Egal wie blendend gelaunt ein Optimist auch sein mag, Humor besitzt er für gewöhnlich nicht. Ihm fehlt ein dafür unentbehrliches Ingredienzium: der Fatalismus des Pessimisten. Am Optimismus gibt es nichts zu kompensieren, denn er ist bereits die Kompensation.
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Im Paradies gibt es keine Hoffnung mehr.
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Leser ***, Jurist, weist mich darauf hin, dass der – man sagt in einem solchen Falle mit Recht: renommierte – Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek sich „das letzte Produkt aus der Harbarthschen Staatsstreichmanufaktur vorgenommen und mit einer auch für den Laien problemlos zu verstehenden Besprechung des Impfpflicht-Beschlusses vom 27. April 2022 die Rechtsbeugungsthese vollinhaltlich bestätigt” habe. Der Freiburger Emeritus bezeichnet die Entscheidung der Verfassungsrichter als ein Fehlurteil und stuft sie überdies als verfassungswidrig ein, weil sie auf falschen Tatsachenbehauptungen und einer juristisch unhaltbaren Argumentation beruhe. Zuvor hatte bereits der – vielleicht nicht ganz so renommierte, jedoch numinos brillante – Staatsrechtler Ulrich Vosgerau der Urteilsbegründung unserer höchsten, indes kaum mehr hohen Richter Rechtsfehlerhaftigkeit bescheinigt. Mit anderen Worten: Das juristische Niveau der Argumentation ist unterirdisch. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weist so massive fachliche Fehler auf, dass damit wohl nicht einmal ein Referendar durchs Examen käme. „Da das Gericht weder dem im Examen herrschenden Zeitdruck unterliegt noch Mangel an fachlicher Beratung hat – jedem Richter stehen hochqualifizierte wissenschaftliche Hilfskräfte zur Verfügung –, bleibt”, wie Leser *** resümiert, „nur eine Schlußfolgerung übrig: Das Gericht – also der Erste Senat unter Harbarth – wollte bewußt entgegen der Rechtslage entscheiden. Dies ist in der Tat die Definition der Rechtsbeugung.” *
Besonders pikant in diesem Zusammenhang ist das rigide Vorgehen des Staates gegen den Weimarer Amtsrichter Christian Dettmar, der im April 2021 an zwei Weimarer Schulen die Maskenpflicht für Schüler aufgehoben hatte. Dettmers Büro und Wohnung wurden von der Polizei durchsucht – wie auch die Wohnungen von elf weiteren einer staatsfeindlichen Verschwörung Verdächtigten –; der unbotmäßige Amtsrichter wird jetzt sogar wegen Rechtsbeugung vor Gericht gestellt. Hausdurchsuchungen bei Kritikern der Coronamaßnahmen, „Querdenkern” und „Hetzern” gehören inzwischen zur Folklore des besten Deutschlands, das es je gab. Aber auch das ist in der öffentlichen Wahrnehmung eines Landes, dessen in die Jahre gekommene Wortführer nicht nur in den Notstandsgesetzen gegen den RAF-Terror, sondern sogar in einer Volkszählung die Wiederkehr des „Faschismus” witterten – egal.
Leser *** soll für heute das letzte Wort dazu haben. „Apropos Rechtsbeugung: Die Staatsanwaltschaften können schon, wenn sie wollen. Im Falle des Weimarer Richters sind die Wohnungen von mehreren Beteiligten durchsucht und deren Kommunikation durchforstet worden, um ein kollusives Zusammenwirken aufzudecken. In meinen Augen wäre das die Blaupause für das Vorgehen gegenüber den acht Mitgliedern des 1. Senats. Die ideale Gelegenheit für eine solche Razzia bestünde, wenn sich die Herrschaften wieder zum Essen im Kanzleramt treffen.”
* Zum Vorwurf der mutwilligen Rechtsbeugung schreibt Leser ***: „Es gibt keinen Nachweis für den Vorsatz, also für den Zirkelschluss: Das Urteil ist so schlecht, es kann nur Absicht sein. Es wäre gescheiter, er sagte, dass er diesem Urteil nicht traut.”
