26. Juni 2023

In einer idea­len Debat­te fäl­len die Teil­neh­mer ihr Urteil mit einem selbst­iro­ni­schen Lächeln.

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Mit einer Gesetz­mä­ßig­keit, wie sie der Mar­xis­mus am fal­schen Gegen­stand ent­deckt zu haben wähn­te, voll­zieht sich eine Macht­über­nah­me der Lin­ken – oder mei­net­we­gen der Sozia­lis­ten gleich wel­cher Fär­bung – in fol­gen­den Schrit­ten: Hyper­tro­phie des Staa­tes, Aus­höh­lung der Mei­nungs­frei­heit, Poli­ti­sie­rung von Jus­tiz und Poli­zei, Ideo­lo­gi­sie­rung des Bil­dungs­sys­tems, Gesin­nungs­kon­trol­le in Unter­neh­men und Behör­den, Eta­blie­rung eines Spit­zel- und Denun­zi­an­ten­sys­tems, Gleich­schal­tung der Medi­en, Schi­ka­nie­rung von Kri­ti­kern, Kri­mi­na­li­sie­rung der Oppo­si­ti­on, Ver­bot der Oppo­si­ti­on, Eta­blie­rung uto­pi­scher Staats­zie­le, die mit gesamt­ge­sell­schaft­li­cher Anstren­gung zu errei­chen sind.

(Mel­dung im Cice­ro)

Am 2. Juli tritt das Hin­weis­ge­ber­schutz­ge­setz in Kraft. Unter­neh­men ab 250 Beschäf­tig­ten müs­sen inter­ne „Hin­weis­ge­ber­sys­te­me” ein­rich­ten. Ende des Jah­res fol­gen dann alle Unter­neh­men ab 50 „Mit­ar­bei­ten­den”. Anony­me Hin­wei­se müs­sen nicht, kön­nen aber, das heißt: wer­den bearbeitet.

Ein sol­ches offi­zi­el­les Denun­zia­ti­ons­in­stru­ment gab es nicht ein­mal in der DDR und im Drit­ten Reich. Instal­liert hat es aus­ge­rech­net ein FDP-Minis­ter. Die spät­deut­sche Geschich­te hat Sinn fürs Groteske.

Momen­tan fin­giert man, es gin­ge um die Mel­dung von Rechts­ver­stö­ßen, sowohl deut­sches als auch EU-Recht betref­fend, wobei im Zen­trum wohl der Volks­ver­het­zungs- und der noch zu schaf­fen­de Kli­ma­wan­del­leug­nungs­pa­ra­graph ste­hen wer­den, der natür­lich expli­zit die Men­schen­ge­macht­heit jenes Wan­dels pos­tu­lie­ren wird.

(Inzwi­schen will der Mann die Leu­gung nicht mehr ver­bie­ten; es war wohl noch zu früh.)

Nen­ne mich para­no­id, wer will – ich kom­me ja aus der Zukunft –, aber mit­tel­fris­tig wird hier ein Instru­ment zur Aus­for­schung und Ein­schüch­te­rung oppo­si­tio­nel­ler Regun­gen und fal­scher Gesin­nun­gen geschaf­fen („Kol­le­ge A. äußert ras­sis­ti­sche Gedan­ken, leug­net den Kli­ma­wan­del und bestrei­tet den Sinn der Ener­gie­wen­de”). Der Hin­weis­ge­ben­de der BRD ist der DDR-IM 2.0, und das ganz ohne Ver­pflich­tungs­er­klä­rung. Das Gesetz legt den Grund­stein für das Ver­bot von kri­ti­schen Äuße­run­gen über die Maß­nah­men und Vor­ga­ben der Regierung.

