22. August 2022

Den weni­gen Men­schen hie­nie­den, die sich nicht ganz im Kla­ren dar­über befin­den, ob sie Männ­lein oder Weib­lein sind, ist nach Ansicht der Bol­sche­wo­ken offen­bar am bes­ten gehol­fen, wenn man mög­lichst vie­le von ihnen künst­lich erzeugt.

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Eine Freun­din, die seit 50 Jah­ren am Gar­da­see lebt, erzählt, der Was­ser­spie­gel des Sees sei anno 1977 noch tie­fer gefal­len als heu­te; sie erin­ne­re sich eines spe­zi­el­len Gas­tes wegen, mit dem sie damals am Ufer aus­gie­bi­ge Spa­zier­gän­ge absol­viert habe, noch sehr genau daran.

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In sei­ner soge­nann­ten Erin­ne­rungs­re­de an die Reichs­grün­dung im Janu­ar 2021, die, wie bei neu­deut­schen Erin­ne­rungs­re­den üblich, sofern sie nicht die erin­ne­rungs­po­li­tisch glanz­vol­len Zwölf Jah­re betref­fen, eigent­lich eine Ver­ges­sens­re­de war, dekre­tier­te Bun­des­prä­si­dent Frank-Wal­ter Stein­mei­er: „Wir Deut­schen ste­hen dem Kai­ser­reich heu­te so bezie­hungs­los gegen­über wie den Denk­mä­lern und Sta­tu­en von Köni­gen, Kai­sern und Feld­her­ren aus die­ser Epoche.”

Davon abge­se­hen, dass ich mir ver­bit­te, von die­sem Her­ren in das Lauf­ställ­chen irgend­ei­nes „Wir“ gequetscht zu wer­den, noch dazu eines der­ma­ßen stein­dum­men, steht unser­eins der Kai­ser­zeit kei­nes­wegs „bezie­hungs­los“ gegen­über, son­dern schaut mit Sym­pa­thie auf sie zurück, vor allem ihrer Frei­heit­lich­keit, Wirt­schafts- und Wis­sen­schafts­freund­lich­keit, Welt­zu­ge­wandt­heit – das ist etwas völ­lig ande­res als die nicht ganz dich­te spät­deut­sche „Welt­of­fen­heit“ –, ihrer kul­tu­rel­len Viel­falt und Libe­ra­li­tät wegen. Das Kai­ser­reich war auch ent­schie­den debat­tier­freu­di­ger und amü­san­ter als die klem­mär­schi­ge BRD spä­tes­tens seit Mer­kel, und es war die gro­ße Zeit des deut­schen Juden­tums. Tem­pi pas­sa­ti. In einer ande­ren Rede hat Stein­mei­er, der Mul­lah­be­glück­wün­scher, behaup­tet, im Kai­ser­reich sei­en Juden ver­folgt wor­den; er geht bei der Dis­kre­di­tie­rung der Geschich­te des zu glei­chen Tei­len einer mäh­li­chen Idio­ti­sie­rung wie Levan­ti­sie­rung über­ant­wor­te­ten und en gros Anti­se­mi­ten impor­tie­ren­den Deutsch­lands durch­aus metho­disch vor.

Das ist alles bekannt. Wozu erzäh­le ich’s noch mal? Um eine Buch­emp­feh­lung ein­zu­lei­ten. Es han­delt es sich um die Magis­ter­ar­beit eines Freun­des, und, was der Sache einen Stich ins Fri­vo­le ver­leiht, sie ist mir gewid­met. Was nichts dar­an ändert, dass sie trotz­dem emp­feh­lens­wert ist. Dafür spricht bereits der Titel, der wahr­schein­lich zu einer Nicht­be­stel­lung in jeder zwei­ten deut­schen Buch­hand­lung bzw. Biblio­thek führt: „Ent­ar­te­te Esprit­ju­den und heroi­sche Zio­nis­ten. Jüdi­scher Nietz­schea­nis­mus in der Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Theo­dor Les­sing und Tho­mas Mann”.

