„Womöglich ist es ein Laster, die Wahrheit aussprechen zu wollen”


Mei­ne Rede auf dem Bur­schen­tag der Deut­schen Bur­schen­schaft zu Eisen­ach am 15. Juni 2019

Ich bin gebe­ten wor­den, heu­te zu Ihnen über den Zustand der Mei­nungs­frei­heit zu spre­chen. Um die Mei­nungs­frei­heit in Deutsch­land steht es schlecht. Saw­san Che­b­li ist auf twit­ter vor­über­ge­hend gesperrt wor­den. Kevin Küh­nert wur­de für sei­ne Idee kri­ti­siert, den Kom­mu­nis­mus wie­der­zu­be­le­ben, wäh­rend die AfD unbe­hel­ligt vom Vier­ten Reich träu­men darf. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Ich dan­ke für Ihre Aufmerksamkeit.

Mei­ne Damen und Her­ren, ich habe die ers­te Hälf­te mei­nes Lebens in der DDR ver­bracht. Das heißt, mit jedem Jahr, das ich jetzt älter wer­de, über­wiegt der bun­des­re­pu­blia­ni­sche Teil mei­ner Bio­gra­phie, doch manch­mal den­ke ich, dass ich eines Tages, bevor ich zu den Vie­len gehe, resü­mie­ren wer­de: Ich habe das ers­te Drit­tel mei­nes Lebens in einer Dik­ta­tur ver­bracht, das zwei­te Drit­tel in einer Demo­kra­tie, das drit­te teils-teils.

Irgend­wann Mit­te der 70er Jah­re, ich war damals drei­zehn oder vier­zehn Jah­re alt, gewähr­te der Prä­si­dent der Aka­de­mie der Päd­ago­gi­schen Wis­sen­schaf­ten der DDR, Pro­fes­sor Neu­ner, Mit­glied des Zen­tral­ko­mi­tees der SED, mei­ner Schul­klas­se eine Art Pri­vat-Audi­enz, weil näm­lich sein Töch­ter­lein in die­se mei­ne Klas­se ging. Die Sache fand in einem Kon­fe­renz­raum der Aka­de­mie statt, und der Genos­se Prä­si­dent erklär­te, wir könn­ten ihn fra­gen, was wir woll­ten, nie­man­dem wer­de eine Fra­ge übel­ge­nom­men, und er wer­de ver­su­chen, alles zu beant­wor­ten. Haben wir ihn also gefragt, war­um wir nicht rei­sen dür­fen, wie lan­ge die Mau­er noch ste­hen wird, war­um aus­ge­rech­net in einem Land, wo der Staats­chef Dach­de­cker ist, so vie­le Dächer undicht sind, war­um die Ver­sor­gung mit Früch­ten so mise­ra­bel und die mit Büchern so lücken­haft ist? Also nach den wirk­lich mit Hän­den zu grei­fen­den Übeln? Natür­lich nicht. Mei­ne Mit­schü­ler frag­ten belang­lo­ses regime­kon­for­mes Zeug, das ich en detail noch am sel­ben Tag ver­ges­sen habe. Mir sel­ber brann­te eine Fra­ge auf der Zun­ge, ich hät­te mich zu gern nach dem Ver­bleib einer Rock­band erkun­digt, deren Musik ich damals sehr moch­te und die qua­si von einem Tag auf den ande­ren aus der sozia­lis­ti­schen Öffent­lich­keit ver­schwun­den war. Der Busch­funk sag­te, sie sei ver­bo­ten wor­den. In mei­nem Kopf rumor­te die Fra­ge: Stimmt es, dass die Klaus-Ren­ft-Com­bo ver­bo­ten wor­den ist? Und war­um? Ich muss­te nur den Arm heben und sie stel­len, der Herr Prä­si­dent hat­te schließ­lich ver­si­chert, es gäbe kei­ne Tabus. Der Arm blieb unten. Die Feig­heit behielt die Ober­hand. Bezie­hungs­wei­se die Klugheit.

Klug­heit? Das ist Defi­ni­ti­ons­fra­ge. Mei­ne Lieb­lings­de­fi­ni­ti­on von fei­ger Klug­heit oder klu­ger Feig­heit ist anek­do­tisch fol­gen­der­ma­ßen fixiert: Sta­lin moch­te es bekannt­lich, wenn sich sei­ne Pala­di­ne bis spät in die Nacht betran­ken und er sie dabei beob­ach­ten konn­te. Eines Abends for­der­te er Chruscht­schow auf, er möge für die Ver­sam­mel­ten tan­zen, und Chruscht­schow tanz­te wie ein Der­wisch, mach­te sich also, wie man heu­te for­mu­lie­ren wür­de, zum Affen. Tags dar­auf frag­te ihn Miko­jan, war­um er nicht Nein gesagt habe. Chruscht­schow erwi­der­te: „Wenn der Genos­se Sta­lin sagt: tan­ze, dann tanzt ein klu­ger Mann.“

Bei ande­rer Gele­gen­heit war ich nicht unbe­dingt muti­ger, aber unvor­sich­ti­ger. Ich befand mich abends auf dem Heim­weg, in Beglei­tung eines Klas­sen­ka­me­ra­den. Als wir an unse­rer Schu­le vor­bei­lie­fen, die gro­ße, fens­ter­lo­se Wand des Hort­ge­bäu­des sahen und einen frisch gelie­fer­ten Hau­fen Bri­ketts dane­ben, hat­ten wir bei­de den­sel­ben Gedan­ken, näm­lich dass die kah­le Wand einer gewis­sen Ver­zie­rung bedürf­tig sei. Wir klet­ter­ten über den Zaun auf den Schul­hof, mein Freund griff sich ein Koh­le­stück und schrieb einen Spott­vers auf den Schul­di­rek­tor an die Wand. Das schien mir irgend­wie nicht anstö­ßig genug, also setz­te ich dane­ben den Satz: „Wir wol­len Meinungsfreiheit!“

Tags dar­auf war die Auf­re­gung groß und die Sta­si in der Schu­le. Doch, geprie­sen sei Allah, nie­mand hat­te unser sinis­tres Trei­ben am Vor­abend beob­ach­tet, und alle Ermitt­lun­gen ver­lie­fen im Sande.

Zwei typi­sche DDR-Geschich­ten, doch bei­de könn­ten leicht vari­iert auch im Deutsch­land der Gegen­wart spie­len. Wenn ich die Fra­ge­run­den der Kanz­le­rin mit sorg­fäl­tig vor­sor­tier­ten Bür­gern sehe, muss ich an mein Schwei­gen vor dem SED-Pro­fes­sor den­ken. Auch heu­te sind alle Fra­gen selbst­ver­ständ­lich erlaubt – die Kon­se­quen­zen sind Ihre Sache. Ein Schü­ler, der heu­te „Es lebe die AfD!“ oder „Gren­zen schlie­ßen!“ an eine Schul­wand schrie­be, bekä­me erheb­li­che Sche­re­rei­en. „Gre­ta for Pre­si­dent!“ oder „Refu­gees wel­co­me“ wäre dage­gen unpro­ble­ma­tisch, ja löb­lich, und wenn der Schul­di­rek­tor monier­te, man kön­ne doch nicht ein­fach die Wän­de beschmie­ren, lie­ße er sich leicht mit der Fra­ge in die Enge trei­ben, ob er etwas gegen Flücht­lin­ge oder Kli­ma­schutz habe.

Zu mei­nem zwei­ten DDR-Anek­döt­chen passt die fol­gen­de Fabel aus der Bundesrepublik.

Am Abend des 28. Janu­ar 2018 stell­te sich die Ham­bur­ge­rin Uta Ogil­vie mit einem Papp­schild an den Jung­fern­stieg, auf dem geschrie­ben stand „Mer­kel muss weg!“. Sie woll­te damit gegen die Ener­gie­po­li­tik der Kanz­le­rin und die Preis­ga­be der Lan­des­gren­zen demons­trie­ren. Ihre Akti­on fand Zuspruch. Bei einer zwei­ten, dies­mal ange­mel­de­ten Demons­tra­ti­on ver­sam­mel­ten sich eine Woche spä­ter etwa 60 Teil­neh­mer mit „Mer­kel muss weg“-Schildern fried­lich am sel­ben Ort.