„Was nicht auf den ers­ten Blick zu erken­nen ist: Das kom­plet­te Ein­schüch­te­rungs­sys­tem beruht auf dem Gebrauch der deut­schen Spra­che und ist daher aus­schließ­lich gegen die gerich­tet, ‚die schon län­ger hier leben’. Was auf ara­bisch und/oder tür­kisch geäu­ßert wird, bleibt jen­seits die­ses Über­wa­chungs­sys­tems. Ob das von den Machern und deren Hin­ter­leu­ten so beab­sich­tigt ist oder wenigs­tens erkannt wird, kann ich nicht beur­tei­len. Auf jeden Fall bedeu­tet das einen wei­te­ren Schritt zur Fes­ti­gung der gesell­schaft­li­chen Frag­men­tie­rung und zur Stär­kung der migran­ti­schen Strukturen.”
(Leser ***)

Man soll im Übri­gen nicht glau­ben, dass die CDU – die Merz-CDU, die Mer­kel-Res­te­ram­pen-CDU, nicht die Basis (an der es hof­fent­lich bald, wie man sagt, kra­chen wird) – die­sen Pro­zess umkeh­ren oder auch nur brem­sen wird, im Gegen­teil, die Appa­rat­schiks haben nur ihre Pos­ten im Blick, dafür sind sie bereit, mit den Grü­nen zu koalie­ren und alle Kon­zes­sio­nen an den Zeit­geist zu machen, die „Brand­mau­er gegen rechts” mit rhe­to­ri­schem Sta­chel­draht zu erhö­hen und kar­rie­re­be­en­den­de Selbst­schuss­an­la­gen zu ver­stär­ken, alles in dem irri­gen Glau­ben, selbst ver­schont zu blei­ben, so lan­ge man die Ande­ren, Kon­ser­va­ti­ve­ren, Rech­te­ren den Hun­den der Woke­ness zu Ver­bellt- und Begei­fert­wer­den anbietet.

Wie ich auf Hun­de komme?

Das Büb­chen ist übri­gens Bun­des­spre­cher der Grü­nen Jugend.

Wir gehen gro­ßen Zei­ten entgegen.

***

Natür­lich wer­den sie die AfD nicht ver­bie­ten, sie brau­chen doch den Teu­fel, um die Gemein­schaft der Recht­gläu­bi­gen zusam­men­zu­schwei­ßen. Nach der der­zei­ti­gen poli­ti­schen Tek­to­nik ist die Exis­tenz der Schwe­fel­par­tei für Grü­ne und Rote die Garan­tie dafür, auch mit mick­ri­gen Wäh­ler­stim­men­pro­zen­ten künf­tig an Regie­run­gen betei­ligt zu werden.

***

Es ist und bleibt das größ­te Geheim­nis die­ser Repu­blik: War­um gibt es eine rech­te Oppo­si­ti­on? Es kann nur an bösen Men­schen mit üblen Ansich­ten lie­gen. Grün­de in der Rea­li­tät blei­ben unauffindbar.

***

Hass und Het­ze im Netz schei­nen tat­säch­lich ein Pro­blem zu sein.

Drei unge­reim­te Bei­spie­le und ein gereim­ter Kommentar.

(Leser *** meint, es han­de­le sich um einen Fake-Account, denn
„- Sie hat erst am 25.6. selbst zu schrei­ben ange­fan­gen, davor nur retweets.
– Seit dem 25.6. aber dann gleich 4 eige­ne verfasst.
– Jeder Tweet ist eine Überspitzung.
Das sind ganz offen­sicht­lich sehr ein­fa­che Pro­vo­ka­tio­nen – gera­de in
der Gesamt­schau wird das deut­lich. Es fin­det sich auch weder bei Lin­ke­dIn oder bei Xing eine The­re­sa Voll­mer, die KAS-Sti­pen­dia­tin war.“

Aber wie soll jemand noch unter­schei­den, was echt, was Sati­re, was Fake ist?)

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Fif­ty Shades of Bunt (Colo­red).

„Die Pro­fil­bil­der wer­den offen­bar bereits von einer gemein­sa­men Agen­tur gebas­telt”, mut­maßt Leser ***, der sie mir zusandte.

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Ich hat­te im letz­ten Ein­trag die­sen Arti­kel zitiert.