Abra­mo­vych, 25 und blitz­ge­scheit, ver­steht sei­ne Arbeit „vor­nehm­lich als Bei­trag zur For­schung über Manns Ver­hält­nis zum Juden­tum“. Dem Dich­ter, der bekannt­lich mit einer Jüdin ver­hei­ra­tet war und sechs halachisch-jüdi­sche Kin­der mit ihr zeug­te, wird von der „For­schung“ – ich bit­te alle Geis­tes­wis­sen­schaft­ler um Par­don für die Anfüh­rungs­stri­che, allein es muss sein –, näher­hin der „Tho­mas-Mann-For­schung“, in ver­schie­de­nen Schwe­re­gra­den Anti­se­mi­tis­mus vor­ge­wor­fen. Abra­mo­vychs Opus han­delt denn auch von der Uner­gie­big­keit, ja Sinn­lo­sig­keit des Kon­zepts „Lite­ra­ri­scher Anti­se­mi­tis­mus“ (außer für die Kar­rie­ren der lite­ra­ri­schen Anti­se­mi­ten­rie­cher, ver­steht sich). Statt­des­sen unter­sucht der Autor den jüdi­schen Nietz­schea­nis­mus, zu dem wesen­haft die Kri­tik der Assi­mi­la­ti­on als Sym­ptom der déca­dence gehör­te, und die Über­schnei­dun­gen mit dem „Lite­ra­ri­schen Anti­se­mi­tis­mus” sind so frap­pie­rend, dass sich ein deut­scher Tho­mas-Mann-For­scher den­ken lässt, der unver­mit­telt aus­ruft: „Don­ner­wet­ter, das ist ja fast dasselbe!”

„Der wohl größ­te deut­sche Dich­ter die­ser Zeit soll auf die­sel­be Art zu Fall gebracht wer­den wie das Kai­ser­reich”, notiert Abra­mo­vych, und hier schließt sich, wie man sagt, der Kreis zum prä­lu­die­rend zitier­ten Tra­di­ti­ons­ab­bau­be­ge­leit­ge­schwa­fel des Genos­sen Pahl-Rugensteinmeier.

Den gewis­ser­ma­ßen anek­do­ti­schen Kern der Unter­su­chung, nicht ihren eigent­li­chen, bil­det die Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen dem Publi­zis­ten Theo­dor Les­sing und Tho­mas Mann, her­vor­ge­ru­fen durch eine Sati­re Les­sings auf den Kri­ti­ker und zio­nis­ti­schen Rene­ga­ten Samu­el Lub­lin­ski, sich ereig­nend vor dem Hin­ter­grund der inner­jü­di­schen Debat­te über die Fra­ge, ob sich die Juden völ­lig im Deutsch­tum auf­lö­sen oder eine eige­ne Iden­ti­tät aus­prä­gen soll­ten, und man kann mit Blick auf das bes­te Deutsch­land, das es je gab, all jene Hebrä­er nur beglück­wün­schen, die sich für Ver­si­on zwei ent­schie­den. Die Sati­re erschien 1910 in der Schau­büh­ne, der spä­te­ren Welt­büh­ne, unter dem Titel „Samu­el zieht die Bilanz“, und in Les­sings eige­nen Wor­ten bestand ihr Motiv dar­in, „aus Samuel­chens lie­ber See­le das euro­päi­sche Esprit­jüd­chen her­aus­zu­fil­tern“. Er ver­spot­te­te Lub­lin­ski als einen sein Juden­tum ver­leug­nen­den und als Autor aus­schließ­lich repro­du­zie­ren­den Intel­lek­tu­el­len, der sich „end­lich nach Erd­schol­le, Wur­zel­stän­dig­keit und Lokal­ko­lo­rit“ seh­ne, das heißt: als einen „Ver­tre­ter des, im zio­nis­ti­schen Sin­ne, ent­ar­te­ten Juden­tums“ (Abra­mo­vych). Der Angriff auf Lub­lin­ski war pure Assi­mi­la­ti­ons­kri­tik und wur­de von zio­nis­ti­schen Zeit­ge­nos­sen auch so ver­stan­den. Er lös­te einen Lite­ra­tur­skan­dal aus, der bis zu Mord­auf­ru­fen gegen den Ver­fas­ser eska­lier­te, und in den sich auch Tho­mas Mann ein­zu­mi­schen genö­tigt sah, denn er stand bei Lub­lin­ski in der Schuld: Der Kri­ti­ker hat­te die „Bud­den­brooks” 1902 im Ber­li­ner Tage­blatt enthu­si­as­tisch gelobt und dem Roman pro­phe­zeit, er wer­de zum Klas­si­ker auf­stei­gen. (Von BRD-Gym­na­si­al­lehr­plä­nen anno 2022 hat­te er natur­ge­mäß noch kei­ne Vorstellung.)