Alles ande­re als fried­lich waren die Reak­tio­nen der Ham­bur­ger Anti­fa und Links­schi­cke­ria. Dort wur­de die Order aus­ge­ge­ben, ein für den dar­auf­fol­gen­den Mon­tag ange­kün­dig­tes da capo des „Mer­kel muss weg“-Frevels müs­se ver­hin­dert wer­den. Die Ham­bur­ger Pres­se star­te­te eine Kam­pa­gne gegen die Mer­kel-Geg­ner. Mord­dro­hun­gen gin­gen bei Uta Ogil­vie ein. In der Nacht vom 11. auf den 12. Febru­ar schlich sich ein Trupp muti­ger den-Anfän­gen-Wehr­er zum Pri­vat­haus der Fami­lie und zer­stach die Rei­fen der bei­den dort ste­hen­den Pkw, um die CO2-Bilanz der Han­se­stadt zu ver­bes­sern. Die Haus­wand wur­de mit Farb­beu­teln bewor­fen und mit Paro­len beschmiert. Ein schwe­rer Glas­be­häl­ter, gefüllt mit einer stin­ken­den Flüs­sig­keit, durch­schlug die Fens­ter­schei­be des Kin­der­zim­mers. Dort schlie­fen zwei klei­ne Kin­der. Nur ein Denk­zet­tel für den Fascho-Nach­wuchs. Der finan­zi­el­le Scha­den des anti­fa­schis­ti­schen Haus­be­suchs beläuft sich auf 55.000 Euro. 

Tags dar­auf wer­den Poli­zei, Ver­mie­ter, Ver­si­che­rung und Pres­se­ver­tre­ter im Haus vor­stel­lig. Die Eltern von Uta Ogil­vie rei­sen aus dem Rhein­land an, um der bedräng­ten Toch­ter Bei­stand zu leis­ten. Für den Abend ist die Demons­tra­ti­on ange­mel­det. Uta Ogil­vie beschließt, trotz allem hin­zu­ge­hen, es ist ja ihre Demons­tra­ti­on. Der Vater, 79-jäh­rig, will die Toch­ter nicht allein gehen las­sen und beglei­tet sie ins Stadt­zen­trum. Ein Fähn­lein cou­ra­gier­ter Lin­ker stellt sich dem alten Mann und der zier­li­chen Frau ent­ge­gen, ent­reißt ihnen das Schild und atta­ckiert sie, bis die Poli­zei die Hil­fe­ru­fe hört und einschreitet. 

Juve­ni­le Sta­si­ty­pen in Zivil, die sich auf jeden stürz­ten, der ein Trans­pa­rent ent­fal­te­te, und es dem Frev­ler ent­ris­sen: Das war übri­gens ein typi­sches Bild bei den Demons­tra­tio­nen in den letz­ten Tagen der DDR.

Fas­sen wir zusam­men: Es gab Angrif­fe auf einen 79 Jah­re alten Mann, eine Frau und ihre Kin­der, Sach­be­schä­di­gun­gen mit enor­mer kri­mi­nel­ler Ener­gie sowie über Tage anhal­ten­de Dro­hun­gen, und all das wegen der For­de­rung, die Regie­rungs­chefin sol­le ihr Amt nie­der­le­gen. All das fand statt im angeb­lich bes­ten Deutsch­land, das es je gab, in einem Staat, des­sen Wort­füh­rer sich Putin, Orban und Trump mora­lisch über­le­gen füh­len. Aber kein Öffent­lich­keits­ver­tre­ter oder poli­tisch Ver­ant­wort­li­cher empör­te sich über die Ter­ro­ri­sie­rung einer Frau, die ihre Grund­rech­te wahr­nahm – die Empö­rung galt statt­des­sen den regie­rungs­feind­li­chen Zusam­men­rot­tun­gen –, kein Zeter war zu hören und erst recht kein Mordio.

Die Wahr­heits- und Qua­li­täts­pres­se berich­te­te in allen­falls ein­sil­bi­ger Distan­ziert­heit. Wer in der Such­mas­ke von Spie­gel online „Uta Ogil­vie“ ein­gibt, erhält: 0 Tref­fer. Beim Stern: 0 Tref­fer. Bei der Zeit: 1 Tref­fer – eine all­ge­mei­ne Sto­ry über die „Merkel-muss-weg“-Demonstrationen, andert­halb Mona­te nach den beschrie­be­nen Vor­fäl­len, ver­steckt hin­ter der Bezahl­schran­ke. Die drei gro­ßen „links­li­be­ra­len“ Ham­bur­ger Zei­tun­gen haben ihre Leser über die Regie­rungs­kri­ti­ke­rin Ogil­vie unge­fähr so infor­miert, wie die DDR-Medi­en ihre Leser über das Ver­schwin­den der Klaus-Renft-Combo.

Mer­ke: Die Macht der Pres­se besteht in dem, was sie ver­schweigt – aber auch dar­in, was sie skan­da­li­siert und was nicht.

Uta Ogil­vie gab auf. Sie hat­te Angst um die Sicher­heit ihrer Familie.

Sie wis­sen, wie es wei­ter­ging, dass die Ham­bur­ger Mon­tags­de­mons­tra­tio­nen nicht ende­ten, trotz der zivil­cou­ra­gier­ten Front aus lin­ker Gewalt­sze­ne, rot-grü­nem Senat und Lokal­pres­se, die sich gegen die Que­ru­lan­ten gebil­det hat­te. Bei der Demons­tra­ti­on am 19. März, auf der Mat­thi­as Matus­sek, ein lang­jäh­ri­ger, viel zu spät ent­las­se­ner Mit­ar­bei­ter des Spie­gels auf­trat, grif­fen schnei­di­ge Anti­fa­schis­ten einen sich nach geta­ner Het­ze wie­der nach Hau­se steh­len­den Staats­feind von hin­ten an, schlu­gen ihn zu Boden und tra­ten dem bereits Bewusst­lo­sen gegen den Kopf. Faschis­mus ist kei­ne Mei­nung, son­dern ein Ver­bre­chen. Das lebens­ge­fähr­lich ver­letz­te Opfer bekam auf der Inten­siv­sta­ti­on die Gele­gen­heit, über die­sen Satz zu medi­tie­ren. Lief in den öffent­lich-recht­li­chen Medi­en eine Son­der­sen­dung nach der ande­ren, die sich mit den mut­maß­li­chen Tätern und ihren Sym­pa­thi­san­ten beschäf­tig­te? Ach was. Es bestand kein öffent­li­ches Interesse.

Die Ham­bur­ger Mon­tags­de­mons­tra­tio­nen illus­trie­ren den Unter­schied zwi­schen den Sys­te­men DDR und BRD, zwi­schen Real­so­zia­lis­mus und einer semiso­zia­lis­ti­schen Erzie­hungs­de­mo­kra­tur – Alexis de Toc­que­ville hat ihn schon vor über 150 Jah­ren beschrie­ben –: In der DDR wur­de die Oppo­si­ti­on vom Staat schi­ka­niert, in der Bun­des­re­pu­blik kom­men die Schi­ka­nen pri­mär aus der Gesell­schaft. Noch schützt immer­hin die Staats­ge­walt die Oppo­si­ti­on vor dem Hass, der ihr ent­ge­gen­schlägt. Anders als im Real­so­zia­lis­mus wer­den Oppo­si­tio­nel­le nicht mehr ein­ge­sperrt, son­dern gesell­schaft­lich iso­liert, ganz wie Toc­que­ville es in sei­ner Schrift über die Demo­kra­tie in Ame­ri­ka vor­aus­ge­sagt hat­te. Nie­mand hat die Absicht, eine Oppo­si­ti­on zu verbieten.

Gan­ze 18 Pro­zent der Deut­schen haben das Gefühl, sie könn­ten sich im öffent­li­chen Raum so frei äußern wie unter Freun­den. Zu die­sem Ergeb­nis kam vor weni­gen Wochen eine Umfra­ge des Allens­bach-Insti­tu­tes im Auf­trag der FAZ. Ich bin der Letz­te, der Umfra­gen irgend­ei­ne Digni­tät bei­misst und sie wie hei­li­ge Schrif­ten liest; die­se Kate­che­se möge Poli­ti­kern vor­be­hal­ten blei­ben. Sol­chen Erhe­bun­gen wohnt immer ein mani­pu­la­ti­ver Zau­ber inne, weil der Expe­ri­men­ta­tor das Expe­ri­ment mehr oder weni­ger beein­flusst. Ich will die­se Umfra­ge nur kom­men­tar­los in den Raum stel­len. 59 Pro­zent der von Allens­bach Inter­view­ten gaben an, sie könn­ten sich nur unter Freun­den offen äußern. Das heißt im Umkehr­schluss, dass mehr als jeder Drit­te nicht ein­mal im trau­ten Krei­se aus­spricht, was er denkt. Als beson­ders hei­kel gel­ten der Umfra­ge zufol­ge die The­men Flücht­lin­ge und Islam. Wer hät­te das gedacht!