Es gibt mehr Rechts­extre­mis­mus zwi­schen Him­mel und Erde/Als eure Schul­weis­heit sich träu­men lässt, Bettina*.

Nun lese ich das.

Kei­ne wei­te­ren Fra­gen, Euer Ehren.

* Stark-Watz­in­ger, FDP

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„Rich­ter: ‚Sagen Sie mal, Frau Meis­te­rin, was haben Sie eigent­lich gedacht, als Sie die bei­den so hef­tig mit­ein­an­der rau­fen sahen?’ Meis­te­rin: ‚Herr Rich­ter, ich habe gedenkt: eu jeujeujeu!’
Der alte Witz von Ernst Hei­me­ran kann zugleich als Inhalts­an­ga­be fast aller Leit­ar­ti­kel gelten.”
Johan­nes Gross

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Nicht ganz ohne pejo­ra­ti­ven Unter­ton erkun­digt sich Leser ***, was um alles in der Welt mich dazu ver­an­lasst habe, auf Twit­ter mit­zu­tun. Ob mir das nicht zu pri­mi­tiv sei.

Nun, ich wür­de sagen: Neu­gier. Und, wahr­schein­lich, Gel­tungs­sucht. Streit­lust? Ja, auch das.

Twit­ter ist pri­mi­tiv und ori­gi­nell zugleich, oft auch nur tri­vi­al, wie Men­schen eben so sind. Es ist ein idea­les Medi­um, um schnell etwas mit­zu­tei­len, und eigent­lich ein Tum­mel­platz für Apho­ris­ti­ker und Lako­ni­ker. Twit­ter hät­te sei­ne Glanz­zeit im Frank­reich des 18. Jahr­hun­derts erlebt, in der Ära der ele­gan­ten Aper­çus und bos­haf­ten Bon­mots, der Zeit von Riva­rol, Mon­tes­quieu, Jouffroy, Cham­fort et al., der Epo­che der Desin­vol­tu­re, als geist­reich zu sein die ers­te Pflicht des Schrift­stel­lers und über­haupt des Kon­ver­sa­ti­ons­teil­neh­mers war. Die Kennt­nis der fran­zö­si­schen Lite­ra­tur des 18. Jahr­hun­derts gehört zu den Rei­se­do­ku­men­ten des Kul­ti­vier­ten, bemerk­te Ernst Jün­ger sinn­ge­mäß. Und der Pöbel konn­te damals ja noch nicht schrei­ben. (Jetzt wäre übri­gens Dum­mer­jans Hin­weis auf das sozia­le Elend der Bau­ern fälig.)

Heu­te ist das bekannt­lich anders, jeder kann twit­tern, und oft schmerzt das Resul­tat sowohl den Ästhe­ten als auch den Gram­ma­ti­ker. Aber wer im Stahl­bad von Natio­na­ler Volks­ar­mee und Jour­na­lis­mus gehär­tet wur­de, der hält auch das aus. Ein erheb­li­ches Grum­meln bis hin zum Beschimpft­wer­den lös­te mein (womög­lich etwas arro­gant for­mu­lier­ter) Wunsch aus, von Men­schen, die ich nicht ken­ne, gesiezt zu wer­den; ich wür­de jeden­falls, schrieb ich, nie­man­dem ant­wor­ten, der mich duze. Die Twit­ter-Com­mu­ni­ty, wur­de mir mit­ge­teilt, duze sich aber. Dann möge sie es eben ohne mich tun.