Wie Abra­mo­vych zeigt, befand sich Tho­mas Mann wei­land in einer ambi­va­len­ten Lage, denn in der Sache stand er auf Les­sings Sei­te („ein­zig aus Dank­bar­keit”, schrieb er an Juli­us Bab, habe er „gegen den ver­dreh­ten Schwach­kopf von Les­sing eine Lan­ze für ihn” – Lub­lin­ski – „gebro­chen“). Statt in sei­ner Pole­mik gegen den Esprit­ju­den-Schmä­her „der Assi­mi­la­ti­on das Wort zu reden“, habe deren Poin­te in der „Über­nah­me der anti­as­si­mi­la­to­ri­schen Stoß­rich­tung von Les­sings Sati­re“ bestan­den, was aber im rhe­to­ri­schen Pul­ver­dampf unter­ging. Les­sing wie­der­um reagier­te mit einer Schmäh­schrift gegen Mann unter dem Titel „Tomi melkt die Moral­kuh“, muss­te das Pam­phlet aber schnell aus dem Ver­kehr zie­hen, weil Manns Schwie­ger­va­ter, Alfred Pringsheim, mit einem Pro­zess droh­te. Was blieb, waren zwei Fein­de fürs Leben.

So lagen die Din­ge natür­lich auch aus Lub­lin­skis Sicht. Des­sen Schil­de­rung eines frü­he­ren Tref­fens mit Les­sing ent­hält schon den gan­zen Kon­flikt: „Wir spra­chen fast nur über ein ein­zi­ges The­ma: über Zio­nis­mus und Ras­sen­theo­rie. Die­ser jetzt juden­fre­ße­ri­sche Semit war damals ein eif­ri­ger Zio­nist, wäh­rend ich vom Zio­nis­mus abge­kom­men war. (…) als ich sag­te: ‚Ich bestrei­te mit Ent­schie­den­heit die Ras­sen­theo­rie.‘ Da wuß­te der klei­ne Jude mit dem gro­ßen Bart nur zu erwi­dern: ‚Dann sehen Sie in den Spie­gel.‘ (…) Im Hof­bräu­haus begann sofort der Ras­sen­streit, der schließ­lich dar­in gip­fel­te, daß er sag­te: ‚Sie wol­len durch­aus ein blon­der Ger­ma­ne sein.‘“

Eine von Les­sings The­sen lau­te­te, dass der jüdi­sche Selbst­hass sich bevor­zugt als Bewun­de­rung und Ver­klä­rung des Deutsch­tums mas­kie­re. Mit­hin wäre Assi­mi­la­ti­on dann eine Form von Selbstab­leh­nung (und wenn man unter die­sem Aspekt die deut­schen Aus­wan­de­rer betrach­tet, die sich, egal wohin sie aus­wan­der­ten, in ihrer neu­en Hei­mat füg- und streb­sam als um Anpas­sung bemüht her­vor­ta­ten, wäre das ein pas­sa­bler Beleg dafür). Selbst­re­dend wur­de auch Les­sing in der bun­des­deut­schen „For­schung” reflex­haft Anti­se­mi­tis­mus unter­stellt; Anti­se­mi­tis­mus ist so etwas wie die sexu­el­le Beläs­ti­gung der Germanisten.