Jetzt folgt übli­cher­wei­se das gro­ße Aber aus dem Mun­de der Resch­kes, Prantls und Rest­les: Aber Sie kön­nen doch alles sagen und dru­cken las­sen, was Sie wol­len. Ein Sar­ra­zin ist mit sei­nen angeb­lich ver­bo­te­nen The­sen sogar Best­sel­ler-Autor gewor­den. Tichys Ein­blick, die Jun­ge Frei­heit und Cato erschei­nen völ­lig unbe­an­stan­det. Uwe Tell­kamp darf wei­ter auf­tre­ten. Sogar ein Akif Pirincci kann sich noch öffent­lich äußern. Oder, um einen aktu­el­len Fall zu exem­pli­fi­zie­ren: Der mer­kel­kri­tisch-AfD-nahe Leip­zi­ger Maler Axel Krau­se darf sei­ne Bil­der aus­stel­len, kei­ner ver­brennt sie; wenn Gale­rien und Kol­le­gen sich nicht mit und neben ihm zei­gen wol­len, ist das frei­lich ihr gutes Recht. In Deutsch­land herrscht Meinungsfreiheit!

Das ist Pro­pa­gan­da. Wenn du über­le­gen musst, wel­che Fol­gen dein Gebrauch von die­ser Frei­heit haben wird, herrscht sie nicht. Wenn du als Kon­se­quenz dei­nes Frei­heits­ge­brauchs mit Dis­kri­mi­nie­rung bis hin zum Berufs­ver­bot rech­nen musst, obwohl du kein Gesetz ver­letzt hast, gibt es kei­ne Mei­nungs­frei­heit. Thi­lo Sar­ra­zin ist heu­te gesell­schaft­lich geäch­tet; außer­halb pri­va­ter kon­ser­va­ti­ver Zir­kel darf nie­mand es wagen, ihn ein­zu­la­den, ohne dass der Schat­ten der Ket­ze­rei auf ihn sel­ber fie­le. Inwie­weit sei­ne Mil­lio­nen­ein­nah­men den Gesin­nungs­de­lin­quen­ten damit aus­söh­nen, ist Men­ta­li­täts- und Pri­vat­sa­che, aber der Fall Sar­ra­zin ist kei­nes­falls das Para­de­bei­spiel dafür, dass in Deutsch­land Mei­nungs­frei­heit herrscht, son­dern demons­triert genau das Gegen­teil. Mit Nor­bert Bolz gespro­chen: Mei­nungs­frei­heit heißt nicht, dass du dei­ne Mei­nung äußern kannst, son­dern dass du sie angst­frei äußern kannst. Ter­ti­um non datur.

Die Gegen­sei­te sieht das anders und wirft spe­zi­ell der AfD vor, sie „sti­li­sie­re sich als Opfer“. Nur weil AfD-Abge­ord­ne­te und AfD-Büros häu­fi­ger atta­ckiert wer­den, als das Ange­hö­ri­gen und Eta­blis­se­ments der ande­ren Par­tei­en wider­fährt. Aber noch nie ist jemand dabei zu Tode gekom­men. Auch die Zahl der Ver­letz­ten ist denk­bar nied­rig. Die AfD instru­men­ta­li­siert sol­che Vor­fäl­le. Die Gegen­sei­te spricht dann von Mimimi.

Die Gegen­sei­te – das sind die­je­ni­gen, die wirk­lich im Sturm ste­hen, die unter Stick­oxi­den und Leis­tungs­druck in Mathe­ma­tik zu lei­den haben, die gegen enor­me Wider­stän­de Trig­ger-War­nun­gen für Semi­na­re durch­set­zen müs­sen, die prak­tisch in jedem Augen­blick von einem Griff ans Knie trau­ma­ti­siert wer­den kön­nen und sich oft über ihr Geschlecht im Unkla­ren befin­den. Die Prot­ago­nis­ten die­ser Gegen­sei­te wür­den es locker weg­ste­cken, wenn man bloß ihre Häu­ser beschmier­te und Büros angrif­fe, wenn ihre Kin­der, sofern vor­han­den, in der Schu­le gemobbt wür­den, wenn sie aus Gesin­nungs­grün­den ihre Jobs ver­lö­ren, wenn sie auf dem Woh­nungs­markt dis­kri­mi­niert und von Kir­chen­ta­gen aus­ge­la­den wür­den, sich nir­gend­wo ohne gro­ße Poli­zei­auf­ge­bo­te ver­sam­meln könn­ten – ich bre­che hier ab.

„Solan­ge die AfD und Ihre Reprä­sen­tan­ten mit het­ze­ri­schen Äuße­run­gen ver­su­chen, das Land zu spal­ten, mit rück­wärts­ge­wand­ten Vor­stel­lun­gen eine ande­re Gesell­schaft zu schaf­fen und sich nicht von Extre­mis­ten in ihren Rei­hen abset­zen, muss sie es sich gefal­len las­sen, dafür ver­ant­wort­lich gemacht zu wer­den.“ Schrieb mir ein­mal eine Lese­rin. Die­ses pracht­voll gute Gewissen! –

Anfra­ge an Radio Jere­wan: Ist es wahr, dass in Mos­kau eine Demons­tra­ti­on von Putin-Geg­nern durch staat­lich geför­der­te gewalt­be­rei­te Blo­ckie­rer ver­hin­dert wur­de und die Poli­zei zusah? Und stimmt es, dass in Cha­ba­rowsk der Bür­ger­meis­ter erklärt hat, es sei „völ­lig klar, dass alle im Föde­ra­ti­ons­kreis zusam­men­ste­hen“, wenn regie­rungs­kri­ti­sche Demons­tran­ten die Stadt für ihre Pro­pa­gan­da missbrauchen?

Ant­wort: Im Prin­zip ja, nur han­delt es sich bei den Städ­ten nicht um Mos­kau und Cha­ba­rowsk, son­dern um Ber­lin und Kandel. –

Jeden­falls sind die Mei­nungs­frei­heit und ihre Ein­schrän­kung für die Lin­ken oder die Grü­nen und vor allem auch für die Bun­des­re­gie­rung kein The­ma, sofern man nicht Putin oder Orban vor­wer­fen kann, dass sie die Frei­hei­ten ihrer Bür­ger bzw. Unter­ta­nen beschnei­den. Oder kann sich jemand an irgend­ein grund­stür­zen­des Bekennt­nis zur Mei­nungs- oder Demons­tra­ti­ons­frei­heit aus Mer­kels min­nig­li­chen Mund­werk erin­nern? Wenn der Begriff über­haupt fällt, dann spre­chen die­se Edlen vom Miss­brauch sol­cher Frei­hei­ten durch die schlim­men Rech­ten, von Hass und Het­ze, die immer nur von rechts kom­men, und rufen nach Zensur.

Der Vize­prä­si­dent des deut­schen PEN-Zen­trums – PEN steht für Poets, Essay­ists, Nove­lists, und die Selbst­be­schrei­bung die­ser Trup­pe hebt an mit der Bekun­dung: „Das PEN-Zen­trum Deutsch­land tritt ein für die Frei­heit des Wor­tes“ – der Vize­prä­si­dent des deut­schen PEN-Zen­trums, ein Rei­se­jour­na­list namens Ralf Nest­mey­er – offen­bar hat man kei­nen Poet, Essay­ist or Novel­list für den Job gefun­den –, die­ser Gevat­ter Nest­mey­er hat im Inter­view mit der Deut­schen Wel­le erklärt, er sehe „auch in Deutsch­land eine Ten­denz, dass die Mei­nungs­frei­heit bedroht ist“, und zwar dadurch, dass die Rechts­po­pu­lis­ten zu eif­rig Gebrauch von ihr machen.

