten, auch von Her­zen, obschon ich bedaue­re, dass die­se Sum­me sich offen­sicht­lich nicht als eine kor­rup­ti­ons­prä­ven­ti­ve Inves­ti­ti­on unse­rer Steu­er­gel­der erweist.) Sich als Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter Bun­des­tags­re­den, sei­en sie auch noch so tref­fend-unan­ge­nehm, intel­lek­tu­ell unter­ir­disch oder fak­ten­be­freit, kör­per­lich und/oder geis­tig zu ent­zie­hen, womög­lich noch, ‚um ein Zei­chen zu set­zen’, ist in mei­nen Augen kein son­der­lich rei­fes Verhalten.
Ich hof­fe, wir erle­ben einst die Renais­sance der höf­li­chen Umgangs­for­men und sach­li­chen Debat­ten­kul­tur auch über poli­ti­sche Dif­fe­ren­zen hin­weg, denn ‚Wer die Form zer­stört, beschä­digt auch den Inhalt’ (Her­bert von Karajan).”
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