„Der Einschub zur Zirkelschluß-Behauptung kann nicht unrepliziert bleiben”, meldet sich der Gerügte stracks zu Wort. „In Vorsatzfragen gibt es gibt es seit dem Bestehen des Strafrechts nie einen Nachweis im streng wissenschaftlichen Sinne, das liegt in seiner Natur als innerer Vorgang beim Menschen. Selbst ein Geständnis des ‚Täters’ erfüllt diese Anforderung nicht, denn es könnte getürkt oder sein oder er könnte sich in einem derart psychischen Ausnahmezustand befunden haben, daß er zu einer den Vorsatzbegriff ausfüllenden Willensbildung nicht in der Lage war. Ich will an dieser Stelle noch gar nicht tiefer in die Strafrechtsdogmatik einsteigen, die natürlich schon einen Unterschied zwischen Vorsatz und Schuldfähigkeit macht. Aber bei beiden Elementen gilt das Gleiche: Es gibt keinen naturwissenschaftlichen Strengbeweis über deren Vorliegen oder Nichtvorliegen. Nur daß sich zu Fragen der Schuldfähigkeit immer ein psychiatrischer Gutachter zu äußern hat. Auch dieser ist auf äußere Merkmale angewiesen wie Umstände und Art der Tatausführung. Genau letztere ist in allen Standardfällen die entscheidende Grundlage, um von einem vorsätzlichen Handeln des Täters auszugehen.
Nehmen Sie als Beispiel einen Bankraub mit Geiselnahme. Hier kam noch kein Gerichtsreporter auf die Idee, das Gericht, das die Tat als vorsätzliche einstuft, eines Zirkelschlusses zu bezichtigen. In den Fällen allerdings, in denen die Tatausführung allein beide Möglichkeiten zuläßt, Vorsatz oder Fahrlässigkeit, vulgo Schlamperei, und der vorliegende Fall ist ein solcher, zieht man einen Schluß aus hinzukommenden Indizien. Genau das ist hier bei der Bewertung der BVerfG-Entscheidung erfolgt, nämlich den Indizien der zur Verfügung stehenden fachlichen Kompetenz, der Zeit und der Schilderung Vosgeraus im zitierten und damit zum Gegenstand der Aussage gemachten Artikel, worin geschildert wird, daß der 1. Senat in der Antragsschrift lang und breit und ausdrücklich auf die wissenschaftlich fundierte Problemlage der Impfungen hingewiesen wurde. Darüber hat sich der 1. Senat schlicht hinweggesetzt. Jedes deutsche Strafgericht zieht aus einer solchen Konstellation den Schluß, daß das keine Schlamperei war, sondern bewußtes Handeln. Jede andere Folgerung würde unterstellen, das 1. Senat sei auf allen Positionen einschließlich der wissenschaftlichen Mitarbeiter mit debilen und/oder kognitionsunfähigen Dilettanten besetzt. Auf einen solchen Gedanken mag man vielleicht bei der Betrachtung des einen oder anderen Ministerpostens kommen, doch für das BVerfG möchte ich das definitiv ausschließen.”
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Wieder bzw. noch etwas gelernt bei Ulrich Vosgerau: Der Irrglaube der „Reichsbürger” bestehe nicht in deren Ansicht, das Deutsche Reich existiere noch – diese Tatsache ist durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt worden, das in seiner Entscheidung zum Grundlagenvertrag 1973 feststellte, das Deutsche Reich sei 1945 keineswegs untergegangen, sondern bestehe fort –, als vielmehr in der Idee fixe, dieses Reich existiere irgendwo als unabhängiges Gebilde, also parallel zur Bundesrepublik, und sei von dieser zu trennen. Das deutsche Reich, so Vosgerau, sei mit der Bundesrepublik identisch, ungefähr so, wie beispielsweise die SED mit der Linkspartei identisch ist.
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Satz des Tages:
„Die USA werden Russland bis zum letzten Ukrainer bekämpfen.”
Norbert Müller, Kapitalmarktanalyst und Fondsmanager, im aktuellen Heft von Tumult.
PS: Dieser Satz, belehrt mich Leser ***, stamme vom Chicagoer Politologen John Mearsheimer, „der ihn seit Jahren wiederholt”.
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Während das Kommentariat der Wahrheitspresse einen Entrüstungssturm über einen Welt-Gastbeitrag fabriziert:
und der Springer-Vorstandschef sich für diesen Rückfall in den Meinungspluralismus entschuldigt, gehen andere Gastbeiträge seltsam unbeplärrt durch und ohne offene Zerknirschungssimulationsbekenntnisse (in diesem Falle z. B. von Kaube & Kohler) unter.
Zitat:
„Russlands Bevölkerung hat sich erfolgreich entmenschlicht.” Wenn das der Führer wüsste!