Ich muss die­sen Fatz­ke ein biss­chen zitie­ren, es ist gar zu verlockend:

„Die Frei­heit des Wor­tes ist ganz wich­tig für den PEN. Es steht auch in der PEN-Char­ta, dass wir als Mit­glie­der uns immer dafür ein­set­zen wol­len. Wir ver­su­chen, Offen­heit zu schaf­fen und ein mög­lichst brei­tes Dis­kus­si­ons­spek­trum zu ermöglichen.“

Ein paar Ant­wor­ten spä­ter: „Der PEN sieht kei­ne Ver­an­las­sung für eine direk­te Inter­ak­ti­on mit der Neu­en Rech­ten. Wir wol­len nicht in einen Dia­log tre­ten, weil deren Agi­ta­ti­on nicht des Dia­logs wür­dig ist.“

Denn: „Nahe­zu alle, wenn nicht sogar alle Posi­tio­nen der AfD sind ohne­hin untrag­bar. Da fin­de ich es eigent­lich obso­let, sich noch ein­mal kon­struk­tiv mit ihnen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Es wür­de eh nichts bringen.“

Statt­des­sen kön­ne „man nur immer wie­der dar­auf hin­wei­sen, dass wir in Deutsch­land glück­li­cher­wei­se eine ganz tol­le Medi­en­land­schaft haben, und dass ganz vie­le Berich­te in renom­mier­ten Tages­zei­tun­gen sehr weit weg sind von soge­nann­ten Fake News. (…) Da kann es immer mal wie­der einen klei­nen Aus­rut­scher geben – sie­he der Fall Relo­ti­us beim Spie­gel –, aber das ist dann im Pro­mil­le­be­reich. Nor­ma­ler­wei­se wird her­vor­ra­gend recher­chiert, und dafür kann man allen Jour­na­lis­ten in die­sem Land auch nur danken.“

Mei­ne Damen und Her­ren, ich tra­ge Ihnen die­ses Exem­pel von kon­for­mis­ti­schen Kre­t­i­nis­mus nur vor, um Sie auf ein Leit­mo­tiv ein­zu­stim­men, ohne das zumin­dest mei­ne Hal­tung zu die­sem Land, zu sei­nem poli­tisch-media­len Per­so­nal, zu sei­nen oppor­tu­nis­ti­schen Eli­ten und Öffent­lich­keits­ar­bei­tern nicht ver­steh­bar ist: den Ekel.

Ich bin ein Mensch, der Karl Edu­ard von Schnitz­ler noch live erle­ben durf­te, doch die­se SED-Krea­tur kommt mir inzwi­schen bei­na­he prä­ten­ti­ös vor, ver­gli­chen bei­spiels­wei­se mit einer Jour­na­lis­tin des Süd­deut­schen Beob­ach­ters, die über den Aus­schluss des Malers Axel Krau­se von der Leip­zi­ger Jah­res­aus­stel­lung schrieb:

„Muss man sich jetzt die Mühe machen und – nur weil der Maler rech­te The­sen drischt – mit aller Inter­pre­ta­ti­ons­ge­walt auf ein eher belang­lo­ses Werk los­ge­hen? Es ver­glei­chen mit all den Land­schaf­ten und Por­träts, die bei faschis­ti­schen oder natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Malern hoch im Kurs stan­den (…)? Die etwas lah­men Wer­ke von Krau­se tau­gen eher nicht zur Debat­te, schon seit Jahr­zehn­ten nicht. (…)

Die Absa­gen der Kol­le­gen haben nichts mit Zen­sur zu tun (…). Dass Künst­ler sich wei­gern kön­nen, mit ihren Wer­ken den Male­rei­en von Axel Krau­se als Kulis­se zu die­nen, eben dar­in besteht die Frei­heit der Kunst.“

Am Bei­spiel die­ser sekun­dä­ren Goeb­bels-Adep­tin, die en pas­sant einen ihr oder der Chef­re­dak­ti­on poli­tisch nicht geneh­men Künst­ler für einen schlech­ten Künst­ler erklärt, lässt sich gut ein mani­pu­la­ti­ves Vor­ge­hen stu­die­ren, das neu­deutsch Framing heißt. Framing bedeu­tet, den poli­tisch Miss­lie­bi­gen in einen stig­ma­ti­sie­ren­den Rah­men zu rücken. Das geschieht etwa, wenn ein Spie­gel online-Kolum­nist Zeit­ge­nos­sen, die den men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­del bestrei­ten, in einem Atem­zug mit Leu­ten nennt, die die Kugel­ge­stalt der Erde leug­nen (ich hat­te mich an die­ser Stel­le ursprüng­lich ver­tippt und Aten­zug geschrie­ben; das passt auch). In einem sol­chen Frame fin­den sich Rechts­po­pu­lis­ten und Neo­na­zis, AfD-Wäh­ler und Ras­sis­ten so noto­risch wie nolens volens zusam­men­ge­pfercht. Sol­che Grup­pen­zu­schrei­bun­gen brin­gen eine läss­li­che Klas­si­fi­ka­ti­on mit einer kon­ta­mi­nier­ten zusam­men, um die eine mit der ande­ren zu ver­gif­ten. Es han­delt sich um Dum­ping-Syl­lo­gis­men des Zeit­geis­tes, bil­lig, aber bei stän­di­ger Wie­der­ho­lung wir­kungs­voll: Was Krau­se malt, stand schon bei den Nazis im Kurs; Krau­se fabri­ziert Nazi­kunst. Die gym­na­sia­len Platt­köp­fe, die vor kur­zem gegen die all­zu schwe­ren Mathe­ma­tik-Prü­fungs­auf­ga­ben fürs Abitur pro­tes­tier­ten, hät­ten viel­leicht dar­auf insis­tie­ren sol­len, dass schon die Nazis die Mathe­ma­tik benutzt haben.

Aber, wird die Gegen­sei­te wie­der rufen, sogar Sach­sens SPD-Kul­tur­mi­nis­te­rin Eva-Maria Stan­ge habe die Aus­la­dung des Malers kri­ti­siert. „Es geht nicht, dass Men­schen wegen ihrer poli­ti­schen Hal­tung stig­ma­ti­siert und gesell­schaft­lich aus­ge­schlos­sen wer­den. Die AfD ist eine demo­kra­tisch gewähl­te Par­tei“, sag­te Stan­ge. In Deutsch­land herrscht doch Pluralismus!

Nein. Die Minis­te­rin sagt etwas, das völ­lig selbst­ver­ständ­lich ist. Der angeb­li­che Plu­ra­lis­mus zer­fällt in Stig­ma­ti­sie­rung und for­mel­le Kri­tik der Stig­ma­ti­sie­rung. Krau­se bleibt aus­ge­la­den, Krau­se bleibt „umstrit­ten“. Die Ein­schüch­te­rung wird ihre Wir­kung tun. Das links-rechts-Gefäl­le bleibt bestehen.

Ver­mut­lich lässt sich heu­te in den ton­an­ge­ben­den Milieus nicht ein­mal Einig­keit dar­über her­stel­len, dass Meinungs‑, Versammlungs‑, Pres­se- und Kunst­frei­heit über­haupt Grund­pfei­ler der west­li­chen Zivi­li­sa­ti­on sind, zumin­dest nicht ohne ein ein­schrän­ken­des Aber. Das war ein­mal anders, als sich die Lin­ke noch in der Oppo­si­ti­on befand. Damals mach­ten die Bür­ger­li­chen den Feh­ler, der Lin­ken gegen­über all­zu tole­rant zu sein – übri­gens machen sie den glei­chen Feh­ler der­zeit den Islam­funk­tio­nä­ren gegen­über. Ich mei­ne damit kei­nes­wegs, dass es falsch gewe­sen sei, lin­ke Posi­tio­nen zu tole­rie­ren, statt sie zu ver­fol­gen – ich bin über­haupt gegen jede Ver­fol­gung von Ansich­ten –, son­dern dass man die Lin­ken ins bür­ger­li­che Boot geholt hat, aus falsch ver­stan­de­ner Tole­ranz, um groß­zü­gig, offen und modern zu erschei­nen – viel­leicht auch ein biss­chen aus Grün­den, aus denen die spa­ni­schen Mon­ar­chen sich Hof­zwer­ge hiel­ten. Jede bür­ger­li­che Zei­tung zum Bei­spiel hat­te irgend­wann ihre rote Zel­le, meis­tens im Feuil­le­ton, nie im Wirt­schafts­teil. Das Pro­blem mit den Lin­ken besteht dar­in, dass sie, wenn sie sich in der Oppo­si­ti­on befin­den, sagen: Wir wol­len doch nur mit­spie­len. Aber wenn sie herr­schen, sagen sie: Mit Rech­ten spie­len wir nicht. Wobei als rechts dann prak­tisch alles gilt, was nicht links ist. Die Lin­ken sind bes­ser orga­ni­siert und hal­ten stär­ker zusam­men als die Kon­ser­va­ti­ven, sie gehen stra­te­gisch vor, und sie haben nicht das gerings­te Ver­ständ­nis für ande­re Mei­nun­gen. So muss­ten die Kon­ser­va­ti­ven schließ­lich erken­nen, dass sie ihre Fein­de ein­ge­mein­det hat­ten, um von ihnen vor die Wahl gestellt zu wer­den: Spielt künf­tig nach unse­ren Regeln, oder wir exkom­mu­ni­zie­ren euch. Da wir unter Deut­schen sind, zumin­dest einst­wei­len noch, liegt das Ver­hält­nis von Oppor­tu­nis­ten zu Oppo­si­tio­nel­len otimis­tisch geschätzt bei etwa 20:1. Die Kon­ser­va­ti­ven pass­ten sich an. Wer heu­te die FAZ betrach­tet, hos­pi­tiert die­sem Pro­zess im fina­len Stadium.