Ich sprach eben vom anek­do­ti­schen Kern der Stu­die. Ihr geis­ti­ger Kern ist, sagt zumin­dest Abra­mo­vych selbst, und der ist ja ziem­lich nah dran, die Unter­su­chung des jüdi­schen Nietz­schea­nis­mus, das heißt die Anwen­dung Nietz­sche­scher déca­dence-Phi­lo­so­phe­me auf die Situa­ti­on der deut­schen Juden­heit zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts. Als da wären: der Hang zur Schau­spie­le­rei, das Mit­lei­den als Mit­tel des déca­dent, Herr­schaft aus­zu­üben, schließ­lich die Selbst­über­win­dung als Über­win­dung der déca­dence. Für ent­spre­chend kon­di­tio­nier­te Nasen han­delt es sich um ein durch­aus schwef­li­ges Kapi­tel – allein Abra­mo­vychs For­mu­lie­rung „die, sit venia ver­bo, natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ent­ar­tung des Begriffs der Ent­ar­tung“ ist von bestri­cken­der Süf­fi­sanz –, aber mit jüdi­schen Kron­zeu­gen kom­men wir unbe­scha­det durch die­se Phle­gräi­schen Fel­der. Moritz Gold­stein etwa ver­kün­de­te 1912 in sei­nem Auf­satz „Deutsch-jüdi­scher Par­naß” die Unmög­lich­keit jüdi­schen Schöp­fer­tums unter den Bedin­gun­gen der Assi­mi­la­ti­on und klag­te: „Wir Juden ver­wal­ten den geis­ti­gen Besitz eines Vol­kes, das uns die Berech­ti­gung und die Fähig­keit dazu abspricht.” Als Beleg für sei­ne The­se ver­wies Gold­stein auf die gro­ße Zahl jüdi­scher Jour­na­lis­ten (er hät­te auch die vie­len jüdi­schen Schau­spie­ler anfüh­ren kön­nen); die­se Juden sei­en „unse­re wah­ren Fein­de“ und „ein fal­scher Typus Jude“. Auch Mar­tin Buber hielt die Assi­mi­la­ti­on für unfrucht­bar und kon­sta­tier­te einen Gegen­satz „zwi­schen Schaf­fen­den und Zer­set­zen­den, zwi­schen Urju­den und Galu­th­ju­den“ („Galuth” bedeu­tet auf hebrä­isch Diaspora).

Aus der Sicht jüdi­scher Nietz­schea­ner bestand eine Dicho­to­mie zwi­schen der ethisch for­dern­den Reli­gi­on der Pro­phe­ten und dem Natio­na­lis­mus der vita­len Hebrä­er, mit kla­rer Par­tei­nah­me für Letz­te­re, weil das Pro­phe­ten­tum Intel­lek­tua­li­tät und déca­dence ver­kör­pe­re. Der jüdi­sche Nietz­schea­nis­mus war anti­as­si­mi­la­to­risch oder direkt zio­nis­tisch; sei­ne Anhän­ger plä­dier­ten für ein selbst­be­wuss­tes Judentum.

Das war es, wozu sich auch Tho­mas Mann im Lau­fe sei­nes geis­ti­gen Lebens hin­durch­läu­ter­te: die Ein­sicht in die Beson­der­heit des Juden­tums in eth­nisch-kul­tu­rel­ler, volk­haf­ter Hin­sicht. Nach der Lek­tü­re des Buches eines ame­ri­ka­ni­schen Reform­rab­bi­ners notier­te der Exi­lant in sein Tage­buch: „Leug­net die Juden als ‚Volk‘. ‚Ras­se‘ ist voll­ends kom­pro­mit­tiert. Wie soll man sie nen­nen? Denn irgend­et­was ande­res ist es mit ihnen. (…) Ist die­ses Erleb­nis Anti-Semi­tis­mus? (…) es ist doch ein Geblüt.“ Tho­mas Mann sieht also, wie Abra­mo­vych fest­stellt, im Igno­rie­ren der evi­den­ten Unter­schie­de „schlicht­weg bio­lo­gi­sche Rea­li­tä­ten ver­leug­net“, wozu wir Bür­ger des woken Wes­tens ja täg­lich immer nach­drück­li­cher ange­hal­ten sind.

