19. Mai 2020

„Man kann Deutsch­land nur mit gebro­che­nem Her­zen lie­ben” (Frank-Wal­ter Steinmeier).

Verhaftung Angelika Barbe

(Leser ***)

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Ein ortho­do­xer Geist­li­cher erzählt von einem Gespräch, das er mit einem Imam über Chris­ten­tum und Islam führ­te. Kern­aus­sa­ge des Letz­te­ren: Jesus Chris­tus bzw. Isa Ibn Maryam sei schon ein gro­ßer Pro­phet gewe­sen, aber was sei das für ein Mann, der in sei­nem Alter noch kei­ne Fami­lie gegrün­det und kei­ne Kin­der gezeugt habe?

 

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Das aktu­el­le Gewür­ge und Flü­gel­schla­gen nach dem AfD-Aus­schluss des Andre­as Kal­bitz wird von der Unter­stel­lung an die Adres­se Jörg Meu­thens beglei­tet, er wol­le aus der AfD ein Anhäng­sel der CDU machen. Der von mir als Typus sehr geschätz­te Gevat­ter Kubit­schek schreibt das zum Bei­spiel. Aber es han­delt sich um eine völ­lig unge­deck­te Behaup­tung; „man fühlt die Absicht, und man ist ver­stimmt” (Goe­the, „Tas­so”). Wer nicht pro Flü­gel ist, ist pro CDU, das hät­te sei­ne Ent­spre­chung unge­fähr in: Wer nicht pro Meu­then ist, ist pro NPD. Es ist ein Flü­gel­mär­chen, dass sich die AfD ohne Flü­gel der CDU andie­nen wür­de. Wäre ich ein Flüg­ler, ich wür­de es verbreiten.

Schief ist auch der von Kubit­schek ange­stell­te Wäh­ler­stim­men­ver­gleich zwi­schen Ham­burg, wo die AfD unter der Füh­rung von Alex­an­der Wolf bei den Bür­ger­schafts­wah­len 5,3 Pro­zent hol­te, mit Bran­den­burg, wo die Par­tei unter Kal­bitz knapp 25 Pro­zent ein­fuhr. Er wird ein­zig des­halb ange­stellt, weil Wolf im Bun­des­vor­stand für den Aus­schluss von Kal­bitz gestimmt hat, womit bewie­sen wäre, dass der Unfä­hi­ge den Fähi­gen aus der Par­tei geke­gelt hat.

Kame­ra­den, ich schwö­re auf den Koran und ver­wet­te mei­ne Sta­lin-Werk­aus­ga­be, dass Kal­bitz in Ham­burg knapp über 5 Pro­zent und Wolf in Bran­den­burg knapp unter 25 Pro­zent geholt hätte.

„Was Meu­then tat, wird in der AfD zum Flä­chen­brand wer­den. Genau so und nicht anders will es das Estab­lish­ment haben”, schließt Kubit­schek sei­nen Kommentar.

Kann sein, kann auch nicht sein. Kann näm­lich auch sein, dass gera­de der Flü­gel die­sem Estab­lish­ment sehr zupass kommt. Hui-buh!

 

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Dass wir unter einem Sprach­re­gime leben, ist zwar der Mehr­heit der Men­schen klar, wird aber von des­sen Agen­ten und Nutz­nie­ßern vehe­ment bestrit­ten. Sie ver­brei­ten statt­des­sen auf allen offi­zi­el­len Kanä­len das Gerücht, ihr Regime ver­su­che ledig­lich, die Gesell­schaft bzw. die Welt vor fal­schen, bösen und wenig hilf­rei­chen Ansich­ten zu schüt­zen. Es ist eben ein Unter­schied, ob jemand öffent­li­chen Druck aus­übt oder emp­fängt. Die Leug­nung der Tat­sa­che, dass über­haupt so etwas wie Druck exis­tie­re, gehört zum smar­ten Gesin­nungs­gou­ver­nan­ten­tum, das die direk­ten, teils plum­pen, teils bru­ta­len For­men staat­li­cher Repres­si­on abge­löst hat, so wie auch kei­ne Geheim­po­li­zei mehr die Men­schen abholt, fol­tert und ver­schwin­den lässt, son­dern Dis­si­den­ten heu­te der Äch­tung und sozia­len Iso­la­ti­on anheim­ge­stellt wer­den, was sich bei Bedarf zur Exis­tenz­ver­nich­tung samt Über­ant­wor­tung an die Behand­lungs­me­tho­den der sich selbst für Anti- hal­ten­den Neo­fa stei­gern lässt.

Die Beant­wor­tung der Fra­ge, wer die­ses Regime aus­übt, zu wel­chem Zweck und nach wel­chen Regeln es herrscht, ist viel­fach ver­sucht wor­den, unter ande­rem hier in die­ser mora­li­schen Jahr­markts­bu­de. Sein Per­so­nal wird wahl­wei­se unter den Begrif­fen Glo­ba­lis­ten, Uni­ver­sa­lis­ten oder „Any­whe­res” rubri­ziert, des­sen Anti­po­den bzw. die von ihm Trak­tier­ten fir­mie­ren sym­me­trisch dazu unter Patrio­ten, Par­ti­ku­la­ris­ten oder „Some­whe­res”.