Es liegt im Wesen der Con­di­tio huma­na, dass Mei­nungs­frei­heit nir­gends herr­schen kann. Immer wer­den die Herr­schen­den ver­su­chen, die­se Frei­heit ein­zu­däm­men und zugleich den Mas­sen vor­zu­flun­kern, die wah­re Frei­heit bestün­de dar­in, im Kor­ri­dor des Erlaub­ten am dras­tischs­ten zu spre­chen. Auf das aktu­el­le Deutsch­land bezo­gen fie­le die­se Funk­ti­on dann TV-Kas­pern wie Wel­ke und Böh­mer­mann zu. Sehr schön kann man die Gro­ße Frei­heit des kon­for­mis­ti­schen sich-gegen­sei­tig-Über­brül­lens mit der von den rot­grü­nen Gou­ver­nan­ten zer­ti­fi­zier­ten Ansicht auch bei den Spie­gel online-Kolum­nis­ten studieren.

Es lie­gen noch ande­re, stich­hal­ti­ge Grün­de dafür vor, dass Mei­nungs­frei­heit nie und nir­gends wirk­lich wal­ten kann. Die guten Sit­ten und die Manie­ren zum Bei­spiel. Wenn die Maas’sche Inter­net­zen­sur den Kol­la­te­ral­nut­zen zur Fol­ge hät­te, dass sich Rech­te gewähl­ter aus­drü­cken, wäre das doch ein Gewinn. Wenn Ter­mi­ni wie „Inva­so­ren“ oder „Rape­fu­gees“ als Het­ze gelöscht wer­den, was sie zu ca. 50 Pro­zent wohl auch sind, muss man sich als Inter­net-Het­zer eben blu­mi­ge­re, euphe­mis­ti­sche­re, für dum­me Algo­rith­men undurch­schau­ba­re­re For­mu­lie­run­gen aus­den­ken, das ver­bes­sert den Stil und hält den Geist wach. Ich schrei­be bei­spiels­wei­se gern vom „Gold aus den Schif­fen“. Ich muss frei­lich zuge­ben: Es ist schwie­rig, die Con­ten­an­ce zu wah­ren, wenn die Regie­rung von einem ver­langt, dass man den Kakao auch noch trinkt, durch den sie einen zieht.

Ver­gan­ge­ne Woche wur­de ich von Bekann­ten dar­auf auf­merk­sam gemacht, dass man einen Face­book-Ein­trag von mir als Hass­re­de mar­kiert hat. Der frag­li­che Bei­trag wur­de von Face­book gelöscht. Ich fand das ver­wun­der­lich, weil ich mei­ne Face­book­sei­te vor über einem Jahr geschlos­sen habe. Der als Hass­re­de stig­ma­ti­sier­te Text ist zwei Jah­re alt. Die nim­mer­mü­den Spit­zel-Algo­rith­men – ich neh­me mal an, dass es kei­ne arbeits­lo­sen lin­ken Geis­tes­wis­sen­schaft­ler waren – säu­bern das Netz jetzt also sogar rück­wir­kend. Ich muss Ihnen den Text zitie­ren, damit Sie die Grö­ße und Herr­lich­keit die­ses Auf­bruchs ins kon­trol­lier­te Inter­net ermes­sen kön­nen. Er lautete:

„Eines muss man den meis­ten, ich sage jetzt mal cum gra­no salis und ohne die gerings­te dis­kri­mi­nie­ren­de Inten­ti­on ‚Kana­ken’ las­sen: Sie glau­ben weder dar­an, dass es drei oder sie­ben oder sie­ben­mal sie­ben Geschlech­ter gibt und ihr eige­nes nur ein Kon­strukt ist, noch dar­an, dass ihre Fla­tu­lenz zur glo­ba­len Erwär­mung bei­trägt oder dass sie der Drit­ten Welt irgend­et­was schul­den, was sie sich dort nie gelie­hen haben; sie möch­ten nicht via Quo­te mehr Frau­en in Füh­rungs­po­si­tio­nen brin­gen noch ihre Kin­der über die Sexu­al­prak­ti­ken von LSBTI-Men­schen früh­auf­klä­ren las­sen, sie essen beden­ken­los Fleisch, pfei­fen auf die Schuld ihrer Vor­fah­ren an der Skla­ve­rei, und Viel­falt heißt für sie, zwi­schen einem BMW und einem Audi wäh­len zu können.“

Und die­se Sym­pa­thie­er­klä­rung fir­miert nun unter Hass­re­de? Wenn es Algo­rith­men waren, die dar­auf ver­fie­len, dann hat wahr­schein­lich der Ter­mi­nus „Kana­ke“ den blin­den Alarm aus­ge­löst. Oder sind doch wider Erwar­ten Figu­ren vom Schla­ge der Kaha­ne tätig gewor­den? In bei­den Fäl­len zeich­net sich eine Zukunft ab, die von DDR-arti­ger Zen­sur geprägt ist, frei­lich in einer flä­chen­de­cken­den Voll­endung, die den alten Sta­si-Käm­pen Trä­nen in die Augen trei­ben dürfte.

Ich sag­te, es sei logisch, dass Mei­nungs­frei­heit nir­gends herr­schen kön­ne. Aller­dings ist sie garan­tiert, im GG. Art 5. (1), wo es bekannt­lich heißt: „Jeder hat das Recht, sei­ne Mei­nung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu ver­brei­ten und sich aus all­ge­mein zugäng­li­chen Quel­len unge­hin­dert zu unter­rich­ten. (…) Eine Zen­sur fin­det nicht statt.“

Para­graph 130 StGB schränkt frei­lich ein: Eine Geld­stra­fe oder eine Frei­heitstra­fe bis zu drei Jah­ren kann über den­je­ni­gen ver­hängt wer­den, der in einer Wei­se, die geeig­net ist, den öffent­li­chen Frie­den zu stö­ren, gegen eine natio­na­le, ras­si­sche, reli­giö­se oder durch ihre eth­ni­sche Her­kunft bestimm­te Grup­pe, gegen Tei­le der Bevöl­ke­rung oder gegen einen Ein­zel­nen wegen sei­ner Zuge­hö­rig­keit zu einer vor­be­zeich­ne­ten Grup­pe oder zu einem Teil der Bevöl­ke­rung zum Hass auf­sta­chelt, zu Gewalt- oder Will­kür­maß­nah­men auf­for­dert oder die Men­schen­wür­de ande­rer dadurch angreift, dass er eine vor­be­zeich­ne­te Grup­pe oder einen Ein­zel­nen wegen sei­ner Zuge­hö­rig­keit zu einer vor­be­zeich­ne­ten Grup­pe beschimpft, bös­wil­lig ver­ächt­lich macht oder ver­leum­det etce­te­ra pp.

Das nennt man einen Gum­mi­pa­ra­gra­phen, und Gum­mi­pa­ra­gra­phen haben die Eigen­schaft, dass sie sich sehr weit, aber eben auch sehr eng aus­le­gen las­sen, sofern eine Regie­rung und ein Zeit­geist dies wün­schen. Gera­de aus der Unter­stel­lung, jemand beschimp­fe eine Grup­pe, kann eine elas­ti­sche Jus­tiz sehr unelas­ti­sche Stri­cke drehen.

Der soge­nann­te Anti­ras­sis­mus soll die Gesell­schaft auf die Front­ver­läu­fe und Tabus der Zukunft ein­stim­men. Um nicht miss­ver­stan­den zu wer­den: Ras­sis­mus ist empö­rend. Aber unse­re Lin­ken haben aus die­sem Vor­wurf eine ideo­lo­gi­sche Waf­fe und einen nach Belie­ben dehn­ba­ren Plap­per­be­griff gemacht. Man kann das Wort nicht mehr ernst­lich ver­wen­den. Ech­ter Ras­sis­mus hat mit der pau­scha­len Abwer­tung von Men­schen wegen ihrer Ras­se zu tun, nicht mit der Erwäh­nung ihrer Grup­pen­zu­ge­hö­rig­keit. Es ist ras­sis­tisch zu sagen: Schwarz ist schlecht (oder: Weiß ist schlecht). Die Anti­ras­sis­ten wol­len uns aber ein­re­den, es sei bereits ras­sis­tisch zu sagen, dass Schwarz Schwarz ist. Ein jeg­li­cher Unter­schied zwi­schen eth­ni­schen Kol­lek­ti­ven soll geleug­net wer­den, bei Stra­fe des Ras­sis­mus­vor­wurfs und der gesell­schaft­li­chen Exkommunikation.

