8. Dezember 2023

Noch­mals zum Her­e­ro­auf­stand 1904 und sei­ner Ein­stu­fung als „Völ­ker­mord”. Wer das The­ma für unwich­tig hält, sei dar­an erin­nert, dass die Bun­des­re­gie­rung 1,1 Mil­li­ar­den Euro­nen von den, im aller­wei­tes­ten Sin­ne, Nach­kom­men der Sied­ler an die Nach­kom­men der Here­ro trans­fe­rie­ren will, obwohl die Beweis­la­ge umstrit­ten ist und kei­ner­lei juris­ti­scher Zwang vor­liegt, aus schie­rem regie­rungs­of­fi­zi­el­len anti­deut­schen Mise­ra­bi­lis­mus – und das wird nur ein Anfang sein.

Was ist ein Völ­ker­mord und seit wann? Die Fra­ge lässt sich leicht beant­wor­ten. Der Straf­tat­be­stand exis­tiert im Völ­ker­recht seit 1948, als direk­te Reak­ti­on auf die Schoa.

„In who­le or in part”: Das ist natür­lich kei­ne Defi­ni­ti­on, son­dern ein Aller­lei; wie groß der Teil sein muss, damit der Völ­ker­mord­tat­be­stand erfüllt ist, steht nir­gend­wo. Als ein­zi­ges Kri­te­ri­um bleibt die Absicht, der Vor­satz, die Pla­nung, ein Volk oder eine nationale/ethnische/rassische/religiöse Grup­pe „in Tei­len oder als gan­ze” ver­nich­ten zu wol­len. Hat der­je­ni­ge, der 1400 Men­schen tötet und dabei die Absicht ver­kün­det, alle Ver­tre­ter die­ser Grup­pe umbrin­gen zu wol­len – wie unlängst die Hamas –, bereits einen Völ­ker­mord begangen?

(Link)

Die Defi­ni­ti­on taugt nicht viel und müss­te erst durch Prä­ze­denz­ur­tei­le sub­stan­ti­iert wer­den. Der ame­ri­ka­ni­sche Bom­ben­krieg in Viet­nam, um ein belie­bi­ges Bei­spiel zu nen­nen, war nach die­sen Kri­te­ri­en ein Völ­ker­mord. Unter den Prä­mis­sen von Arti­kel II., a, b, c fällt die Ver­trei­bung der Deut­schen aus den Ost­ge­bie­ten ein­deu­tig unter Völ­ker­mord. Und nicht nur das: Punkt b – das Zufü­gen von see­li­schen Schä­den – wie auch Punkt c – die absicht­li­che Unter­wer­fung unter Lebens­be­din­gun­gen, die auf die völ­li­ge oder teil­wei­se phy­si­sche Zer­stö­rung der Grup­pe abzie­len – sind heu­te in Tei­len West­eu­ro­pas für vie­le Indi­ge­ne Rea­li­tät, die als Fol­gen der Migra­ti­ons­po­li­tik in ihren eins­ti­gen Hei­ma­ten unter über­wie­gend eth­nisch-kul­tu­rell Frem­den leben, ohne je gefragt wor­den zu sein. UN-Migra­ti­ons­pakt, Repla­ce­ment-Migra­ti­on, Mul­ti­kul­ti, die Ver­wand­lung ehe­mals west­li­cher Stadt­tei­le in ara­bisch-afri­ka­ni­sche, all das ten­diert nach den zitier­ten Kri­te­ri­en gen schlei­chen­der „Völ­ker­mord”, oder, wie ein Jour­na­list lau­nig schrieb, „Völ­ker­ster­ben von sei­ner schöns­ten Sei­te”. Ein Zeit­li­mit ist in der UN-Defi­ni­ti­on ja nicht angegeben.

Sie wol­len die Völ­ker abschaf­fen, sie für ras­sis­ti­sche Kon­struk­te erklä­ren und zugleich Völ­ker­mord unter Stra­fe stel­len, sogar nach­träg­lich – und was jenen angeb­lich an den Here­ro ver­üb­ten betrifft: unter ver­schärf­te Geld­bu­ße. Da dies juris­tisch nicht zu hal­ten ist, setzt in die­sem Fal­le die poli­ti­sche Ent­schei­dung das Recht. Völ­ker­mord ist die Jacke, die die Bun­des­re­gie­rung als bis­lang ein­zi­ge der Welt rück­wir­kend ihrem Land bzw. Volk anzieht, um vor der Welt ihren mora­li­schen Hei­li­gen­schein zu polie­ren. „In Deutsch­land erlangt nur Macht, wer die poli­ti­sche Ohn­macht Deutsch­lands ver­ste­tigt” (Gün­ter Maschke). Wer das per­vers fin­det, scheint es immer­hin selbst nicht zu sein.