Es han­delt sich bei den Uni­ver­sa­lis­ten um ein recht hete­ro­ge­nes Per­so­nal, was in einer sozi­al – zumin­dest außer­halb der Köp­fe – immer stär­ker aus­dif­fe­ren­zier­ten Gesell­schaft wenig erstaun­lich ist,

Hirnschutz

und des­halb ist auch die Oppo­si­ti­on gegen die­ses Regime sehr hete­ro­gen. Den Front­ver­lauf mar­kiert eine weit­ge­hend unsicht­ba­re Linie zwi­schen dem Wil­len zur Behaup­tung von Iden­ti­tät und dem Wil­len zur Auf­lö­sung von Iden­ti­tät. Wäh­rend die Uni­ver­sa­lis­ten eine Welt­re­pu­blik anstre­ben – wozu ihre För­de­rung der Iden­ti­ty poli­tics im ekla­tan­ten Wider­spruch steht, zu die­sem Dop­pel­denk gleich –, glau­ben die Par­ti­ku­la­ris­ten nicht an die Exis­tenz einer aus­schließ­lich mit sich selbst iden­ti­schen Mensch­heit, nach ihrer Ansicht wird die Erde ein Plu­ri­ver­sum blei­ben, und der natio­nal­staat­li­che Spatz in der Hand ist ihnen lie­ber als die glo­ba­lis­ti­sche Tau­be auf dem Dach.

Da die natio­na­len Klau­su­ren immer dün­ne­re Wän­de bekom­men, die immer durch­läs­si­ger wer­den für Infor­ma­tio­nen, Waren, Daten, Tou­ris­ten, Migran­ten, Umwelt­ein­flüs­se etc., scheint es, als agier­ten die Glo­ba­lis­ten auf der Sei­te der hegel­schen Ver­nunft und des Fort­schritts; aus die­ser Per­spek­ti­ve beschleu­ni­gen sie bloß, was ohne­hin statt­fin­det. Dann stün­de ein­zig das Tem­po der glo­ba­len Osmo­se poli­tisch zur Dis­po­si­ti­on, gemäß dem Dik­tum (des­sen Urhe­ber mir ent­fal­len ist), Kon­ser­va­tis­mus bedeu­te, Ent­wick­lun­gen so lan­ge hin­aus­zu­zö­gern, bis sie kei­nen Scha­den mehr anrichten.

Die par­ti­ku­la­ris­ti­sche Gegen­the­se lau­tet, dass die one world in alle Ewig­keit ver­tagt wird und das west­lich-libe­ra­le Sys­tem, des­sen Prot­ago­nis­ten sich, ana­log zu den „Sie­gern der Geschich­te”, für die sich zuvor die Real­so­zia­lis­ten hiel­ten, am „Ende der Geschich­te” (Fran­cis Fuku­ya­ma) wäh­nen – ist irgend­je­man­dem schon auf­ge­fal­len, wie sehr die­ses „Das Ziel ist erreicht”-Diktum, die­ses his­to­ri­sche Bas­ta! einem „Sie­gel der Pro­phe­ten” ähnelt? –, dass die­ses west­lich-libe­ra­le Sys­tem künf­tig nur ein Par­ti­ku­la­ris­mus unter ande­ren (Chi­na, Islam, eth­nisch homo­ge­ne Zonen, Clan­ge­bie­te, „Kom­pe­tenz­fes­tun­gen”) sein wird. Dann wür­den sich, in den Wor­ten von Rolf Peter Sie­fer­le, die Erträu­mer der mul­ti­kul­tu­rel­len Einen Welt in einer „mul­ti­tri­ba­len Gesell­schaft” wie­der­fin­den, „in wel­cher der Rechts­staat einen Stamm unter Stäm­men bil­den kann”. Wäh­rend die­je­ni­gen „Some­whe­res”, die sich irr­tüm­lich für „Any­whe­res” hal­ten (weil sie das mit den Rei­chen, Schö­nen und Tele­ge­nen sowie den Guten, Smar­ten und Pro­gres­sis­ten ver­bin­det), die gro­ßen Ver­lie­rer der Zukunft sein dürf­ten, wer­den die weni­gen ech­ten „Any­whe­res” dann die ein­zi­gen sein, die tat­säch­lich den tem­po­rä­ren Ort ihrer per­ma­nen­ten Ort­lo­sig­keit immer wie­der neu wählen.

 

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Bis dahin ist aber noch viel zu demo­lie­ren, auf­zu­lö­sen und zu ver­tei­len, wobei die Abräu­mer über­se­hen, „dass Hete­ro­ge­ni­tät ein sozia­les Zer­falls­pro­dukt ist, das auch ganz ohne ihr Zutun im Über­maß ent­steht. Sozia­ler Sinn und Zusam­men­halt hin­ge­gen sind knap­pe Res­sour­cen.” Also schreibt der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler Micha­el Esders in sei­ner Betrach­tung „Sprach­re­gime. Die Macht der poli­ti­schen Wahr­heits­sys­te­me”, die das Ter­rain aus dis­kur­si­ven Lauf­grä­ben, seman­ti­schen Sta­chel­draht­ver­hau­en und begriff­li­chen Minen­fel­dern wie eine Leucht­ku­gel erhellt. Das Buch ist als nun­mehr zehn­ter Band der Tumult-Werk­rei­he erschie­nen, die zum Bes­ten gehört, was zeit­ge­nös­si­sche gesell­schafts­ana­ly­ti­sche Publi­zis­tik zu bie­ten hat.