Der Lübe­cker Patri­zi­er­sohn und spä­te­re Lite­ra­tur­no­bel­preis­trä­ger hat­te sich schon 1907 in einer Rund­fra­ge „Die Lösung der Juden­fra­ge“ von Juli­us Moses auf eine Wei­se geäu­ßert, die an den Deka­denz­dis­kurs im Kul­tur­zio­nis­mus erin­nert; er beschrieb das Ost­ju­den­tum als „zwei­fel­los ent­ar­te­te und im Get­to ver­elen­dets­te Ras­se“ die einer „Wie­der­erhö­hung“ bedür­fe. 1927, im Inter­view mit der Jüdi­schen Rund­schau, erklär­te er: „Die Juden haben viel für den Uni­ver­sa­lis­mus getan, und es wäre Zeit, daß sie auch ihren eige­nen Natio­na­lis­mus pflegen.“

Dass die Tho­mas-Mann-For­schung „die unter­schwel­li­ge Assi­mi­la­ti­ons­kri­tik Manns nicht hin­rei­chend erfass­te“ und den Roman­cier statt­des­sen des Anti­se­mi­tis­mus und der Ver­brei­tung von Kli­schees zieh, „ist nicht zuletzt ihrer bis­lang man­gel­haf­ten Quel­len­ar­beit zuzu­schrei­ben“, zudem sei­en sie kei­ne Juda­is­ten und stün­den mit sol­chen wohl auch nicht in enge­rem Kon­takt, moniert der bei der Nie­der­schrift noch nicht mal fer­ti­ge Magis­ter Abra­mo­vych mit jener Chuz­pe, die man sei­nem Geblüt kei­nes­falls kol­lek­tiv zuschrei­ben darf, sonst setzt es den näm­li­chen Vorwurf.

Schau­en wir des­halb auf Manns bel­le­tris­ti­sches Per­so­nal. Der aus­tra­lisch-schwei­ze­ri­sche Ger­ma­nist Yahya Elsa­ge insi­nu­iert, der Dich­ter bedie­ne mit ihm „durch­aus die Erwar­tun­gen einer anti­se­mi­tisch gesinn­ten Leser­schaft“. Dass die hoch­ver­wöhn­ten, in ihrem Geschmack bis ins Patho­lo­gi­sche über­fei­ner­ten Zwil­lin­ge im „Wäl­sun­gen­blut” Juden sind, wird nicht expli­zit aus­ge­spro­chen; der Leser erfährt es, und das nur in der Urfas­sung, durch den letz­ten Satz („Wir haben ihn bega­neft, den Goj”). Auch der lebens­un­tüch­ti­ge Schrift­stel­ler Det­lev Spi­nell im „Tris­tan” wird inzwi­schen als Jude inter­pre­tiert. („Nach der Fest­stel­lung der jüdi­schen Her­kunft Spi­nells durch die For­schung konn­te der Vor­wurf des Anti­se­mi­tis­mus nicht lan­ge auf sich war­ten las­sen“, spot­tet Abra­mo­vych.) Sogar Saul Fit­el­berg, der rüh­ren­de Impre­sa­rio im „Dok­tor Faus­tus”, aus des­sen geschäft­li­chem Wer­be­mo­no­log um den Kom­po­nis­ten Adri­an Lever­kühn der Leser mehr über die ver­korks­te und ver­häng­nis­vol­le deutsch-jüdi­sche Geschich­te erfährt als von sämt­li­chen Detek­to­ren des „Lite­ra­ri­schen Anti­se­mi­tis­mus”, erscheint in den Schü­ler­auf­sät­zen der Letzt­ge­nann­ten als bos­haf­te Judenkarikatur.