Jeder weiß, jeder sieht, jeder erfährt täg­lich, dass es signi­fi­kan­te Unter­schie­de zwi­schen Völ­kern, Natio­nen, Ras­sen, eth­nisch-kul­tu­rel­len Kol­lek­ti­ven gibt – gott­sei­dank übri­gens, vive la dif­fe­rence! Sogar zwi­schen so eng ver­wand­ten Kol­lek­ti­ven wie den Deut­schen und den Fran­zo­sen bestehen gewal­ti­ge men­ta­le Unter­schie­de, die man der­zeit an der Bewe­gung der Gelb­wes­ten stu­die­ren kann, die unbe­irrt von extre­mer Poli­zei­ge­walt gegen die Regie­rung Macron pro­tes­tie­ren, wie Fran­zo­sen eben alle 30, 40 Jah­re eine Revo­lu­ti­on ver­an­stal­ten müs­sen, wäh­rend die staats­from­men Deut­schen der Über­ge­schnapp­ten im Kanz­ler­amt wil­lig in den ener­gie­po­li­ti­schen, migra­ti­ons­po­li­ti­schen, wirt­schafts­po­li­ti­schen und finanz­po­li­ti­schen Kol­laps fol­gen und brav sämt­li­che Nero­be­feh­le aus­füh­ren, ob sie nun der Zer­stö­rung der Ener­gie­ver­sor­gung, der inne­ren Sicher­heit, des Woh­nungs­mark­tes, der Ren­ten­sys­te­me, der Auto­mo­bil­in­dus­trie, der Lan­des­ver­tei­di­gung und nicht zuletzt der deut­schen Spra­che gelten.

Doch wer immer die­se evi­den­ten Unter­schie­de zwi­schen Grup­pen, Eth­ni­en, Völ­kern wahr­nimmt, blickt nach dem Beschluss der Anti­ras­sis­ten mit Ras­sis­ten­au­gen in die Welt. Jede kol­lek­ti­ve Zuschrei­bung soll Ras­sis­mus sein. Das gilt kei­nes­wegs nur für abwer­ten­de Beschrei­bun­gen. Die Fest­stel­lung, dass Ost­asia­ten flei­ßig, intel­li­gent und auf­stiegs­ori­en­tiert sind, soll nach neu­er kano­ni­scher Les­art eben­falls ras­sis­tisch sein.

Aber Gott ist Bio­lo­gist. Die Wirk­lich­keit ist „ras­sis­tisch“. Also muss sie bekämpft wer­den. Der heu­ti­ge Anti­ras­sis­mus kämpft nicht mehr um glei­che Rech­te, son­dern gegen die Wirk­lich­keit. Wir sol­len künf­tig im Reich der Lüge leben und unse­ren Augen so wenig trau­en wie unse­ren Erfah­run­gen. Wir sol­len, um ein Bei­spiel zu neh­men, uns schä­men, wenn wir dar­auf hin­wei­sen, ja wenn uns auch nur auf­fällt, dass ein Ver­ge­wal­ti­ger einer bestimm­ten Grup­pe ent­stammt – aus­ge­nom­men, es han­delt sich um einen wei­ßen Mann oder Hol­ly­wood-Pro­du­zen­ten, dann ist jede Art Hexen­jagd gebo­ten –, wir sol­len dar­auf dres­siert wer­den, dass die Erwäh­nung der Eth­nie des Täters ver­werf­li­cher ist als die Tat selbst. Ein Sta­tis­ti­ker, der einen empi­ri­schen Zusam­men­hang zwi­schen eth­nisch-kul­tu­rel­ler Prä­gung der Täter und ihren Taten fest­stellt, soll sich fra­gen, ob er nicht ras­sis­ti­schen Mus­tern folgt und eine mora­lisch anrü­chi­ge Per­son ist. Für einen Poli­zis­ten, der den Erkennt­nis­sen des racial pro­fil­ing folgt, weil sich das in sei­nem Job bewährt hat und mit sei­ner prak­ti­schen Erfah­rung kor­re­liert, gilt das­sel­be. Und ein Rich­ter, der dar­über zu befin­den hat, ob ein Ver­ge­wal­ti­ger mit dem berühm­ten exis­tenz­ver­edeln­den Hin­ter­grund abge­scho­ben wird, soll guten Gewis­sens ent­schei­den: Nein, denn der Schwe­re­nö­ter gefähr­det dann ja die Frau­en in sei­nem Hei­mat­land, und es ist doch einer­lei, ob er eine deut­sche oder, sagen wir, eine soma­li­sche Frau ver­ge­wal­tigt. (Es gab einen sol­chen Rich­ter­spruch in Schwe­den.) Wo alle Men­schen wirk­lich gleich sind, ist jeder ein Ras­sist, der noch eth­nisch-kul­tu­rel­le Unter­schie­de wahr­nimmt. Im Satans­reich der Lüge ist das Gedan­ken­ver­bre­chen des Unter­schie­de­ma­chens schlim­mer als eine Gewalttat.

Die­ses Res­sen­ti­ment trägt in Über­see, sei­nem Geburts­ort, den Namen iden­ti­ty poli­tics und brei­tet sich der­zeit im gesam­ten Wes­ten aus. Iden­ti­tiy poli­tics bedeu­tet: Nur kol­lek­ti­ve Iden­ti­tä­ten zäh­len. Das Indi­vi­du­um gilt nichts. Nur als Ange­hö­ri­ger einer Grup­pe kannst du in ihrem Namen spre­chen. Aber nie als Indi­vi­du­um. Das ähnelt ver­blüf­fend der isla­mi­schen Welt. Auch dort ist das Indi­vi­du­um – poli­tisch gespro­chen: der Bür­ger – kei­ne rele­van­te Grö­ße. Nur die Umma zählt. Es gibt auch Par­al­le­len zur völ­ki­schen Rech­ten, über deren Zahl und Rele­vanz mir kei­ne belast­ba­ren Sta­tis­ti­ken vor­lie­gen. Kul­tur­mar­xis­mus, Islam, völ­ki­sche Rech­te: das sind alles anti­bür­ger­li­che, anti-indi­vi­dua­lis­ti­sche Soziotope.

Ich sag­te, für die Iden­ti­täts­be­ses­se­nen zähl­ten nur kol­lek­ti­ve Iden­ti­tä­ten. Aber du darfst die­se kol­lek­ti­ven Iden­ti­tä­ten nicht eth­nisch-kul­tu­rell posi­tiv defi­nie­ren – es gibt ja kei­ne Unter­schie­de! –, son­dern ledig­lich als kol­lek­ti­ve Benach­tei­li­gung ein­kla­gen. Die ein­zi­ge Grup­pe, die nichts ein­kla­gen darf, weil sie ja das Pri­vi­le­gier­ten- und Unter­drü­cker­kol­lek­tiv bil­det, ist der wei­ße Mann. „It’s okay to be white“, hieß eine T‑shirt- und Auf­kle­ber­kam­pa­gne der ame­ri­ka­ni­schen Rech­ten, die sogar im aus­tra­li­schen Par­la­ment behan­delt wur­de, das mit gro­ßer Mehr­heit über­ein­kam, es hand­le sich um einen ras­sis­ti­schen Slo­gan wei­ßer Supre­ma­tis­ten. Milo Yiann­o­pou­los hat gesagt, man kön­ne iden­ti­ty poli­tics nicht mit iden­ti­ty poli­tics bekämp­fen: „You shouldn’t give a shit about skin-colour, you shouldn’t give a shit about sexua­li­ty, you shouldn’t give a shit about gen­der, but you should be deep­ly sus­pi­cious of the peo­p­le who do.“ 

Wahr­schein­lich hat er Recht. Man soll nicht Weiß gegen Schwarz, Mann gegen Frau, Hete­ro gegen Homo set­zen, son­dern den Bür­ger gegen den Sozia­lis­ten, den Zivi­li­sier­ten gegen den Bar­ba­ren, das Indi­vi­du­um gegen die Herde.