„Mit der Ent­fes­se­lung der Dif­fe­renz”, kon­sta­tiert Esders, „lässt sich kein Staat machen. Diver­si­ty ist kei­ne Quel­le gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halts.” Gleich­wohl wird uns täg­lich das Gegen­teil sug­ge­riert. Aus wel­chen Gründen?

Nach der Agen­da der Diver­si­fi­zie­rer han­delt es sich um einen Akt der kon­struk­ti­ven Zer­stö­rung: Altes und Über­kom­me­nes wird geschleift, damit das Neue an sei­ne Stel­le tre­ten kann. Die­ses Neue benö­ti­ge auch neue, trans­na­tio­na­le, ten­den­zi­ell welt­staat­li­che Struk­tu­ren, wie sie in der EU und der UN, aber auch in meta­po­li­ti­schen glo­ba­lis­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen wie der „Open Socie­ty”, „Green­peace” oder der „Melin­da & Bill Gates-Stif­tung” längst ent­stan­den sind. Der bis­lang gewis­ser­ma­ßen nach innen gekehr­te, in sei­ne jewei­li­gen Gemein­schaf­ten ein­ge­bun­de­ne Igel­mensch soll, zumin­dest sofern er weiß und west­lich ist, sein natio­na­les, kul­tu­rel­les, eth­ni­sches, ja sogar fami­liä­res und geschlecht­li­ches Sta­chel­kleid abwer­fen, auf die­se gan­ze ver­stock­te Iden­ti­tät ver­zich­ten und nach außen über­all­hin offen – eben „divers” – wer­den. Da aber die meis­ten Men­schen stör­risch und ver­wur­zelt sind, muss die­ser Meta­mor­pho­se auf die Sprün­ge gehol­fen werden.

„Desta­bi­li­sie­rung und Sub­ver­si­on der Iden­ti­tät” sei­en „zum obers­ten poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Gebot” erho­ben wor­den, notiert Esders. „Was über Jahr­hun­der­te Loya­li­tät ver­dient und begrün­de­te, gilt nichts mehr und muss über­wun­den wer­den.” Im Namen der Diver­si­vi­tät – und das ist immer die Mas­ke des Glo­ba­lis­mus – „soll nicht nur die toxi­sche Homo­ge­ni­tät der Natio­nen unter­mi­niert wer­den; getilgt wer­den soll auch ihr Bewusst­sein der Ver­schie­den­heit und Unver­wech­sel­bar­keit. Wenn dies gelingt, kann sich ein Wir nicht ein­mal mehr in einer gemein­sa­men Ver­lust­er­fah­rung her­aus­bil­den.” Dann wäre voll­zo­gen, was Esders „Ent-eig­nung” nennt.

Eigent­lich ist das Wahn­sinn, eigent­lich wol­len das nur die Wenigs­ten – aber genau die­ser Pro­zess läuft weit­ge­hend stö­rungs­frei vor unser aller Augen ab. Wie ist das mög­lich? Wie konn­te es gelin­gen, fragt der Autor, „eine Agen­da durch­zu­set­zen, die den Inter­es­sen der Mehr­heit ekla­tant wider­spricht und deren zer­stö­re­ri­sche Fol­gen kei­nem unver­stell­ten Blick ent­ge­hen kön­nen? Wie war und ist es mög­lich, in der Migrations‑, Kli­ma- und Iden­ti­täts­po­li­tik die Evi­denz des Augen­schein­li­chen und Offen­sicht­li­chen dau­er­haft außer Kraft zu setzen?”

Die Ant­wort lau­tet: durch Mani­pu­la­ti­on. Durch seman­ti­sche Dres­sur. Durch eine Gehirn­wä­sche (den Begriff sel­ber ver­wen­det Esders nicht), die sich von der real­so­zia­lis­ti­schen inso­fern deut­lich unter­schei­det, als sie auf dem Ter­rain einer noch halb­wegs funk­tio­nie­ren­den Rumpf­markt­wirt­schaft statt­fin­det und ihre Fol­gen wie unge­deck­te Schecks in die Zukunft ver­tagt sind. Durch ein Sprach­re­gime, das mäch­tig genug ist, um den Men­schen ihre All­tags­er­fah­run­gen als unty­pisch und unre­prä­sen­ta­tiv aus­zu­re­den („Das Ziel seman­ti­scher Poli­tik ist die Model­lie­rung der Wahr­neh­mung”). Durch „Kana­li­sie­rung des Den­kens”, Kri­mi­na­li­sie­rung von Wort­fel­dern und Zer­set­zung logi­scher Grund­sät­ze im orwell­schen „Dou­ble­think”.