Dage­gen ist Dok­tor Sam­met, der Arzt aus „König­li­che Hoheit”, wie Ruth Klü­ger meint, die „ein­zi­ge posi­ti­ve jüdi­sche Gestalt unter Tho­mas Manns moder­nen Juden“ (ein paar halb­wegs posi­ti­ve unmo­der­ne bevöl­kern den Josephs­ro­man), was, neben­bei, die Fra­ge auf­wirft, wel­che rund­um posi­ti­ven Gestal­ten im Werk des noto­ri­schen Iro­ni­kers über­haupt auf­tre­ten und wie es bei­spiels­wei­se um Leo Naph­ta steht, der zwar nicht eben „posi­tiv”, aber immer­hin bei­ßend klug und ein­drucks­voll gezeich­net wird. Sam­met ist übri­gens unter die­sen Figu­ren auch die ein­zi­ge, die ihr Juden­tum nicht ver­leug­net, son­dern es im Gegen­teil unbe­fan­gen her­aus­stellt. Zugleich sei Sam­met, notiert Freund Abra­mo­vych, durch „die Abwe­sen­heit jed­we­der Ent­ar­tungs­sym­pto­me” gekenn­zeich­net; er sei die ers­te jüdi­sche Figur Manns, die nicht als Assi­mi­lant bezeich­net wer­den kön­ne, und sie­he da: „Sobald aber eine jüdi­sche Figur zu ihrem Juden­tum steht, ver­schwin­den auch die Entartungssymptome.“

Wor­aus der Autor fol­gert, dass bereits zu der Zeit, als Mann öffent­lich die Juden­as­si­mi­la­ti­on begrüß­te, er sie „in sei­nem lite­ra­ri­schen Werk längst als eine Erschei­nung der déca­dence kari­kiert” habe, wes­we­gen er auch zugäng­lich war für jene Art von Komik, die ihm aus kul­tur­zio­nis­ti­schen Krei­sen wie in Form von Les­sings Lub­lin­ski-Sati­re begegnete.

„Wie kommt es”, fragt der kecke Magis­ter, „dass die For­schung über einen so lan­gen Zeit­raum hin­weg der­art blind sein konn­te gegen­über den hier vor­ge­leg­ten Befunden?“

Nun, wir wis­sen es inzwi­schen. Ein Para­dig­ma war eta­bliert wor­den als das sprich­wört­li­che Brett vor dem Kopf. Für des­sen halb­wegs hohe Halt­bar­keit sorg­te der nor­ma­le aka­de­mi­sche Her­den­zwang. Die eta­blier­te Sekun­där­li­te­ra­tur zu Tho­mas Mann, aber kei­nes­wegs nur zu ihm, ver­steht Anti­se­mi­tis­mus „schlicht­weg als die Emp­fin­dung der Anders­ar­tig­keit von Juden“, stellt Abra­mo­vych fest und fragt sich, war­um die Ent­de­ckung von Anders­ar­tig­keit und Fremd­heit zwangs­läu­fig als nega­tiv zu gel­ten habe. Er fragt sich nicht wirk­lich, er weiß es natür­lich so gut wie Sie und ich.

Der bereits zitier­te Ger­ma­nist Elsag­he meint, „dass Juden ein­fach Men­schen sind wie ande­re auch und dass hier­in even­tu­ell die ein­zi­ge Posi­ti­on besteht, die man außer­halb des ‚Anti-Semi­tis­mus‘ zur ‚Juden­fra­ge‘ noch ein­neh­men kann“ (für das even­tu­ell möch­te man den Bub glatt knud­deln). Das wür­de frei­lich bedeu­ten, dass Juden nichts Beson­de­res sind, nichts Eigen­tüm­li­ches, nichts Ver­bun­de­nes, exklu­siv mit sich Iden­ti­sches, kurz­um: kei­ne Juden mehr. Son­dern nur noch Men­schen. Wie pro­sa­isch. Wie lang­wei­lig. Wie antisemitisch!