Ich könn­te jetzt end­los wei­ter räso­nie­ren über tota­li­tä­re Ten­den­zen in unse­rer sich für wun­der wie frei hal­ten­den Welt­ge­gend, über die Auf­he­bung der Pri­vat­heit – es braucht dafür nicht das Stra­che-Video, erin­nern Sie sich an den Nazi-Geburts­tag von Mat­thi­as Matus­sek –, über die  dro­hen­de Abschaf­fung von Iro­nie und Sati­re als Stil­mit­tel, weil weder Ruprecht Polenz noch die Face­book-Algo­rith­men sie ver­ste­hen, über die Initia­ti­ven der Kul­tur­schaf­fen­den zu Nutz und From­men der Staats­füh­rung, über die Rück­kehr des Spit­zels als Held der Zivil­ge­sell­schaft, über die gespens­ti­sche Macht von Platt­for­men wie Goog­le, Face­book und twit­ter, die dar­über befin­den kön­nen, ob jemand vir­tu­ell exis­tiert oder nicht. Aber dafür haben wir kei­ne Zeit.

Bei der Welt­kli­ma­re­li­gi­on als nächs­ter Eska­la­ti­ons­stu­fe des Gesin­nungs­ter­ro­ris­mus muss ich frei­lich kurz ver­wei­len. Nach dem Drit­ten Stand, dem Pro­le­ta­ri­er, der Frau, den Homo­se­xu­el­len, der Drit­ten Welt und dem Migran­ten hat die Lin­ke end­lich das ulti­ma­ti­ve Ret­tungs­sub­jekt gefun­den, das Kli­ma. Es geht ums Gan­ze. Wider­spruch ist Leug­nung. Der Gesin­nungs­druck inner­halb der „Fri­days for Future“-Bewegung ist enorm. Wer nicht mit­schwänzt, wird als Unhold betrach­tet, dem die Zukunft des Pla­ne­ten gleich­gül­tig ist. Ansons­ten gel­ten die übli­chen Regeln der Poli­ti­schen Kor­rekt­heit: Es gibt die greif­bar nahe idea­le Welt und den Stö­rer, der eli­mi­niert wer­den muss, weil er ihrem Errei­chen im Wege steht.

Das Phä­no­men Gre­ta ist ein PR-Coup ers­ter Güte, soviel muss man den Glo­bal­grü­nen zubil­li­gen. Die Rech­ten und die CDU ste­hen stau­nend dane­ben. Die Sache lässt sich durch und durch ideo­lo­gisch an, aber es geht pri­mär um Geld. Die Ener­gie­wen­de ist bereits ein Rie­sen­ge­schäft, wo Steu­er­mil­li­ar­den via EEG-Umla­ge aus dem Porte­mon­naie der Aldi-Kas­sie­re­rin in die Taschen der sub­ven­tio­nier­ten Betrei­ber von Wind­rä­dern und Solar­parks umge­lei­tet wer­den. Aber mit der Welt­kli­ma­ret­tung beginnt die ganz gro­ße Gau­ne­rei. Der Vize­di­rek­tor des Pots­dam Insti­tuts für Kli­ma­fol­gen­for­schung, Ott­mar Eden­ho­fer, hat im Inter­view mit der Stutt­gar­ter Zei­tung am, auf­ge­merkt, 17. Sep­tem­ber 2010 erklärt: „Wir ver­tei­len durch die Kli­ma­po­li­tik de fac­to das Welt­ver­mö­gen um.“ Hier wer­den ganz dicke Bret­ter gebohrt. Das när­ri­sche Schwe­den­mä­del ist nur ein Mas­kott­chen. Auch hin­ter der Will­kom­mens­hys­te­rie stan­den und ste­hen peku­niä­re Inter­es­sen. Zwei Mil­lio­nen neue Kun­den, die aus Steu­er­mit­teln mit Woh­nun­gen, Turn­schu­hen, Hän­dis und neu­en Gebis­sen ver­sorgt wer­den. Allein für den medi­zi­nisch-indus­tri­el­len Kom­plex war das ein Rie­sen­ge­schäft, auf Kos­ten der deut­schen Steu­er­zah­ler, denen zugleich ein gewal­ti­ges schlech­tes Gewis­sen ver­ab­folgt wird, soll­ten sie sich aus Eigen­nutz der die­bi­schen Will­kom­mens­ma­fia entgegenstellen.

Es ist nicht schön, wenn peku­niä­re Beweg­grün­de zur Gesin­nungs­hatz füh­ren, aber immer­hin nach­voll­zieh­ba­rer und nicht ganz so irre wie eine rein ideo­lo­gisch oder reli­gi­ös moti­vier­te Erwe­ckungs­be­we­gung. Natür­lich ver­mi­schen sich Kal­kül und Hys­te­rie dabei bezie­hungs­wei­se wird die Hys­te­rie vom Kal­kül instru­men­ta­li­siert. Der Gedan­ke führt ins Poli­ti­sche. Man muss auf poli­ti­schem Wege an die Geld­strö­me her­an­kom­men, sie umlei­ten und auch kap­pen. Das ist viel wich­ti­ger, als mit der Gegen­sei­te zu dis­ku­tie­ren oder sich über Aus­gren­zung und Unge­rech­tig­keit zu bekla­gen. Donald Trump hat das begrif­fen. Auch Herr Kurz, mei­nes Wis­sens der ein­zi­ge aktu­el­le Steu­er­sen­ker in West­eu­ro­pa, hat es begrif­fen. Dis­kur­se blei­ben frucht­los. Wer mit Agen­ten der Will­kom­mens­kul­tur oder der Kli­ma­ret­tung redet, merkt schnell, dass sie fana­tisch sind und jeden Wider­spruch für Teu­fe­lei hal­ten. Sie den­ken nicht im Traum dar­an, ihren Stand­punkt zur Dis­po­si­ti­on zu stel­len; ein ein­fluss­rei­cher Teil lebt über­dies davon. Debat­tie­ren hilft hier nicht wei­ter, man muss ihnen das Geld weg­neh­men. Das heißt, man muss regieren.

Den vor- und meta­po­li­ti­schen Raum von den Medi­en bis zu den Uni­ver­si­tä­ten hat die Lin­ke noch dich­ter mit ihren Laut­spre­chern zuge­stellt als das Ener­gie­wen­de-Syn­di­kat ehe­dem reiz­vol­le deut­sche Land­schaf­ten mit Wind­rä­dern. Dort ist für Rech­te, Kon­ser­va­ti­ve und Liber­tä­re wenig zu gewin­nen. Aber in Gör­litz könn­te erst­mals ein AfD-Poli­ti­ker Bür­ger­meis­ter wer­den. Dar­um allein geht es: Minis­te­ri­en. Ein­fluss. Macht. Der Kampf um Meinungs‑, Demons­tra­ti­ons- oder Kunst­frei­heit ist nur ein Neben­kriegs­schau­platz. Aber wenn erst ein­mal ein kon­ser­va­ti­ver Minis­ter die Sub­ven­tio­nen für den ver­fas­sungs­wid­ri­gen „Kampf gegen rechts“ und all die links­grün­ge­fin­kel­ten Pro­pa­gan­da­schau­en stri­che, die hier­zu­lan­de als Kul­tur ver­kauft wer­den, käme Bewe­gung in die ver­stei­ner­ten Ver­hält­nis­se. Nicht ver­bie­ten, nicht denun­zie­ren, nicht ver­fol­gen – all das ist dem Bür­ger­li­chen zutiefst fremd. Es genügt, die­se Leu­te nicht mehr zu alimentieren.

Donald Trump gibt ein exzel­len­tes Bei­spiel. Er hat sich nicht eine Sekun­de davon irri­tie­ren las­sen, dass die gesam­te öffent­li­che Mei­nung der west­li­chen Welt gegen ihn war. Er hat sich von ein­zel­nen Rich­ter­sprü­chen gegen sei­ne poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen nicht düpie­ren las­sen. Er zieht sei­ne Poli­tik ein­fach durch. Er hat ja die Macht. Er braucht kei­nen Applaus von den Wortführern.

Wie sich inzwi­schen her­um­ge­spro­chen hat, sind ame­ri­ka­ni­sche Eli­te-Unis Orte, an denen die Frei­heit des Wor­tes unge­fähr so viel gilt wie bei den Tali­ban. Es war eine genia­le und zutiefst sym­bol­haf­te Akti­on des Prä­si­den­ten, ein Dekret über die Rede­frei­heit an den Uni­ver­si­tä­ten anzu­kün­di­gen – ich weiß nicht, ob es schon erlas­sen ist – und deren staat­li­che Finan­zie­rung dar­an zu knüp­fen. Auf einer deut­schen aka­de­mi­schen Web­sei­te las ich die Über­schrift: „Trump will Uni­ver­si­tä­ten zur Rede­frei­heit zwin­gen“. Die­ser Donald ist schon ein schlim­mer Finger.