Hal­ten wir hier kurz inne. Als ein Bei­spiel für das Prin­zip des Dop­pel­denk nennt der Autor, der 1999 mit einer lite­ra­tur­theo­re­ti­schen Arbeit über „Phi­lo­so­phie als kur­ze Pro­sa von Fried­rich Schle­gel bis Ador­no” pro­mo­viert wur­de, dass Regie­rungs­po­li­ti­ker gleich­zei­tig eine „spür­ba­re Begren­zung” der Zuwan­de­rung for­dern und sich doch gegen eine „Ober­gren­ze” aus­spre­chen kön­nen, ohne dass sie ein Medi­en­schaf­fen­der auf die­sen Wider­sinn hin­weist. Ähn­li­ches gel­te für die Lar­ve der „ver­pflich­ten­den Unver­bind­lich­keit”, hin­ter wel­cher der „Glo­bal Com­pact for Migra­ti­on” an der Öffent­lich­keit vor­bei­ge­schmug­gelt wurde.

Man kann hier belie­big fort­fah­ren: Geschlecht ist kon­stru­iert, aber Frau­en müs­sen mit Quo­ten geför­dert wer­den; Gren­zen las­sen sich nicht schlie­ßen, ja nicht ein­mal kon­trol­lie­ren, es sei denn, man schließt und kon­trol­liert sie doch wegen eines Virus; wenn Trump zwecks Pan­de­mie-Bekämp­fung Ein­rei­se­be­schrän­kun­gen erlässt, grenzt er Men­schen aus, wenn Mer­kel das­sel­be ver­an­lasst, han­delt sie staats­klug und bedacht; außer­ge­wöhn­lich hohe Tem­pe­ra­tu­ren an einem Ort bezeu­gen den Kli­ma­not­stand, außer­ge­wöhn­lich nied­ri­ge an einem ande­ren Ort sind Wet­ter; es gibt kei­ne deut­sche Iden­ti­tät, aber jede aus­län­di­sche Min­der­heit in Deutsch­land hat eine; das Patri­ar­chat ist die Ursa­che allen Übels, aber männ­li­che Refu­gees mit rigi­de patri­ar­cha­li­schen Gesell­schafts­vor­stel­lun­gen sind wel­co­me; in meh­ren deut­schen Groß­städ­ten sind die Deut­schen, die schon län­ger hier leben, bereits eine Min­der­heit, es gibt sogar einen Pakt über Repla­ce­ment (= Aus­tausch) migra­ti­on, aber ein Bevöl­ke­rungs­aus­tausch fin­det nicht statt; Straf­ta­ten von Migran­ten oder Anschlä­ge radi­ka­ler Mos­lems sind Ein­zel­fäl­le, für die außer dem Täter nie­mand ver­ant­wort­lich ist und die sich nie­mals addie­ren, jede Gewalt­tat von rechts jedoch hat Vor­den­ker, Hin­ter­män­ner und Struk­tu­ren bis ins Par­la­ment hin­ein; wenn Poli­ti­ker der „Alt­par­tei­en” (Clau­dia Roth) Poli­ti­ker der AfD als „Brut”, „Abschaum”, „Nazis” oder „Schan­de” beschimp­fen, ist es eine „hit­zi­ge Debat­te”, im umge­kehr­ten Fall indes wer­den „Hass” und „Het­ze” dar­aus; wenn Links­extre­mis­ten AfD-Poli­ti­ker atta­ckie­ren, nutzt die Par­tei es, um „sich als Opfer zu sti­li­sie­ren”, über­fal­len die­sel­ben Lin­ken ein Team der heu­te-show, ist es „ein Angriff auf die Pres­se­frei­heit”. (Noch mehr Dop­pel­denk­be­grif­fe hier oder hier.)

Zum Dou­ble­think gehört natür­lich die Dop­pel­zün­gig­keit bei der Behand­lung des Islam:

Right about women

(Netz­fund)

Esders spricht von einem „geziel­ten Anschlag auf die poli­ti­sche Urteils­fä­hig­keit”, mit des­sen Ver­ste­ti­gung die „Inge­nieu­re der Mehr­heits­mei­nung” das Ziel ver­fol­gen, sich ein Publi­kum zurecht­zu­kne­ten – „Knech­te erknet ich mir nur!” (Wotan, Wal­kü­re, 2. Auf­zug 2. Sze­ne) –, wel­ches „selbst ein Höchst­maß an kogni­ti­ver Dis­so­nanz” nicht mehr als stö­rend emp­fin­det: „Die Lüge kon­so­niert, sie fühlt sich gut an.”

Eine sol­che Dres­sur­leis­tung gelingt nicht über Nacht. Erst „eine jahr­zehn­te­lan­ge begriff­li­che Vor­ar­beit” habe das heu­ti­ge Sprach­re­gime und die mit ihm ver­bun­de­nen For­de­run­gen an die Noch-Mehr­heits­ge­sell­schaft ermög­licht. Die Lin­ke habe die Waren- durch die Dis­kurs­ana­ly­se ersetzt und sich damit eine Domä­ne gesi­chert, „die ihr für Jahr­zehn­te nie­mand strei­tig machen soll­te”. Nach dem Zusam­men­bruch des Ost­blocks und einer dar­auf fol­gen­den kur­zen Pha­se der Irri­ta­ti­on und Zer­knir­schung „erfand sie sich unter der Signa­tur von Schrift und Dif­fe­renz, unter der Ägi­de der Dis­kurs­ana­ly­se und Macht­kri­tik neu”. Die geis­ti­gen Weg­be­rei­ter die­ses von innen kom­men­den Angriffs auf das west­li­che Immun­sys­tem waren Den­ker wie Der­ri­da, Fou­cault, Lyo­tard, Deleu­ze, die fran­zö­si­schen Able­ger der Frank­fur­ter Schu­le und natür­lich alle­samt Enkel von Marx, Bas­tar­de von Freud und lin­ke Adep­ten (= Ver­fäl­scher) Nietz­sches. Auf wel­ches Niveau ihr Den­ken der­einst ver­sim­pelt und ernied­rigt wür­de, ahn­ten zumin­dest die bei­den Erst­ge­nann­ten nicht; ob es eine gerech­te Stra­fe ist, ste­he dahin.