Offen bleibt nach der UN-Defi­ni­ti­on die Fra­ge, ob ein Völ­ker­mord auf deut­scher Sei­te inten­diert war. Auf deut­scher Sei­te meint: Gene­ral von Tro­tha und nie­mand außer­dem, denn weder der Gene­ral­stab noch die Reichs­re­gie­rung noch S.M. hat­ten der­glei­chen befoh­len oder ange­wie­sen. Ein „Töten von Ange­hö­ri­gen der Grup­pe”, das „Zufü­gen von schwe­ren kör­per­li­chen oder see­li­schen Schä­den bei Ange­hö­ri­gen der Grup­pe” sowie „die absicht­li­che Unter­wer­fung unter Lebens­be­din­gun­gen, die auf die völ­li­ge oder teil­wei­se phy­si­sche Zer­stö­rung der Grup­pe abzie­len”, all das fand ja statt, fin­det in jedem Krieg statt, nur eben: Mit der Absicht oder dem Wunsch, das gesam­te Volk zu ver­nich­ten? Theo­re­tisch wäre es also mög­lich, dass ein Dik­ta­tor eine Mil­li­on Men­schen umbrin­gen lässt, aber nicht die Absicht hegt, das Volk oder die Grup­pe zu besei­ti­gen, wäh­rend ein ande­rer ein paar hun­dert mit ver­schwie­mel­ten Kom­plett­aus­rot­tungs­phan­ta­sien aus der Welt schafft, der dann als Völ­ker­mör­der zu gel­ten hätte.

***

Den Vor­wurf, die Schutz­trup­pe habe in Deutsch-Süd­west einen „Völ­ker­mord” ver­übt, hat übri­gens ein SED-His­to­ri­ker in die Welt gebracht. Dass sich die SED-Frak­ti­on im Bun­des­tag die­ser Tage auf­lös­te, soll­te nicht den Blick auf ihren schluss­end­li­chen Tri­umph in vie­len gesell­schaft­li­chen und geschichts­po­li­ti­schen Punk­ten ver­schlei­ern. Der Gene­ral­se­kre­tär der SED und der aktu­el­le deut­sche Bun­des­prä­si­dent lägen in ihrer Beur­tei­lung des Kai­ser­reichs ganz auf einer Linie.

Die Bun­des­re­gie­rung stieg erst­mals in Gestalt von Hei­de­ma­rie Wic­zo­rek-Zeul, SPD, wei­land Bun­des­ent­wick­lungs­mi­nis­te­rin, in die Selbst­be­zich­ti­gung ein, wel­che seit­her macht­voll cre­scen­diert. Anläss­lich des 100. Jubi­lä­ums der Schlacht am Water­berg, die nicht nur aus Sicht der Here­ro ein Unent­schie­den war und nach der sie sich in die Oma­he­ke-Tro­cken­sa­van­ne zurück­zo­gen, erklär­te die deut­sche Send­bo­tin am 15. August 2004 in Oka­kara­ra: „Die dama­li­gen Greu­el­ta­ten waren das, was man heu­te als Völ­ker­mord bezeich­nen würde.”

Seit 2015 spricht die Bun­des­re­gie­rung ganz offi­zi­ell von einem „Völ­ker­mord“ an den Here­ro und Nama. „Bun­des­tags­prä­si­dent Lam­mert nennt Mas­sa­ker an Here­ro Völ­ker­mord“, froh­lock­te Zeit Online am 8. Juli 2015. Unter der Über­schrift „Spä­tes Bekennt­nis zum Völ­ker­mord“ mel­de­te die Ber­li­ner Zei­tung am 11. Juli: „Nach Anga­ben des Aus­wär­ti­gen Amts gilt für die Bun­des­re­gie­rung nun der Satz: ‚Der Ver­nich­tungs­krieg in Nami­bia von 1904 bis 1908 war ein Kriegs­ver­bre­chen und Völ­ker­mord.‘ Die­se For­mu­lie­rung stammt aus einem Antrag, den Außen­mi­nis­ter Frank-Wal­ter Stein­mei­er 2012 als SPD-Frak­ti­ons­chef in den Bun­des­tag ein­ge­bracht hatte.“