Die ten­den­zi­ell, also lang­fris­tig größ­te Bedro­hung der Mei­nungs­frei­heit – und nicht nur die­ser – geht aller­dings wahr­schein­lich vom Islam aus. Es ist naiv, den Islam als eine Reli­gi­on zu betrach­ten, die eben gemäß west­li­cher Tra­di­ti­on inzwi­schen Pri­vat­sa­che zu sein hat, denn die Umma kennt den pri­va­ten Glau­ben gar nicht. Der Islam ist ein ver­bind­li­cher, von Gott gesetz­ter Ver­hal­tens­vor­schrif­ten­ka­ta­log, in dem Begrif­fe wie Indi­vi­dua­li­tät oder Mei­nungs­frei­heit über­haupt nicht vor­kom­men. Islam­kri­ti­ker oder Islam-Aus­stei­ger kön­nen davon Zeug­nis able­gen. Nir­gends, wo der Islam herrscht, sind die bür­ger­li­chen Frei­hei­ten garan­tiert, sie ste­hen alle­samt unter Scha­ria-Vor­be­halt, kein mus­li­mi­sches Land ist ein Rechts­staat – also in unse­rem Sin­ne, die isla­mi­schen Rechts­ge­lehr­ten mögen ande­rer Ansicht sein. Poli­ti­ker, Intel­lek­tu­el­le und ande­re inter­es­sier­te Krei­se, die heu­te einen Euro-Islam her­bei­phan­ta­sie­ren, der sich vom ori­en­ta­li­schen Islam grund­le­gend durch sei­ne Rechts­staats­treue unter­schei­det, erin­nern an mit­tel­al­ter­li­che Alche­mis­ten, die auch aller­lei wun­der­sa­me Ver­wand­lun­gen in Angriff nah­men, aber an deren Ver­wirk­li­chung regel­mä­ßig scheiterten.

Die Schi­zo­phre­nie des deut­schen Staa­tes besteht dar­in, dass er einer­seits Per­so­nen­schutz für Islam­kri­ti­ker auf­bie­tet, zugleich aber immer neue Glau­bens­fa­na­ti­ker ein­wan­dern lässt – ana­log dazu, wie der deut­sche Staat AfD-Ver­an­stal­tung vor Links­extre­mis­ten schützt, aber die­ses aggres­si­ve Milieu nicht wirk­lich bekämpft. Was natür­lich mit des­sen Unter­stüt­zern und klamm­heim­li­chen Sym­pa­thi­san­ten in Poli­tik und Medi­en zusammenhängt.

Wenn hier­zu­lan­de der Poli­tik­wech­sel nicht ein­tritt, für den stell­ver­tre­tend der Name Trump steht, wenn der Staats­so­zia­lis­mus und die Aus­plün­de­rung der Bür­ger wei­ter zuneh­men und zugleich die Ali­men­tie­rung von Migran­ten ohne Gegen­leis­tung als Köder für die nächs­ten Wan­der­strö­me fort­ge­setzt wird, dann wird Deutsch­land ein fabel­haf­ter Nähr­bo­den für die wei­te­re Aus­brei­tung die­ses kol­lek­ti­vis­ti­schen ori­en­ta­li­schen Glau­bens­sys­tems sein. Dann wird die­ses Land wohl dem Sze­na­rio fol­gen, das der groß­ar­ti­ge Michel Hou­el­le­becq in sei­nem Roman „Unter­wer­fung“ geschil­dert hat.

Das ist übri­gens der Grund, war­um ich in mei­nen Aus­füh­run­gen zwei eng mit­ein­an­der ver­wand­te momen­ta­ne Haupt­ak­teu­re der Mei­nungs­frei­heits­be­schnei­dung fort­ge­las­sen habe: den Femi­nis­mus und den Gen­der-Okkul­tis­mus. Um die Zukunft die­ser modi­schen Pla­gen muss man sich kei­ne Gedan­ken machen, das wer­den die Mus­li­me ganz allein abräu­men. Ich sah unlängst ein Video, auf dem Mus­li­me in Bir­ming­ham gegen den Sexu­al­kun­de­un­ter­richt demons­trier­ten, und einer der Pro­test­ler, ker­ni­ge bär­ti­ge 90 Kilo­gramm kon­stru­ier­ter Männ­lich­keit, rief ins Mikro­fon, zwei Väter und zwei Müt­ter oder ein Jun­ge im Mäd­chen­kör­per und umge­kehrt, das sei alles gegen Allah, das sei mit dem Islam nicht zu machen, und, jetzt kommt’s: „First God crea­ted man and then he crea­ted woman for man’s plea­su­re.“ Wenn die­se bei­den Frak­tio­nen ein­mal direkt auf­ein­an­der­pral­len, kann sich unser­eins ent­spannt zurück­leh­nen. Frei­lich: Einer wird gewin­nen – ich neh­me Wet­ten an, wer –, und das bedeu­tet nichts Gutes für die Frei­heit. Wer wird sie ver­tei­di­gen? Unse­re der­zei­ti­gen Wort­füh­rer gewiss nicht. Schon heu­te ist ihre Feig­heit gegen­über dem wirk­lich droh­fä­hi­gen Kol­lek­tiv gren­zen­los – was, neben­bei, ihren aggres­si­ven Gra­tis­mut im Kampf gegen „rechts“ erklärt. Wie unse­re Wort­füh­rer und Funk­ti­ons­eli­ten beschaf­fen sind, wer­den sie sich, wenn es hart auf hart kommt, für die Kon­ver­si­on ent­schei­den. Und mal unter uns: Den pas­sen­den Bart hat der Prantl-Heri­bert schon, und fünf­mal am Tag Rücken­gym­nas­tik, das wür­de der alten Mol­lus­ke nur guttun.

Zum Schluss noch eine per­sön­li­che Bemer­kung. Hen­ry Lou­is Men­cken, einer mei­ner Haus­hei­li­gen, hat geschrie­ben: „Ich ken­ne kein mensch­li­ches Recht, das auch nur im ent­fern­tes­ten der Bedeu­tung des ein­fa­chen Rechts, die Wahr­heit zu suchen und sie zu äußern, gleich­kä­me. Des­halb kann ich in einem demo­kra­ti­schen Staa­te immer nur ein unbe­tei­lig­ter Bür­ger sein; denn die Demo­kra­tie beruht auf dem Bedürf­nis sub­al­ter­ner Indi­vi­du­en, sich in gro­ßen Mas­sen zusam­men­zu­rot­ten; ihre ein­zi­ge Arti­ku­la­ti­ons­form ist der erbit­ter­te Wider­stand gegen freie Gedanken.“

Aber was, wenn der frei gefass­te Gedan­ke falsch ist und der freie Ein­zel­ne sich im Irr­tum befin­det? Ich kann in die­sem Punk­te nur eine ästhe­ti­sche Posi­ti­on ein­neh­men, was mir die Ent­schei­dung gera­de­zu frev­le­risch leicht­macht. Mei­ne Maxi­me lau­tet: Lie­ber im Unrecht als in irgend­ei­ner Meu­te. Wer hät­te nie­mals Unrecht? Die Meu­te aber ist immer abstoßend.

Dar­aus ergibt sich frei­lich ein Fol­ge­pro­blem, auch und gera­de in Gesell­schaf­ten wie der unse­ren. Der Ein­zel­ne sieht sich näm­lich irgend­wann vor die Alter­na­ti­ven Kar­rie­re oder Frei­heit, Aner­ken­nung oder Stig­ma­ti­sie­rung gestellt. Ich habe immer die kom­pro­miss­lo­sen Geis­ter bewun­dert, die auf Geld und Aner­ken­nung ver­zich­te­ten, aber bei Lich­te und aus der Nähe bese­hen ist es auch ein biss­chen töricht.

Mit­un­ter ist mir dis­kret ver­si­chert wor­den: Sie mit Ihren unbe­streit­ba­ren Talen­ten, Sie hät­ten doch hier die Prei­se, Pos­ten und Sti­pen­di­en nur so abräu­men kön­nen. Aber ich habe nie her­aus­ge­fun­den aus mei­nem ple­be­ji­schem Bedürf­nis zu sagen, was ich den­ke. Womög­lich ist das Bedürf­nis, aus­zu­spre­chen, was man für die Wahr­heit hält, ein Las­ter. Aber ich habe nur die­ses eine Leben, und ich möch­te es, bei aller gene­rel­len Sym­pa­thie für die­sen Berufs­stand, ich möch­te es nicht als Hure verbringen.

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