Die geschei­ter­ten Revo­lu­tio­nä­re ver­wan­del­ten sich in „Par­ti­sa­nen der Viel­falt und der Dif­fe­renz”. Mit der Iden­ti­täts­po­li­tik fan­den sie schließ­lich „ein Betä­ti­gungs­feld, in dem eine ’sprach­po­li­ti­sche Ver­än­de­rung der Ver­hält­nis­se’ tat­säch­lich aus­sichts­reich ist”. Ihre post­struk­tu­ra­lis­ti­sche Ter­mi­no­lo­gie wur­de „zur lin­gua fran­ca einer Macht­kri­tik, vor der sich kein Mäch­ti­ger fürch­ten muss­te”, was die auf den ers­ten Blick bizar­re „Kom­pli­zen­schaft zwi­schen der öko­no­mi­schen und sprach­li­chen Dere­gu­lie­rung” erklärt. Eine der unwahr­schein­lichs­ten Alli­an­zen der Welt­ge­schich­te ent­stand, ver­gleich­bar allen­falls jener zwi­schen Chris­ten­tum und Impe­ri­um Roma­n­um: Die Lin­ke, sofern sie inter­na­tio­na­lis­tisch denkt, ver­bün­de­te sich mit ihrem ehe­ma­li­gen kapi­ta­lis­ti­schen Tod­feind, sofern er glo­ba­lis­tisch agiert. Der gemein­sa­me Geg­ner – die Völ­ker und Natio­nen, ver­tre­ten von den Popu­lis­ten – schweißt sie zusam­men. Die Lin­ke hat begrif­fen, dass sie den Kapi­ta­lis­mus nicht besie­gen, son­dern benut­zen muss, um auf der Grund­la­ge einer funk­tio­nie­ren­den Wirt­schaft den soge­nann­ten gesell­schaft­li­chen Über­bau zu beherr­schen, statt sich in frucht­lo­sen eige­nen Staats­grün­dun­gen zu versuchen.

In die­sem Über­bau regiert das Sprach­re­gime, vom dem hier die Rede ist.

 

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Die Idee, dass eine sozia­le Grup­pe, die herr­schen will, dies auch auf dem Umweg über die Errin­gung der „kul­tu­rel­len Hege­mo­nie” erle­di­gen kön­ne, geht bekannt­lich auf Anto­nio Gramsci zurück. Dem Ita­lie­ner stand dabei die Herr­schaft der katho­li­schen Kir­che über das Den­ken und den All­tag sei­ner Lands­leu­te vor­bild­lich vor Augen – eine Mas­sen­be­ein­flus­sung, die seit Anbruch der Neu­zeit zuneh­mend auch ohne direk­te poli­ti­sche Macht funktionierte.

Was kul­tu­rel­le Hege­mo­nie heu­te bedeu­tet, lässt sich am bes­ten stu­die­ren, wenn die – im aller­wei­tes­ten Sin­ne – poli­ti­sche Rech­te eine Wahl gewinnt, womit in einer Demo­kra­tie ja bedau­er­li­cher­wei­se gerech­net wer­den muss. Die­se Regie­rung befin­det sich vom ers­ten Tag an unter dem vor allem mora­li­schen Druck einer Öffent­lich­keit, in wel­cher das lin­ke, kul­tur­mar­xis­ti­sche, glo­ba­lis­ti­sche, mulit­kul­tu­rel­le Milieu domi­niert. Für den Fall, dass der Wahl­aus­gang die Fal­schen nach oben bringt, hat die­ses Milieu längst das meta­po­li­ti­sche Vor­feld besetzt und die nicht­wähl­ba­ren Insti­tu­tio­nen unter sei­ne Kon­trol­le gebracht: Medi­en, Kul­tur­be­trieb, NGOs, Uni­ver­si­tä­ten, Stif­tun­gen, Kir­chen, Gewerk­schaf­ten. Wie beim Wett­lauf zwi­schen Hase und Igel sind der Igel der Zivil­ge­sell­schaft und der Igel des Deep Sta­te längst schon da, wenn der rech­te bzw. kon­ser­va­ti­ve Hase die Wah­len  gewon­nen hat und den Wett­lauf um die Herr­schaft über den Staat antritt.