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Sehr wenig liest man in der Qualitätsmedien dagegen über den rätselhaften Pfingstvorfall in der 200.000-Einwohner-Stadt Owo im Süden Nigerias. Allzu voreilig ist der Schluss, der auf dieser Webseite gezogen wird.
Dass in Nigeria und anderen afrikanischen Ländern Muslime regelmäßig Christen abschlachten, bedeutet ja nicht, dass jene Gruppe von Männern, die am Ende der Sonntagsmesse in eine katholische Kirche eindrang, dort in die Menge schoss und Bomben warf, nun automatisch aus Muslimen bestanden haben muss. Der Anschlag auf unbewaffnete betende Katholiken, bei dem Dutzende Menschen starben, darunter Kinder, könnte auch, wie der ARD-Korrespondent spekulierte, der Delegitimerung des lokalen Gouverneurs gegolten und mit dessen Kampf gegen den Drogenhandel zu tun haben. Es ist eben alles sehr verworren, und deshalb berichten die meisten deutschen Medien außer der dürren Meldung nichts. Werden sie detaillierter berichten, wenn der Fall geklärt ist? War jemals zuvor bei Anschlägen von radikalen Vertretern der Religion des Ewigen Friedens ein medialer #aufschrei vernehmbar? Nein, denn das könnte ja zu falschen Verallgemeinerungen führen und Moslems unter Generalverdacht stellen.
Wenn dagegen, wie beim Anschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch, der Täter ein … – –
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Falsche Täter, falsche Opfer, Fortsetzung.
Berlin engagiert sich gegen Islamophobie, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit!
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Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist freilich angezeigt bei gruppenbezogenen Menschenfeinden.
„Der ‚Kampf gegen rechts’ ist in den letzten Jahren zu einem dominierenden Feld der deutschen Innenpolitik geworden”, notiert Peter J. Brenner in einem Tumult-Dossier ohne wirklichen Sinn für die Größe und Herrlichkeit dieses Aufbruchs. „In erster Linie hat er sich bewährt in der Form der medialen Diskurslenkung und des zivilgesellschaftlichen Aktionismus, aber inzwischen hat er sich weitere Geschäftsfelder erschlossen. Dazu gehören insbesondere wissenschaftliche Institutionen, die sich am Rande des regulären Universitätsbetriebs etabliert haben und sich ausschließlich diesem einen Geschäftszweck widmen.
Statt der Formel ‚Kampf gegen rechts’ verwenden die einschlägigen Institutionen in ihren Selbstbeschreibungen wissenschaftsaffine Begriffe wie ‚Demokratieforschung’, ‚Migrationsforschung’, ‚Integrationsforschung’, ‚Rechtsextremismusforschung’, ‚Rassismusforschung’ und neuerdings die zwischen Politik und Wissenschaft schillernde Bezeichnung ‚gesellschaftlicher Zusammenhalt’, der die politische Agenda am deutlichsten erkennen lässt – sofern man sich klar macht, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt dadurch hergestellt wird, dass die ausgeschlossen werden, die nicht dazugehören.”
Na was denn sonst!
„Die ‚Kampf-gegen-rechts’-Institute erfüllen ihre Funktion unabhängig von ihrer tatsächlich geleisteten Arbeit. Ihr politischer Auftrag besteht darin, ‚Wissenschaft’ zu produzieren. Denn ‚die Wissenschaft’ besetzt inzwischen eine zentrale Funktionsstelle im Legitimationssystem postdemokratischer Gesellschaften: Wer Wissensangebote in den politischen Diskurs einschleusen kann, besitzt einen entscheidenden Legitimitätsvorsprung.
Dabei sind die Ansprüche an die wissenschaftliche Qualität dieser Angebote nicht allzu hoch. Auch dem gutmütigsten Betrachter kann nicht verborgen bleiben, dass die zahllosen Forschungs- und Transferprojekte der ‚Kampf-gegen-rechts’-Institute den Eindruck völliger Beliebigkeit hinterlassen. Entscheidend ist nicht die Relevanz und Qualität der Forschung, entscheidend ist ihre Uniformität.”
Wahre Vielfalt ist ohne eine gewisse Uniformität nämlich nicht zu haben.
(Der gesamte Text hier.)
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Der Tagesspiegel schreibt über eine Bühnenfassung des letzten Thomas-Bernhard-Romans „Auslöschung”:
Merken sie es nicht, oder tun sie nur so?