By the way: Wer hat’s so ähn­lich gewollt und mit Aplomb gefordert?

„Gemein­schaft­lich mit uns Mensch zu wer­den, heißt für den Juden aber zu aller­nächst so viel als: auf­hö­ren, Jude zu sein”, beschloss Richard Wag­ner sei­ne Schmäh­schrift „Das Juden­tum in der Musik”. „Nehmt rück­sichts­los an die­sem durch Selbst­ver­nich­tung wie­der­ge­bä­ren­den Erlö­sungs­wer­ke teil, so sind wir einig und unun­ter­schie­den. Aber bedenkt, daß nur Eines eure Erlö­sung von dem auf Euch las­ten­den Flu­che sein kann: Die Erlö­sung Ahas­vers, – der Unter­gang!“

Wenn Wag­ner „Unter­gang” schreibt, meint er das nicht phy­sisch; die Juden sol­len nicht ster­ben, son­dern auf­hö­ren, Juden zu sein, um Men­schen zu wer­den, eine klas­si­sche lin­ke For­de­rung. Aber als Juden sol­len sie verschwinden.

Doch so schnell droht die­se Gefahr nicht, die­ses Völk­chen hat schon ganz ande­re Stür­me über­dau­ert als jene im Was­ser­glas des Lite­ra­ri­schen Anti­se­mi­tis­mus, und im Gegen­satz zu den deut­schen Mus­ter­schü­lern des Zeit­geis­tes haben die meis­ten Juden auch aus der Sho­ah ande­re Schlüs­se gezo­gen, als sich nun nicht mehr nur ans Deut­sche, son­dern gleich ans Gesamt­mensch­heit­li­che assi­mi­lie­ren zu wol­len. Sie inter­pre­tie­ren, in Abra­mo­vychs Wor­ten, den natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Angriff auf ihre Exis­tenz „als Ver­pflich­tung zur Fes­ti­gung der eige­nen Iden­ti­tät statt ihrer Aufgabe”.

(Das Buch ist unter ande­rem bestell­bar hier.)

***

Fal­sche Überschrift.

Die rich­ti­ge – War­um die Trans-Debat­te ein­fach nicht ver­stummt —, wäre frei­lich noch leich­ter zu erklä­ren. „Debat­te” ist selbst­ver­ständ­lich nur ein Euphe­mis­mus für die­sen Bekenntnisterror.

Wie gedruckt lügt zum sel­ben The­ma ein welt­be­rühm­ter Psy­cho­lo­ge auf Zeit online.

Das Gegen­teil ist wahr. Nahe­zu alle lei­den unter der Gen­der- und Tran­gen­der­pro­pa­gan­da, am meis­ten all die irre- und kir­re­ge­mach­ten Teen­ager, die sich kri­mi­nel­len Geschlechts­um­wand­lun­gen und Hor­mon­the­ra­pien unterziehen.

Noch nie ist ein Mann schwan­ger gewor­den, noch nie hat ein Mann ein Kind bekom­men. Man wird die­se ein­fa­che Tat­sa­chen­fest­stel­lung im künf­ti­gen Reich der woken Lügen wohl unter Straf­an­dro­hung stel­len. Wie schon x‑fach gesagt: Sie wol­len mit ihrer Dau­er­pro­pa­gan­da die Men­schen da drau­ßen im Land zu jenen Über­re­ak­tio­nen pro­vo­zie­ren, die sie dann als „Trans­feind­lich­keit” ver­kau­fen kön­nen – par­al­lel läuft es genau so mit dem angeb­li­chen Ras­sis­mus, der einem aus jedem Sen­der, jeder Zei­tung, von jeder Buch­hand­lungs­aus­la­ge und jeder Büh­ne ent­ge­gen­ge­brüllt wird –, wes­halb immer mehr Plan­stel­len und För­der­mit­tel für den Kampf gegen Trans­pho­bie (und Ras­sis­mus) bereit­ge­stellt wer­den müssen.