Die­se Erfah­rung muss­te auch Donald Trump machen – er brach­te sie mit dem Neo­lo­gis­mus „Deep Sta­te Depar­te­ment” gran­di­os auf den Punkt –, doch mit der ihm eige­nen schil­lern­den Mischung aus Dick­fel­lig­keit, Ego­zen­tris­mus, Kon­kur­renz­aus­boo­tungs­rou­ti­ne, Humor und sei­nen finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten gelang es ihm, „die Kraft des Geg­ners wie in einer asia­ti­schen Kampf­kunst umzu­lei­ten und gegen ihn selbst zu wen­den”. Dass er den poli­ti­schen Kon­tra­hen­ten mit des­sen eige­nen pro­pa­gan­dis­ti­schen Waf­fen bekämpft, ist das eigent­li­che Geheim­nis von Trumps Erfolg und erklärt neben­bei auch die maß­lo­se Wut, die er auf sich zieht. Dass sein anfäng­li­cher Bera­ter Ste­ve Ban­non die „Dekon­struk­ti­on des admi­nis­tra­ti­ven Staa­tes” als Maxi­me aus­gibt und sei­ne Wahl­kampf­ma­na­ge­rin Kel­ly­an­ne Con­way den Begriff „alter­na­ti­ve Fak­ten” erfin­det, wir­ke „bei­na­he wie eine Par­odie des post­mo­der­nen Anti­rea­lis­mus”, notiert Esders. Wenn die Fak­ten­ver­dre­her und Tat­sa­chen­ver­schwei­ger der eta­blier­ten Medi­en Trump unter­stel­len, die Fake news sei­en qua­si mit ihm in die Welt gekom­men, ist das nur noch komisch.

 

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Für die Begriffs­wel­ten der „Open Borders”-Fraktion mit ihren For­meln wie „Mensch­heit”, Welt­of­fen­heit”, „Eine Welt” und neu­er­dings „Kli­ma­ret­tung” prägt Esders den Begriff „Anti­to­p­ik”. Es ist ein „Voka­bu­lar der Entor­tung und Ent­gren­zung”. Die „Top­ik der Ort­lo­sig­keit” set­ze Orts­ge­bun­den­heit mit Beschrän­kung gleich, um die „Some­whe­res” zu tum­ben Hin­ter­welt­lern zu ernied­ri­gen. Wäh­rend der lin­ke Flü­gel der „Any­whe­res” den „mora­li­schen Rigo­ris­mus einer ent­grenz­ten Ver­ant­wor­tung für den Frem­den” pre­di­ge, sei­en für den glo­bal­wirt­schaft­li­chen Flü­gel „alle Orte nur Stand­or­te und Absatzmärkte”.

Für die Top­ik der Orts­ge­bun­den­heit ist inzwi­schen in Deutsch­land der Inlands­ge­heim­dienst zustän­dig. „Der Ver­fas­sungs­schutz mar­kiert Wort­fel­der als belie­big erwei­ter­ba­re Ver­bots­zo­nen. Auf­fäl­lig dabei ist, dass er sich in sei­ner Begrün­dung auf unbe­stimm­te Rechts­be­grif­fe wie die ‚Men­schen­wür­de’ des Arti­kels 1 stützt und alles Defi­ni­to­ri­sche mei­det. Begrif­fe aus der Sphä­re lin­ker Sprach­po­li­tik wie ‚geis­ti­ge Brand­stif­ter’ oder ‚ver­bal zün­deln’ tre­ten an die Stel­le juris­ti­scher Kate­go­rien. (…) Wer das inkri­mi­nier­te Wort­feld berührt, ist ein Verfassungsfeind.”

Und bald auch, wer den klei­nen Eck­la­den betritt!

„Jeder Beto­nung eige­ner Iden­ti­tät unter­stellt man pau­schal eine Abwer­tung des Fremden.”

In der Tat, genau das hat der Ver­fas­sungs­schutz offen­bar ohne jede Sati­re­ab­sicht Alex­an­der Gau­land vor­ge­wor­fen, der im Wahl­kampf mehr­fach den Gedan­ken vor­trug: „Wir sol­len uns als Volk und Nati­on in einem gro­ßen Gan­zen auf­lö­sen. Wir haben aber kein Inter­es­se dar­an, Mensch­heit zu wer­den. Wir wol­len Deut­sche blei­ben, damit sind wir Mensch­heit genug.”

 

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Noch zum Vorigen.

Ich habe in den ver­gan­ge­nen Jah­ren viel­fach über Frau Mer­kels Stum­mel­deutsch geschrie­ben, des­sen ästhe­ti­sche und auch seman­ti­sche Zumu­tun­gen ich als Reden­schrei­ber des Oppo­si­ti­ons­füh­rers zu ertra­gen – zu tole­rie­ren – habe, unge­fähr wie ich 1988/89 als Kor­rek­tor beim Ost­ber­li­ner Mor­gen die Lek­tü­re der Reden von Mar­got Hon­ecker und ande­rer SED-Char­gen ertra­gen muss­te. Frei­lich ist mir im Lau­fe der Zeit immer deut­li­cher gewor­den – peni­ble Leser die­ses Dia­ri­ums haben es ver­fol­gen kön­nen –, dass die­se auf die ers­te Lek­tü­re so hilf­los und mit­un­ter sacht debil wir­ken­den Mer­kel-Vor­trä­ge und ‑State­ments Metho­de haben. Man kann auf eine Mer­kel-Rede nicht ant­wor­ten. Es gibt dar­in, von der wohl­mei­nen­den All­ge­mein­gül­tig­keit und schwam­mi­gen Schief­heit ihrer Begrif­fe ganz abge­se­hen, nie Ross und Rei­ter, dafür kalei­do­skop­ar­tig wech­seln­de „Wirs”; die Per­spek­ti­ven, mal glo­bal, mal euro­pä­isch, mal natio­nal, lösen ein­an­der mun­ter ab, und wie bei einem Hüt­chen­spie­ler ver­schwin­den die Pro­ble­me mal unter die­sem, mal unter jenem Hüt­chen, um unter einem ande­ren über­ra­schend wie­der auf­zu­tau­chen und sich plötz­lich in Lösun­gen ver­wan­delt zu haben.