Im Mai 2021 sekun­dier­te der dama­li­ge Außen­mi­nis­ter Hei­ko „Auf­ste­hen-statt-weg­du­cken” Maas (eben­falls SPD): „Deutsch­land erkennt Ver­bre­chen an Here­ro und Nama als Völ­ker­mord an”. Im Süd­deut­schen Beob­ach­ter las man am 28. Mai 2021: „Es geht um ein Schuld­ein­ge­ständ­nis, eine Bit­te um Ver­ge­bung – und um einen Mil­li­ar­den­be­trag.“ Im Mai 2021 wur­de eine deutsch-nami­bi­sche Gemein­sa­me Erklä­rung (Joint Decla­ra­ti­on) unter­zeich­net; danach über­nimmt Deutsch­land die mora­li­sche Ver­ant­wor­tung für die Gewalt­ta­ten, bezeich­net die­se als „Völ­ker­mord aus heu­ti­ger Sicht“, ent­schul­digt sich dafür bei den Nach­fah­ren der Opfer und leis­tet – zusätz­lich zu der sons­ti­gen Ent­wick­lungs­hil­fe – Zah­lun­gen in Höhe von ca. 1,1 Mrd. Euro inner­halb der nächs­ten 30 Jahre.

Ver­tre­ter der Here­ro und Nama haben die­se Ver­ein­ba­rung als unzu­rei­chend kri­ti­siert und for­dern wei­te­re Ent­schä­di­gungs­zah­lun­gen von Deutsch­land. Dazu haben sie bereits meh­re­re Kla­gen vor US-ame­ri­ka­ni­schen Gerich­ten ein­ge­reicht, die jedoch abge­wie­sen wur­den. Der Grund ist, dass es 1904 den juris­ti­schen Tat­be­stand „Völ­ker­mord“ nicht gab und ein sol­cher nicht rechts­ver­bind­lich rück­wir­kend ein­ge­führt wer­den kann. „Die offi­zi­el­le Aner­ken­nung von kolo­nia­lem Unrecht als ‚Völ­ker­mord‘ begrün­det kei­ne völ­ker­recht­li­chen Ansprü­che auf Repa­ra­tio­nen oder Scha­dens­er­satz. Der im Kon­text der Ver­hand­lun­gen eines deutsch-nami­bi­schen Ver­söh­nungs­ab­kom­mens dis­ku­tier­te und von der Bun­des­re­gie­rung bis­lang pro­pa­gier­te Zusatz ‚aus heu­ti­ger Sicht‘ ist (recht­lich) nicht erfor­der­lich, um sol­chen Ansprü­chen ‚vor­zu­beu­gen‘ oder sie aus­zu­schlie­ßen. Der Zusatz ist viel­mehr rein poli­tisch-dekla­ra­to­ri­scher Natur und ent­fal­tet kei­ne recht­li­che Wir­kung“, befan­den die Wis­sen­schaft­li­chen Diens­te des Bun­des­ta­ges in gera­de­zu unstatt­haf­ter Nüch­tern­heit („Zur Aner­ken­nung kolo­nia­len Unrechts als Völ­ker­mord. Inter­tem­po­ra­les Völ­ker­recht im Kon­text des deutsch-nami­bi­schen Ver­söh­nungs­ab­kom­mens“, 2023)

Es han­delt sich, wie gesagt, um eine poli­ti­sche Ent­schei­dung, kei­ne juris­ti­sche. Aber ist sie his­to­risch gerechtfertigt?

***

Zitie­ren wir aus dem Mär­chen- und Sagen­schatz der Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bildung.

Kein Wort, by the way, über 130 ermor­de­te wei­ße Far­mer (und Far­me­rin­nen), den eigent­li­chen Anlass des Hererokrieges.