Was im Stall die Flie­gen, das sind auf Twit­ter die Trol­le. Bei mir wird natur­ge­mäß vor allem der lin­ke Typus vor­stel­lig – es gibt sicher­lich auch das Gegen­stück –, die meis­ten davon mit einem anony­men Pro­fil und prak­tisch ohne Fol­lower, fast immer unflä­tig, sel­ten mehr als Rülp­ser und poli­ti­sche Schimpf­wor­te aus­sto­ßend, ohne jeden Sinn für geis­ti­ge Rang­ord­nung und von jenem merk­wür­di­gen Maß­geb­lich­keits­ge­fühl durch­drun­gen, das simp­len Natu­ren ihr Auf­ge­ho­ben­sein in der Her­de ein­gibt. Wenn irgend­wel­che Zita­te von mir kur­sie­ren, fin­det sich mit Sicher­heit jemand, der twit­tert, was er in der Wiki­pe­dia über mich gele­sen habe. Offen­bar spielt für die Bewer­tung der Stich­hal­tig­keit einer Aus­sa­ge für sol­che Leu­te die ent­schei­den­de Rol­le, wer gesagt hat, dass zwei mal zwei vier ist. Wie die zahl­rei­chen inzwi­schen ver­bo­te­nen Begrif­fe, das „N‑Wort” an der Tete, fällt auch die­ses Ineinsset­zen in den Bereich magi­schen Den­kens. Die Unfä­hig­keit, zwi­schen Begriff und Gegen­stand, zwi­schen Zitat und Zitier­tem einen Unter­schied zu machen, ist ein klas­si­sches Merk­mal von Pri­mi­ti­ven. Selbst­re­dend gibt es auch in die­sem Seg­ment ein paar Platz­hir­sche und ‑hirsch­kü­he, die, sich wech­sel­sei­tig ver­stär­kend, gewal­ti­ge Fol­lo­wer­scha­ren hin­ter sich versammeln.

Seit Elon Musk, die­se Mensch gewor­de­ne Stör­stel­le in den Bra­ve New World-Plä­nen der Glo­ba­lis­ten, bei Twit­ter die Regeln des Fair play durch­ge­setzt hat, muss­ten die Ver­tre­ter des links­grün­wo­ken Kom­men­ta­ri­ats die Lek­ti­on ler­nen, dass eine Mehr­heit ande­rer Mei­nung als sie ist; das war eine nar­ziss­ti­sche Krän­kung prak­tisch im eige­nen Ver­eins­lo­kal. Des­we­gen hub unter die­sen aggres­si­ven Schnee­flöck­chen auch ein groß Geg­rei­ne über die Schre­cken der unge­fil­ter­ten Mei­nungs­frei­heit an, dar­über, dass man plötz­lich den Gegen­wind der Rea­li­tät abbe­kam, der vor­her offen­bar von der Twit­ter-Admi­nis­tra­ti­on durch Sper­rung, Selek­ti­on und Schutz­schir­me gemil­dert wor­den war, und vie­le die­ser so gern aus­tei­len­den Sen­si­bel­chen teil­ten mit, sich eine ande­re online-Spiel­wie­se suchen zu wol­len – man ist dort lie­ber in der Bla­se unter sich, wie man an den zahl­rei­chen Blo­ckie­run­gen Anders­mei­nen­der sieht –, unge­fähr wie unse­re Saw­san Ch. der erschüt­ter­ten Öffent­lich­keit mit­teil­te, sie wer­de das Land ver­las­sen, wenn die AfD irgend­wo regie­re. Aber wo soll sie und wo sol­len unse­re Woken denn hin? Sie kön­nen ja in der Regel nichts, wofür ande­re sich inter­es­sie­ren oder sogar bezah­len wür­den, die Sar­di­ne ist ohne den Schwarm nichts, wes­halb offen­bar eine Rück­kehr ein­ge­setzt hat. Nun, sei’s drum. Sol­len sie zetern. (Es gibt selbst­ver­ständ­lich auch Lin­ke, mit denen man ganz nor­mal dis­ku­tie­ren kann; nicht wel­che Mei­nung er vor­trägt, son­dern wie er es tut, kenn­zeich­net einen Menschen.)

Vie­le Tweets und Ant­wor­ten dar­auf sind, wie gesagt, amüsant.

Ich wer­de übri­gens, wenn ich die 10.000-Follower-Marke „geknackt” habe (es feh­len der­zeit noch 66), nur­mehr noch Xeni­en oder Epi­gram­me twit­tern. Mal sehen, wie vie­le dann aus­stei­gen. Oder eben aufspringen.

 

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