Mer­kels Äuße­run­gen sind, wie man sagt, dis­kur­siv nicht anschluss­fä­hig. Dass sie eine Dop­pel­den­ke­rin sui gene­ris ist, die zu jedem The­ma von natio­na­lem Inter­es­se schon ein­mal die­se Ansicht und dann deren genau­es Gegen­teil ver­kün­det hat, stützt den Befund. Was Mer­kel von sich gibt, ist Wort für Wort auf sei­nen Zweck hin kal­ku­liert. Ich war ein Tor, dass ich eine Wei­le gebraucht habe, um das zu kapieren.

Wie lan­ge es bei Gevat­ter Esders gedau­ert hat, weiß ich nicht; jeden­falls for­mu­liert er die gol­de­nen Wor­te, man möge „von der vor­der­grün­di­gen Unbe­hol­fen­heit” der mer­kel­schen Rhe­to­rik „nicht auf man­geln­des Raf­fi­ne­ment schlie­ßen”. Im Gegen­teil: „Die dich­te Tex­tur aus Umdeu­tung und Insi­nua­tio­nen weist dar­auf hin, dass sol­che Äuße­run­gen nicht ohne Bedacht fallen.”

Wenn die Kanz­le­rin bei­spiels­wei­se in ihrer Rede zum 30. Jah­res­tag des Mau­er­falls erklärt: „Kei­ne Mau­er, die Men­schen aus­grenzt …, ist so hoch oder so breit, dass sie nicht doch durch­bro­chen wer­den kann”, dann ist mit dem (in die­sem Kon­text) Gaga-Begriff „aus­gren­zen” eine kal­ku­lier­te Dis­so­nanz gesetzt, die zwar wenig mit der dama­li­gen Wirk­lich­keit zu tun hat – unge­fähr so wenig, wie Rudolf Bah­ro in Baut­zen II. aus der DDR „aus­ge­grenzt” wur­de –, aber zur Anpran­ge­rung jeder Art von Grenz­ver­tei­di­gung „als mora­lisch unzu­läs­si­ge Exklu­si­vi­tät” (Esders) und damit zum poli­ti­schen Agen­da­set­ting durch­aus taugt.

Ähn­lich wohl­ge­setzt erschei­nen unter dem Taber­na­kel des Vor­sat­zes Mer­kels Wor­te zu den von ihr erfun­de­nen Chem­nit­zer „Hetz­jag­den auf Aus­län­der”: Es habe, sag­te sie, Bil­der gege­ben, „die sehr klar Hass und damit auch die Ver­fol­gung unschul­di­ger Men­schen” gezeigt hät­ten. Das a pri­ma vis­ta strunz­dum­me „damit” ist tat­säch­lich von einer erle­se­nen kau­sa­li­täts­vor­gau­keln­den Per­fi­die, an wel­cher unser klei­ner hin­ken­der Dok­tor aus Rheydt Wohl­ge­fal­len gefun­den hät­te. Dass es zu Chem­nitz nach dem lan­des­weit x‑ten Kol­la­te­r­al­to­des­op­fer des Will­kom­men­staats­streichs „Hass” gab, kann immer­hin als sicher gel­ten, und obwohl in Mer­kel­le­go­land die im straf­recht­li­chen Sin­ne „Schul­di­gen” – wel­che gibt es eigent­lich noch? – nicht mehr durch die Bank im Knast sit­zen, hät­te jene „Ver­fol­gung”, zu wel­cher die „Hetz­jag­den” auf ein­mal zusam­men­ge­schnurrt waren, über­wie­gend „Unschul­di­ge“ getrof­fen, so sie denn statt­ge­fun­den hät­te. Das schwam­mig-brä­si­ge State­ment ist in Wirk­lich­keit ein Meis­ter­stück des Rück­zugs unter Ein­satz von begriff­li­chen Rauchbomben.

Der Begriff „Hass” sei ohne­hin ein „Pas­se­par­tout”, kom­men­tiert Esders, „um ein gan­zes Mei­nungs­spek­trum unter Umge­hung straf­recht­li­cher Kate­go­rien zu kriminalisieren”.

Sowohl „Chem­nitz” als auch die „ausgrenzende(n) Mauer(n)” sind über­dies gute Bei­spie­le für die Metho­de des wahr­neh­mungs­ver­schie­ben­den Framings, die im Sprach­re­gime beharr­lich zum Ein­satz kommt. Was die säch­si­sche Stadt betrifft, sti­li­sier­ten die Wirk­lich­keits­kos­me­ti­ker die „Hetz­jagd” zum eigent­li­chen Ereig­nis, bis der Begriff ver­zicht­bar wur­de. „Fort­an genüg­te die Nen­nung des Namens ‚Chem­nitz’, um das gewünsch­te Frame zu akti­vie­ren”, notiert Esders. „Nicht die Tötung des Dani­el H. wur­de als Angriff gewer­tet, son­dern die Reak­ti­on auf die­se Tat.”