Übri­gens:

***

Auto­ri­tä­re lin­ke Regime sind dar­an zu erken­nen, dass sie ver­su­chen, in die Fami­li­en hin­ein­zu­re­gie­ren und den Men­schen ihr Pri­va­tes­tes zu nehmen.

***

Zur Lage der Nation.

Sol­che Arti­kel stan­den im Herbst 1989 im Neu­en Deutsch­land, und exakt sol­che Figu­ren arbei­te­ten dort.

So unge­fähr:

#wir­ha­ben­mit­ge­hetzt

Was sich der Oppor­tu­nist Blo­me so unter kuschen vorstellt.

Ange­sichts des­sen, was hier seit 2015 und dann noch­mals seit 2020 mög­lich ist, von Haus­durch­su­chun­gen, poli­tisch moti­vier­ten Ver­haf­tun­gen, poli­ti­scher Jus­tiz, Poli­zei­bru­ta­li­tät gegen fried­li­che Demons­tran­ten, Ver­teu­fe­lung der Oppo­si­ti­on, Neo-Sta­si, Wie­der­auf­le­ben von DDR-Gesin­nungs­straf­ta­ten („Dele­gi­ti­me­rung des Staa­tes”), Berufs­ver­bo­te, Impf­zwang, Zwangs­iso­la­ti­on etc. pp., hal­te ich auch einen Ein­satz der Bun­des­wehr im Inne­ren für mög­lich, ja wahr­schein­lich, und dann ist es nur noch ein klei­ner Schritt.

***

Ein Tag ohne Coro­na ist wie ein Tag ohne Klima.

***

„Lie­ber Herr Klo­novs­ky, wir haben uns gut ein­ge­lebt in Dal­las, aber es war­te­te hier natür­lich kei­ner auf uns. Wir sind umge­ben von Leu­ten, für die es ganz ’nor­mal’ ist, dass man am Sonn­tag in die Kir­che geht (aber nicht muss), ein Land sei­ne Gren­zen sichern und sein Geld für sei­ne Bür­ger aus­ge­ben soll­te, Unab­hän­gig­keit in der Ener­gie- und Lebens­mit­tel­ver­sor­gung (und damit ein­her­ge­hen­der Respekt vor der Leis­tung der Land­wir­te) eine gute Idee ist und ‚Geschlech­ter­stu­di­en’ sowie ‚Kri­ti­sche Ras­sen­theo­rie’ als Irr­leh­ren ange­se­hen werden.

Natür­lich ging es uns super in Deutsch­land, finan­zi­ell waren wir total abge­si­chert – hier müs­sen wir schon noch­mal Gas geben, aber für den Ruhe­stand sind wir eh nicht gemacht. Auch eine Rück­kehr nach Deutsch­land schlie­ßen wir nicht ganz aus und wir ver­mis­sen natür­lich unse­re Freun­de in der Heimat.

Fest steht aber, dass unser Sohn (er wur­de zwei Tage nach unse­re Ankunft in Dal­las drei) nie­mals in eine Schu­le gehen oder in einer Umge­bung auf­wach­sen wird, in der auch nur ein Kind auf­grund einer WHO-‚Pandemie’ eine Mas­ke tra­gen muss – Mas­ken tra­gen hier, so scheint es, nur Tou­ris­ten und zuge­zo­ge­ne Kali­for­ni­er, vor allem aber dro­gen­süch­ti­ge Obdachlose.

Heu­te Abend wer­de ich einen edlen Trop­fen auf Ihr Wohl trinken.”

Ame­ri­ka, du hast es bes­ser. Cheerio!

 

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4. Mai 2023

„Gut sei, hör ich, mein Deutsch, doch gar nichts Neues ent­halt es. Wenn es nur gut ist! und dann:…