Man muss wis­sen, dass Gene­ral von Tro­tha sich sofort nach sei­ner berühmt-berüch­tig­ten Pro­kla­ma­ti­on an das Volk der Here­ro (von der die meis­ten Here­ro ein Drei­vier­tel­jahr­hun­dert spä­ter durch wei­ße His­to­ri­ker erfuh­ren) mit dem Gros der Res­te sei­ner Armee samt Stab ins Haupt­quar­tier nach Wind­hoek aus dem Stau­be mach­te – die „Schutz­trup­pe” litt an Durst, Krank­hei­ten, Nach­schub­man­gel und erheb­li­chen Ver­lus­ten, ins­be­son­de­re an Zug­tie­ren; die Sol­da­ten waren buch­stäb­lich am Ende – und nur eine Abtei­lung unter Major Estorff zurück­ließ mit dem Befehl, den Here­ro nach­zu­set­zen. Wie groß die­ses Detache­ment war, habe ich nir­gend­wo gefun­den; es kön­nen aber nur ein paar hun­dert Mann gewe­sen sein, denn von Tro­tha ver­füg­te nie über mehr als eini­ge tau­send Kämpfer.

„Am Water­berg hat­ten die Deut­schen 1488 Geweh­re, 12 Maschi­nen­ge­weh­re und 30 Kano­nen, das heißt bis zu 2000 Men­schen: Die größ­te Anzahl, die je in Nami­bia vor 1914 in einer Schlacht ein­ge­setzt wur­de”, schreibt die His­to­ri­ke­rin Bri­git­te Lau, die 1982 For­schungs­be­auf­trag­te im Natio­nal­ar­chiv von Wind­hoek wur­de, das sie von 1991 bis zu ihrem frü­hen Tod durch einen Auto­un­fall im Jah­re 1996 lei­te­te. Übri­gens: „Die Here­ro, nach (mög­li­cher­wei­se über­trie­be­nen oder unge­nau­en) deut­schen Schät­zun­gen, hat­ten 6000 Geweh­re und kei­ne Artillerie.”

Die Gesamt­zahl der direkt im Feld­zug gegen die Here­ro ein­ge­setz­ten deut­schen Sol­da­ten betrug Lau zufol­ge maxi­mal 4700 Mann, „von die­sen sind 2000 oder 3000 gestor­ben”. Hät­ten die Here­ro nach den unent­schie­den enden­den Kämp­fen am Water­berg nicht beschlos­sen, sich auf­zu­tei­len und in die Oma­he­ke abzu­zie­hen, son­dern den Kampf fort­ge­setzt, von Tro­tha hät­te leicht ein deut­scher Gene­ral Cus­ter wer­den können.

Was nun aber den „250 Kilo­me­ter lan­gen Sperr­gür­tel” betrifft, mit dem die Deut­schen, also die Abtei­lung Estorff, die Oma­he­ke „abrie­gel­ten” – die Tro­cken­sa­van­ne ist so groß wie Öster­reich und ver­fügt durch­aus über Was­ser­stel­len –, darf sich jeder aus­rech­nen, wie dicht die­ser von ein paar hun­dert müden und durs­ti­gen Schutz­trupp­lern errich­te­te Sperr­gür­tel gewe­sen sein kann. (Über den angeb­li­chen Völ­ker­mord habe ich hier geschrie­ben – das The­ma Kolo­nia­lis­mus beginnt schon bei Rebek­ka Haber­mas, der Toch­ter des Tran­zen­den­tal­de­mo­kra­ten, aber zum Her­ero­krieg müs­sen Sie etwas scrol­len –, den wahr­lich erre­gen­den Auf­satz von Bri­git­te Lau, der allein die gesam­te Geno­zid­the­se zer­legt, fin­den Sie hier.)

Um die Völ­ker­mord­the­se auf ihren Kern her­un­ter­zu­bre­chen: Hält man es für mög­lich, dass eine Trup­pe von ca. zwei­tau­send kampf­fä­hi­gen, ins­ge­samt höchs­tens vier­tau­send deut­schen Sol­da­ten, deren Groß­teil sich nach dem Ver­kün­den eines Ver­nich­tungs­be­fehls erschöpft nach Wind­hoek zurück­zog, ein je nach Schät­zung 40.000 bis 80.000* Köp­fe star­kes, zu tau­sen­den Schuss­waf­fen tra­gen­des Volk in eine Savan­ne von der Grö­ße Öster­reichs trei­ben, die­se Regi­on kom­plett abrie­geln und gro­ße Tei­le des Vol­kes so zu Tode brin­gen konn­te? Und wo sind sol­che mili­tä­ri­schen Über­men­schen heu­te, wenn man sie braucht?

Ich fra­ge mich: War­um soll ich der Dar­stel­lung von soge­nann­ten His­to­ri­kern Glau­ben schen­ken, die mir sol­che Sto­ries ver­kau­fen wollen?

(* Das ist in die­sem Kon­text eine Phantasiezahl.)

 

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