Das­sel­be Spiel von Bedeu­tungs­ver­schie­bung und Begriffs­be­set­zung lief bei der Indienst­nah­me des DDR-Grenz­re­gimes zur Dele­gi­ti­mie­rung sämt­li­cher Gren­zen im Sin­ne von Will­kom­mens­dok­trin und Glo­ba­lem Migra­ti­ons­pakt. Hier kann die Oppo­si­ti­on ein­mal mehr von Donald Trump ler­nen, wie man den Spieß umdreht; der Prä­si­dent „fram­te” die Gren­ze zu Mexi­ko nach sei­nen Vor­stel­lun­gen, indem er sie mit Schutz und Sicher­heit asso­zi­ier­te und ihr oben­drein das genia­le Attri­but „schön” zueignete.

Mit die­ser Zuschrei­bung war er übri­gens nicht der erste:

„Wer kann die Pyra­mi­den überstrahlen?
Den Kreml, Sans­sou­ci, Ver­sailles, den Tower?
Von allen Schlös­sern, Bur­gen, Kathedralen
Der Erden­wun­der schöns­tes war die Mauer.
Mit ihren schmu­cken Tür­men, fes­ten Toren.
Ich glaub, ich hab mein Herz an sie verloren.”
(Peter Hacks)

Doch vom Meis­ter­deutsch eines Sta­li­nis­ten zurück zum meister*innenhaften Stum­mel­deutsch einer Glo­ba­lis­tin, drit­tes und letz­tes Bei­spiel. „Wer sei­ne Mei­nung sagt, auch pro­non­ciert, der muss damit leben, dass es Wider­spruch gibt”, erklär­te die Regie­rungs­chefin im Bundestag.

Damit, so Esders, unter­stel­le die Kanz­le­rin, dass Zeit­ge­nos­sen, die die Mei­nungs­frei­heit in Gefahr sehen oder ihre Ein­schrän­kung bekla­gen, kei­ne kon­trä­re Mei­nung ertrü­gen. Und die­je­ni­gen, die Vor­le­sun­gen von Pro­fes­so­ren nie­der­brül­len oder blo­ckie­ren, fie­len nun in die Kate­go­rie „Wider­spruch”.

Merke(l): „Es gibt kei­ne Mei­nungs­frei­heit zum Nulltarif.”

Esders: „Das Sprach­bild ent­hält eine unver­hoh­le­ne Dro­hung: Wer Mei­nungs­frei­heit für sich in Anspruch nimmt, muss dafür bezah­len. … Der ‚Wider­spruch’, der nicht sel­ten in Hand­greif­lich­kei­ten aus­ar­tet, ist der zu zah­len­de Preis.”

Mer­kel: „Aber die Mei­nungs­frei­heit kennt Gren­zen (immer­hin die! – M.K.). Sie begin­nen da, wo gehetzt wird, wo Hass ver­brei­tet wird. Sie begin­nen da, wo die Wür­de ande­rer Men­schen ver­letzt wird.”

Esders: „Mer­kel bringt die seman­tisch und ver­fas­sungs­recht­lich unüber­biet­ba­re Men­schen­wür­de, in deren Namen sich fast alles hin­ter­fra­gen lässt, gegen die Mei­nungs­frei­heit in Stel­lung. Die Gren­zen des Erlaub­ten mar­kie­ren nicht die Bestim­mun­gen des Straf­rechts, son­dern unbe­stimm­te, nicht jus­ti­zia­ble Begrif­fe wie ‚Hass’ und ‚Het­ze’.”

Nein, was ihre Seman­tik betrifft, ist die Bun­des­kanz­le­rin wahr­schein­lich mit allen Abwas­sern gewaschen.

 

***

Grün würgt.

„Man kann es kaum in Wor­te fas­sen, was hier geschieht. Eines der im Welt­maß­stab zuver­läs­sigs­ten und sichers­ten Kern­kraft­wer­ke, näm­lich Phil­ipps­burg Zwei, bis vor fünf Mona­ten noch im Betrieb, wird gesprengt. Nicht etwa ein­ge­mot­tet, son­dern gesprengt. Ein funk­ti­ons­fä­hi­ges Groß­kraft­werk mit einem geschätz­ten Rest­wert von drei Mil­li­ar­den Euro (dafür müs­sen 88.000 Durch­schnitts­ver­die­ner ein Jahr arbei­ten), das für einen Gut­teil der Strom­ver­sor­gung von Baden-Würt­tem­berg sorg­te, CO2-frei übri­gens, wird unwi­der­ruf­lich ver­nich­tet. Ein Land zer­stört sei­ne Infra­struk­tur.” (Wei­ter hier.)

***

 

Apro­pos Will­kom­mens­kul­tur und Doppeldenk:

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Wie peni­bel die Redak­ti­on der Lau­sit­zer Rund­schau alle rele­van­ten Fak­ten in der Über­schrift zusam­men­ge­fasst hat: ein Zwei­und­drei­ßig­jäh­ri­ger, eine acht­und­zwan­zig­jäh­ri­ge Ehe­frau, auf dem Bür­ger­steig. Dass hier die x‑te Fol­ge der Rea­li­ty soap „Schei­dung auf Afgha­nisch” läuft, weiß ja ohne­hin jeder.

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